Randwelten. Sarah L. R. Schneiter
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Symphonie im Bunker
Nani prallte mit ihrem Kampfstiefel gegen einen Stein und fiel flach auf die mit hohen Gräsern sowie Haselstauden bewachsene Überführung. „Verfluchte Scheiße“, keuchte sie und horchte angespannt. Bis auf den zwischen den zerfallenden Hochhäusern hindurchpfeifenden Wind war nichts zu vernehmen; sie musste ihre Verfolger abgehängt haben. Vorsichtig erhob sich die Soldatin, zog ihre abgewetzte Uniformjacke enger und sah auf die Berge, auf denen bereits erster Schnee lag. Sie spazierte zum Geländer der bröckeligen Brücke, lehnte sich an den Beton und genoss die Aussicht, auf die in den Straßenzügen wachsenden gelb-roten Bäume, den stahlblauen Herbsthimmel, die Abendsonne … „Nett“, murmelte sie, das Etui mit ihrer letzten Zigarette hervorkramend. Nahezu ehrfürchtig entzündete sie ihre Kippe, bevor sie das Feuerzeug verstaute. „Gleichwohl keine Welt, auf der ich sein möchte.“ Sie brummte missmutig und nahm einen tiefen Zug von ihrem Glimmstängel. „Als ob mir eine Wahl bliebe.“
Mittlerweile war die Sonne hinter den ihrer glänzenden Fassaden beraubten, verkokelten Wolkenkratzern verschwunden, der Himmel war tiefblau verfärbt und helle Sterne, vermutlich eher Planeten, waren zu erkennen. Nani schlenderte mitten über einen verlassenen Boulevard, von den die Straße säumenden Geschäften waren bloß dunkle Löcher in den Fassaden übrig, ausgebrannt, geplündert, weggebombt. Langsam eroberte sich die Natur ihren Platz zurück, zwischen den zersplitterten Gehwegplatten wuchsen Gräser, welche Nanis Schritte dämpften. Trotz ihrer Erschöpfung war sie nicht gewillt, ihr Nachtlager aufzuschlagen; sie wusste, wie wichtig eine sichere Position war, der kleinste Fehler konnte ihren Tod bedeuten.
Dieser Gedanke hätte nicht zu einem treffenderen Zeitpunkt kommen können; ein Rascheln, das für ihr geübtes Ohr anders als das von der Biese aufgewehte Herbstlaub klang, ließ sie erstarren. Fließend zog sie ihren Blaster aus seinem Holster und duckte sich hinter das Wrack eines Hovercrafts. Sie fand die Quelle des Geräusches sofort: Die Silhouette eines jungen Mannes zeichnete sich gegen den Abendhimmel ab, als dieser, eine speerartige Waffe zur Hand, über das Flachdach eines Gebäudes huschte. Erleichtert stellte Nani fest, dass er eindeutig menschlich war; der erste Mensch, dem sie seit langem begegnet war. Sie stieß einen Pfiff aus, die Gestalt des Fremden wirbelte zu ihr herum, wobei er seine Waffe hochriss.
„Ganz ruhig, ich bin nicht feindselig“, redete Nani ihrem Gegenüber gut zu, als sie die Sprossen zum Dach erklomm und am anderen Ende stehen blieb. Der Fremdling im Kapuzenpulli hielt seinen Speer weiterhin bereit, wirkte jedoch bedeutend entspannter, seit sie ihre Waffe weggesteckt hatte.
„Wer bist du und was um alles in der Galaxis machst du hier?“, forderte er zu erfahren. Endlich war Nani nahe genug um zu sehen, dass der asiatischstämmige Mann relativ jung war, höchstens zwanzig, noch ein Teenager. „Ich bin Nani“, begann sie und deutete auf ihre abgetragene Uniform. „Sorry, Officer Walji, Flotte der Vereinten Systeme.“ Beinahe brach sie in Gelächter aus, ihr letztes Gespräch war Wochen her und ihr militärischer Rang wäre sowieso wertlos.
