Sie wollen doch betrogen werden!. Michael Aulfinger
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Sie wollen doch betrogen werden! - Michael Aulfinger страница 2
Seine Pflegeeltern hatten viel mit ihm mitgemacht, doch war bald der Punkt des Endes der Toleranzgrenze erreicht, als er sich eines Nachmittags so darüber erzürnte, weil seine Pflegemutter ihm Stubenarrest verhängt hatte. Zum wiederholten Male hatte er seine Hausaufgaben nicht gemacht, und da er störrisch und uneinsichtig war, wollte sie zu einer härteren Erziehungsmethode greifen. Diese kostete ihr beinahe das Leben, weil Harry spontan in einem Wutanfall ein fünfundzwanzig Zentimeter langes Küchenmesser aus der Küchenschublade ergriff, und auf seine Pflegemutter losging. Er fuchtelte ihr gebieterisch mit der Waffe vor ihrem Hals herum, so daß sie in Todesangst verharrte, und zu keiner Handlung fähig war. Sie sah ihr Ende gekommen, denn so weit war Harry bis dato noch nicht gegangen. In seinen Augen funkelte der Wahnsinn. Für einen kurzen Moment genoß er das Machtgefühl über Leben und Tod, das ihm diese 25 Zentimeter Solinger Stahl in seiner Hand gegeben hatten. Als sie aber keine Gegenwehr mehr leistete, sich hilflos ihrem Schicksal hingab, und ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert schien, sah er sein Ziel erreicht, und sein Zorn ebbte ab. Befriedigt ließ er von ihr ab, und wandte sich anderen Dingen zu.
Alsbald legte er die Waffe weg, als er zur Besinnung kam. Er griff nach seiner Jacke und verschwand aus dem Haus in Richtung Innenstadt. Der Pflegevater wurde sofort von dem Vorfall von seiner Frau in Kenntnis gesetzt, als er kurze Zeit später von der Arbeit kam. Sie fiel ihm schluchzend und zitternd um den Hals. Ihre Tränen flossen, und sie konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Als Harry sich wieder nach Hause traute, rutschte dem Pflegevater die Hand mehrmals aus, so daß Harry eine Prügelstrafe verabreicht bekam, die er sein ganzes Leben nicht vergessen sollte. Somit waren seine Tage bei seinen Pflegeeltern gezählt, und er kam wieder ins Kinderheim, wo er die letzten Jahre seiner Kindheit verbrachte.
Bald galt er als schwer erziehbar. Er kam von Heim zu Heim, wo er sich wegen einigen Jugendstraftaten zu verantworten hatte. Diebstahl und Betrug waren seine häufigsten Vergehen in Jugendjahren. Binnen kurzem kam auch noch fahren ohne Führerschein hinzu. Er wurde so oft erwischt, daß seine Adoptiveltern sich bald von ihm ganz abwendeten, nicht mehr besuchten, und ihn sogar verleugneten. Mit dem wollen wir nichts mehr zu tun haben. Anderen gegenüber erzählte er ganz frei, daß sein Adoptivvater es gerne sehen würden, wenn Harry bei ihm arbeiten würde, er dies Angebot aber dankend abgelehnt habe. Dem war aber nicht so, denn es verhielt sich andersrum. Sie hatten ihn jäh verstoßen, weil er sie zu oft belogen und betrogen hatte. Dem wollten sie Einhalt gebieten.
So wuchs er später im Heim für schwer erziehbare Jugendliche auf. Danach kam er in der Aktion „Betreutes Wohnen“ unter. Er war weiterhin unter Aufsicht. Sein Geld wurde verwaltet, und wie Taschengeld ihm zugeteilt. Damit war er überhaupt nicht einverstanden. Es drängte ihn nach Freiheit. Er konnte es nicht mehr erwarten endlich achtzehn Jahre alt zu werden. Dann war der Tag der Erlösung endlich gekommen. Er packte sein Hab und Gut, und fuhr mit der Eisenbahn nach Ratzeburg, weil er dort seinen leiblichen Vater wußte, der sich in Gelegenheitsarbeiten dingte, und sein Leben mehr recht als schlecht fristete. Zuerst verstanden sie sich gut, aber nach einer gewissen Zeit, gab es Probleme in finanzieller Hinsicht, und sie konnten miteinander nicht viel anfangen. Außerdem fing Harry an, sich von seinem Vater bevormundet zu fühlen. Dies ließ er sich ungern gefallen. So ging bald jeder weiterhin seinen Weg, die beiderseits nicht allzu vielversprechend waren. Jetzt war er in Ratzeburg, und da er ohnehin nicht wußte wohin er sich wenden sollte, blieb er in dieser Kleinstadt, die durch ihre Insellage eine gewisse Anziehungskraft ausübt.
