Randwelten. Sarah L. R. Schneiter
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Читать онлайн книгу Randwelten - Sarah L. R. Schneiter страница 8
„Alle sind tot“, entgegnete er, zum Hologramm gestikulierend. „Meine Freunde, meine Lehrer, alle sind sie tot. Oder schlimmer … Jiāngshī.“
Untote, Wiedergänger, Infizierte, Zombies, Nani kannte für diese Kreaturen eine ganze Menge Namen. Ursprünglich war sie mit ihrer Einheit hierhergekommen, um herauszufinden, wie sich eine die Seuche auf dieser Welt derart rapide ausgebreiten konnte sowie um Bewohner zu evakuieren. „Meine Kameraden ebenfalls“, brummte sie und lauschte dem Requiem, den schönsten Klängen, die sie seit langem hörte. Ihre Waffe mit dem fast leeren Energiemagazin fühlte sich schwer an, ihr zerfledderter Kampfanzug bestenfalls wie alte Lumpen und doch empfand sie eine Entschlossenheit wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Sie schwor sich, dieses eine Leben zu retten und zu beschützen, koste es, was es wolle. Und sei es nur, damit dieser eine Junge wieder in einer Konzerthalle sitzen konnte. Da draußen waren Menschen, eine große, unvergessliche Galaxis; sie musste lediglich nach Hause finden. Endlich hatte sie wieder einen Grund, eine Aufgabe, ein Ziel, das sie um jeden Preis erreichen wollte.
Winter im Tonstudio
Der kalte Nachtwind fegte Nani vereinzelte Schneeflocken ins Gesicht und ihre Ohren schmerzten, zudem brannten ihre Lungen vom Aufstieg. „Sag mal“, begann sie und lehnte sich gegen eine Wand, „denkst du, wir schaffen es?“
„Hinauf? Keine Ahnung“, murmelte der Junge, alles andere als zuversichtlich. Er hatte seine abgewetzte Jeansjacke eng um seinen ausgemergelten Oberkörper geschlungen. Nani hatte seinem Schritt die Erschöpfung angesehen, zumindest beim Erklimmen der letzten fünf Stockwerke, weswegen sie die Pause vorgeschlagen hatte. Nun konnte sie sich das Amüsement nicht mehr verkneifen: „Nein, ich meine eher, ob der Sender funktioniert.“
„Hm.“ Han wollte sich offenbar auf keine genauere Prognose zu seinem gewagten Plan einlassen und Nani entschied sich dagegen, ihn zu löchern. Sie betrachtete die Umrisse der Ruinenstadt unter ihnen; einzig deren schneebedeckte Flecken wurden von den zwischen den Wolken auftauchenden drei Monden erhellt. Ab und an drang ein schauriges, entferntes Röcheln zu ihnen, das sie beide ignorierten. Stattdessen meinte Han schlotternd: „Ich glaube, unsere Strategie geht auf. Die Jiāngshī sind ruhiger, die Jäger verkriechen sich, weil sie in der Nacht Angst haben, also …“
Ein Knurren ertönte hinter ihnen und Nani zog mit einer fließenden Bewegung den Blaster, mit dem ihr bestenfalls noch zehn Schuss blieben, aus dem Holster. Sie sprang auf, konnte in dem dunklen Büro aber nirgendwo eine Bedrohung ausmachen. „Fuck, wo ist das Ding?“
Als hätte der Zombie auf diese eine Frage gewartet, humpelte er vorwärts und stürzte sich auf Han. Bevor Nani Gelegenheit zum Schießen hatte, duckte sich der wendige Junge weg, was dazu führte, dass der Untote über ihn stolperte und einen Kopfsprung durchs Fenster machte. „Bái chī“, brüllte Han dem Zombie aus dem vierzigsten Stock hinterher und Nani verkniff sich ein Lachen. Dann gewann ihre vernünftige Seite wieder die Oberhand. „Pst, hast du sie noch alle?! Du weckst die ganze Stadt auf und lockst deine Dingsbumsens im Haus an!“
„Dingsbumsens?“ Er starrte sie einige Sekunden an, bis sich seine Mine heiterer wurde. „Meinst du Jiāngshī?“
„Mir egal, wie du sie nennst. Was ich nicht essen kann und was uns essen will, ist ein Feind“, meinte sie versöhnlich. „Okay, weiter, wir haben nur noch siebzehn Stockwerke vor uns.“