Er atmete hörbar auf, senkte seinen improvisierten Speer und marschierte sich auf sie zu. Schalk war seiner Stimme anzuhören: „So, Officer Nani, hast du dich beim Training verlaufen und deswegen in diesem Höllenloch gelandet? Da bist du aber sehr weit weg von der Raumflotte. Ich heiße übrigens Han.“
„Lange Geschichte“, antwortete Nani trocken und setzte sich. Sie verspürte kein Bedürfnis, sich daran zu erinnern, wie ihre Einheit auf diesem postapokalyptischen Planeten niedergemacht worden und sie als einzige entkommen war. Die Bilder der zerfleischten Körper ihrer Kameraden reichten ihr für schlaflosen Nächte, sie wollte sich lieber über Lebende unterhalten. „Hast du ein funktionierendes Com? Und wenn ich schon dabei bin, dich auszufragen: Wieso hattest du Angst vor mir?“
„Com?“ Der Junge konnte nicht anders, er brach in Gelächter aus. „Glaubst du denn, wenn ich mit einem Com um Hilfe rufen könnte, hätte ich das nicht längst getan? So vor fünf Jahren vielleicht, als alles vor die Hunde ging?“ Er fasste sich. „Ich fürchtete, du seist eine von den Jägern oder den Jiāngshī.“
„Jäger?“ Auch wenn Nani kein Mandarin sprach, so war sie lange genug auf dem Klumpen, um den Namen, den die Einheimischen ihren Monstern gaben, sofort zu verstehen.
„Ja, Jäger.“ Offenbar brauchte Han einen Moment, um zu begreifen, dass sie keine Ahnung hatte. „Oh, du bist ein Landei. Jäger nennt man Gruppen, die in der Stadt andere ausrauben.“
„Na, super“, seufzte Nani und dachte an den niederen Ladestand ihres Blaster-Magazins. „Hast du einen sicheren Ort für ein Nachtlager?“
Nani war noch immer erstaunt, wie rasch ihr Han vertraute, sie ohne Zögern zu sich in den Bunker eingeladen hatte. Sie wäre in einer Stadt, in der es plündernde Gaunerhorden gab, wesentlich weniger vertrauensselig zu Fremden, zerrissene Uniform hin oder her. Er hatte sie über einen verworrenen Weg ins Innere eines Gebäudes geführt, war zu ihrer Verwunderung dann nach unten gegangen, um schließlich in einem Bunker anzulangen.
Sich mit ihrer Hand durchs kurze, rote Haar fahrend, zeigte Nani mit einer Bewegung ihres Beins auf die verschlossene Tür. „Junge, wie verdammt nochmal hast du einen Bunker gefunden?“
Er zuckte vielsagend mit den Schultern. „Glück? Sturheit? Das Ding ist solide, übersteht sogar eine Atombombe.“
„Nur leider gibt es kein Com, mit dem ich Verstärkung rufen kann.“
„Ach, hör auf zu jammern und mach es dir auf der Couch bequem“, gluckste er und trat in eine Kochnische, wo er Wasser aufsetzte. „Ich habe was aus diesem Ort gemacht.“
„Wo du’s sagst …“ Tatsächlich war der Bunker wohnlich eingerichtet, er hatte gar einige Lichterketten aufgehängt. „Übrigens, woher kriegst du Strom?“
„Erdwärme, ist eine autarke Anlage“, erklärte er mit jugendlicher Nonchalance. „Meine Essensrationen werden dafür echt knapp, mit den Jägern da draußen gibt es bald nichts mehr zu plündern.“ Da Nani nichts erwiderte, erkundigte er sich stattdessen: „Und wie lange bist du schon hier, weit weg von zuhause?“
„Fünf Monate“, gab Nani, der kaum danach war, über ihre Erlebnisse zu sprechen, zurück.
Er lachte lustlos. „So ein Blödsinn, euch herzuschicken. Als ob Soldaten gegen die Jiāngshī eine Chance hätten. Na, wart ihr viele? Hundert? Tausend? Zehntausend?“
„Lassen wir das lieber“, brummte Nani und biss sich ein Stück von ihrem Energieriegel ab. Sie sah sich in dem heimelig eingerichteten Bunker um, dieser sah ganz so aus, als ob Han den Großteil der Apokalypse hier ausgesessen hatte. Ihre Aufmerksamkeit fiel auf ein Streichinstrument, das sie nicht genauer identifizieren konnte. „Spielst du?“
„Ja“, meinte er, überlegte dann aber kurz, bevor er hinzufügte. „Früher. Wunderkind und so. Jetzt … wieso sollte ich noch?“
„Weil du von diesem Ort wegkommen wirst“, versprach sie mit einer Bestimmtheit, die sie sich selbst nicht abkaufte. Insgeheim fragte sie sich, warum sie das Bedürfnis verspürte, einem Teenager, der offensichtlich längst an diese postapokalyptische