Auf dem ersten Blick war er äußerst freundlich. Ständig hatte er ein gewinnendes Lächeln auf den Lippen. Seine Art wirkte auf dem zunächst sehr ruhig, und ließ ihn erscheinen, als wenn er überlegt handeln würde. Er war zwar mittelmäßig groß, aber seine hagere Gestalt, prägte sein Äußeres. Sein Gang wirkte immer, als ob sein Oberkörper zuerst nach vorne fällt. Es war kein aufrechter Gang. Seine Knochen prangten unter der Haut hervor, und wirkten spitz. Ein schlanker Kopf saß auf einem langen Hals. Sein schwarzes Haar war auffallend, und betonte die lange Nase, die spitz endete.
Seine Freundlichkeit war bestechend. Immer nett und zuvorkommend. Damit war bei naiveren Menschen zu punkten. Schnell merkte er, das dies ein Kapital war, aus dem man nutzen ziehen kann.
Trete Vertrauen erweckend auf, und es ist bereits die halbe Miete.
Hinter diesem freundlichen Gesicht verbarg sich aber ein durchtriebener Charakter, der berechnend war. Die Berechenbarkeit bezog sich aber neben dem anfallenden Profit darauf, anderen einen Streich zu spielen, um auf diese Weise seine Grenzen ausloten zu können. Wie weit kann ich gehen? Wie ein Adler kreisen, sondieren, und im richtigen Moment zuschlagen, immer das Ziel der Begierde vor Augen. Harry konnte sehr nett sein.
Durch das Jugendamt bekam er eine Ausbildungsstelle zum Altenpfleger, die er in einem Seniorenwohnsitz in Ratzeburg absolvierte. Harry hatte Schwierigkeiten, sich den Regeln anderer anzupassen, sich der Allgemeinheit zu beugen, aber zuerst wirkte er durch seine zurückhaltende und stille Art sehr anpassungsfähig. Das lag daran, daß er bald gemerkt hatte, daß es für seine Unternehmungen wichtig ist, nicht gleich unangenehm aufzufallen. Dies praktizierte er auch auf seiner neuen Arbeitsstelle. Freundlich wie immer verkehrte er mit den Senioren und Kollegen. Bald wurde er akzeptiert. Wenn einem Kollegen oder einem Senioren mal etwas fehlte, so hatte man nicht gleich den netten jungen Mann in Verdacht. Mit Unschuldsmiene wies er jeden Verdacht von sich, und zuckte unwissend mit den Schultern.
Es war ein regnerischer Tag. Herr Wenzel, ein zittriger Mann von nahezu achtzig Jahren, war ein Senior, dem Harry zugewiesen wurde. Sie hatten sich des öfteren unterhalten, und Herr Wenzel fand Gefallen an diesem dünnen und freundlichen jungen Mann, der ihm half die Zeit zu vertreiben. Sie spielten mal Mühle und Dame, und unterhielten sich über Gott und die Welt.
Dabei erwähnte der alte Herr einmal beiläufig, daß er kein Vertrauen zu den hiesigen Banken und Sparkassen habe. Harry merkte sich das im Stillen, ohne weitergehend nachzufragen. Ein anderes Mal sprach Herr Wenzel von einigen tausend Mark, die er noch habe. Auch dieses Mal forschte Harry nicht weiter nach. Doch schlußfolgerte er daraus, daß sich das Geld in diesen Räumen befinden müsse. Da er den netten alten Herrn, der außerdem keinen Kontakt mehr zu seinen zwei Kindern hatte, nicht brutal niederschlagen und berauben wollte, nahm er sich vor die Angelegenheit zu beobachten, und im geeigneten Moment nach dem Geld zu forschen.
Einige Wochen später erlitt Herr Wenzel einen Schlaganfall. Er wurde sofort in das städtische Krankenhaus eingeliefert. Harry wurde von seinen Vorgesetzen beauftragt aus seinem Zimmer einige benötigte Artikel, wie Schlafanzüge, Kulturtasche, Morgenmantel und anderes zu besorgen. Flugs machte er sich auf, und bald befand er sich auch in Herrn Wenzels Zimmer. Da die Zimmer nicht sehr groß waren, und sich auch nicht all zuviel Mobiliar darin befand, benötigte er nicht allzu lange, um alles gründlich zu durchforschen. Dabei suchte er auch noch die benötigten Utensilien zusammen, hatte aber hauptsächlich das Geld im Visier. Er sah auf dem Schrank nach, unter dem Teppich, hinter der Gardine. Er vergaß auch nicht hinter den Bilderrahmen zu schauen. Ihm fielen die unmöglichsten Verstecke ein, wo das Geld sein könnte, weil er davon ausging, wo er selber es sicher deponiert hätte. Er versuchte sich in einem alten Herrn hinein zu versetzen. Wo hätte er es versteckt? Als die Zeit drängte, und er wieder zurück erwartet wurde, fiel sein Blick unter dem Schrank. Er bückt sich weiter. Dort hatte er noch nicht nachgesehen. Es war nichts zu sehen. Schade. Aber einer Eingebung folgend fuhr er seinen rechten Arm aus, und tastete auf dem Boden liegend den Schrank, der auf vier Stützen stand,