„Nur? Ich hasse mein Leben“, seufzte Han und erhob sich. „Scheiß Apokalypse.“
Während sie die letzten Meter durch den Gang über den leicht geneigten Teppichboden schritt, fragte sich Nani, was sie eigentlich von Han halten sollte. In den letzten Wochen hatte sie ihn genauer beobachtet. Einerseits war der Junge widerborstig wie nahezu alle Menschen, die sie in Ausnahmesituationen getroffen hatte, andererseits wirkte er eingeschüchtert; diese Zweiseitigkeit gab ihr Rätsel auf und ließ sie mit sich hadern. Vielleicht lag es an seinem Alter, vielleicht an der Chance auf eine Fluchtmöglichkeit, vielleicht auch …
„Hey, träumst du?“, zischte Han grinsend. „Wir sind bald da.“
Nani gab ein zustimmendes Brummen von sich und hob ihre Taschenlampe, deren tanzender Lichtkegel ein Türschild erfasste. „Tonstudio“, übersetzte Han ihr die Schriftzeichen auf dem von mehreren Brüchen gesplitterten Milchglas. „Wir sind da.“
„Endlich“, keuchte Nani. sie hoffte inständig, ihr Unterfangen klappte, zumal sie alternativlos waren. Han war erst kürzlich auf die Idee gekommen, im Studio der lokalen Holo-News die passende Sendetechnik zu suchen. Kommen würde ohne ihr Zutun zweifellos niemand, denn Menschen sahen aus dem Orbit auf jedem Lebensformenscan aus wie Zombies und das Militär hatte die Welt unter Quarantäne gestellt. „Okay, auf drei.“
Als erstes leuchtete Nani jeden Winkel des Raumes mit ihrer Taschenlampe aus und fand außer unzähligen Geräten nichts. „Ja, das ist ein Tonstudio, soviel ist klar. Bist du sicher, dass wir das nötige Equipment auftreiben können?“
„Einzig die Uneinheitlichkeit der Anlagen könnte heikel werden, viel Tech wird kaputt sein und wir müssen mit dem arbeiten, was wir kriegen. Dafür können wir das ganze Gebäude als Antenne nutzen, also sollten wir durchkommen.“ Damit deutete er auf die großen, vertikalen Eisenträger, die durch den Zerfall freigelegt worden waren.
„Passt.“ Nani stellte ihren Rucksack auf einen verstaubten Tisch. „Ich versuche mal, die Kontrollen für das Notstromaggregat zu finden.“
Die beiden arbeiteten seit einer Viertelstunde still in ihren jeweiligen Ecken des Raumes, Nani registrierte, wie Han zwischendurch Kabel aus einem Gerät riss, mit anderen Drähten verband und dabei unterdrückt fluchte. Da fiel ihr wieder eine Frage ein, auf die sie bislang keine Antwort bekommen hatte: „Hey Junge, wieso bist du so gut mit Technik?“
„Hm“, machte Han schulterzuckend. „Ich stamme aus der Unterschicht.“ Nani wunderte sich, ob er nicht darüber sprechen wollte, oder ob er einfach in seine Arbeit vertieft war und deshalb zögerlich klang. „Dad war Fälscher, Mom Hackerin. Gaunerfamilie; da lernt man einiges. Erst, als ich auf die Musikschule kam, bin ich ein normaler Bürger geworden.“
„Sei froh, dein Geschick könnte uns von hier wegbringen.“ Nani stieß ein triumphierendes Geräusch aus. „Ha, ich hab’s geschafft, das Ding läuft!“ Summend erwachte die Notstromversorgung zum Leben, einige Notleuchten an der Decke flammten auf, was Nani sogleich mit einem halblauten „Scheiße“ quittierte. Auf Hans fragenden Blick erklärte sie eilig: „Wir sind ein verdammter Leuchtturm in einer dunklen Stadt, jeder weiß jetzt, wo wir sind! Wo ist der Lichtschalter?“
„Notbeleuchtung hat auf dieser Welt keinen Aus-Schalter, ist per Gesetz vorgeschrieben“, klärte Han sie auf. „So lange wir Strom zum Senden brauchen, sieht uns die ganze Stadt. Immerhin reagieren die Jiāngshī nicht auf elektrische Beleuchtung. Die Jäger hingegen …“
„Ich hasse die Apokalypse“, ächzte Nani. „Egal, wie gewitzt die Jäger sind, das Haus ist voll von deinen Dingsbumsens und