Merveille du monde - Das Geheimnis der zweiten Welt. Yvonne Tschipke

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Merveille du monde - Das Geheimnis der zweiten Welt - Yvonne Tschipke

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doch nur ... nur mal sehen, was ... was sich hinter deinem Portal versteckt“, erklärte Tara niedergeschlagen, als der Schreck ihre Stimme wieder los gelassen hatte. „Entschuldige bitte, Josia“, schob sie leise hinterher.

      Josia legte seiner kleinen Schwester einen Arm um die Schulter. „Warum hast du mich nicht einfach danach gefragt.“ „Weil du ständig und überall mit Yaris zusammen bist. Ich weiß doch nicht, ob er Bescheid weiß“, antwortete Tara. Josia sah sie fast ein wenig vorwurfsvoll an. „Tara, hast du es denn immer noch nicht kapiert? Jeder, wirklich jeder, der hier in Merveille du monde lebt, hat ein Portal. Du, ich, Mama, Papa, Yaris, deine Freundinnen und sogar unser Mathematiklehrer – alle, verstehst du?“ Er zog Tara zu der Couch, die neben seinem Schreibtisch stand und schob mit der Hand schnell einige Socken und Unterhosen zur Seite. Sie setzten sich.

      „Es gibt sogar Leute hier, die haben mehrere Portale“, erklärte Josia im ruhigen Tonfall.

      „Echt? Mehrere?“ Tara dachte kurz nach. „Aber das heißt ja, sie leben auch mehrere verschiedene Leben.“ Ihr Bruder nickte. „Deine Freundin Mila zum Beispiel. Warst du schon mal in ihrem Zimmer?“

      „Ja, warum?“

      „Ist dir an ihrem Zimmer irgendetwas aufgefallen?“ Tara überlegte, was Josia wohl meinen könnte. Aber Milas Zimmer sah aus, wie jedes andere auch. Da gab es nichts Besonderes. Abgesehen von dem Chaos, das dort ständig herrschte. Und das war Tara nur deshalb aufgefallen, weil sie selbst furchtbar ordentlich war. „Nein, was soll mir denn an Milas Zimmer aufgefallen sein, außer dass dort immer alles Mögliche auf dem Boden herum liegt.“ Tara ließ ihre Augen vielsagend über Josias Chaos schweifen. Der tat so, als bemerkte er die leise Anspielung auf seine eigene Unordnung nicht und sah seine Schwester verwundert an. „Dir sind echt noch nie die vielen Türen in Milas Zimmer aufgefallen?“

      Naja, jetzt wo ihr Bruder es erwähnte, fielen ihr die bodenlangen Vorhänge ein – vier an der Zahl, an jeder Wand einer. Dass sich dahinter Portale befinden könnten, war ihr noch gar nicht in den Sinn gekommen. Doch nun ergab sogar das Chaos in Milas Zimmer einen Sinn, denn wo sollte sie denn Schränke und Regale hinstellen, wenn sich an jeder Wand Türen befanden.

      „Woher weißt d u eigentlich von den Türen in Milas Zimmer?“, fragte Tara neugierig. Josia wurde ein wenig rot. Das reichte Tara als Antwort. Sie grinste ihren Bruder frech an.

      „Wechselt sie oft?“, fragte sie dann aber schnell, um Josia nicht weiter in Verlegenheit zu bringen. Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Frag sie doch selbst.“ Das werde ich, dachte Tara, erhob sich und ging zur Tür. Bevor sie Josias Zimmer verließ, drehte sie sich noch einmal um und fragte: „Aber warum merken wir nicht, wenn jemand fehlt?“

      „Ganz einfach: Weil ein Aufenthalt in einer der anderen Welten, egal ob er eine Woche oder ein halbes Leben dauert, für die Menschen hier in Merveille du monde nur ein einziger Augenblick ist. Das nennen wir den Zeitensprung.“

      „Heißt das, wenn ich durch das Portal gehe und ein ganzes Jahr weg bleibe, dass ich hier annähernd zur selben Zeit wieder ankomme?“ Josia lächelte und nickte.

      Tara war schon fast wieder in ihrem Zimmer, als ihr einfiel, weshalb sie eigentlich in Josias Zimmer gewesen war. Sie lief noch einmal hinüber. Ihr Bruder saß vor dem Computer. Fragend sah er Tara an, als sie schon wieder in seinem Zimmer stand.

      „Ich wollte dich nur fragen, ob du mir erzählst, wie dein anderes Leben war“, sagte Tara. „Ja, mach ich, aber nicht mehr heute. Das dauert nämlich etwas länger“, versprach Josia. Aber irgendwie wurde Tara das Gefühl nicht los, dass er das nicht wirklich ernst gemeint hatte. Es war die Art und Weise, wie es diesen Satz gesagt hatte. Vielleicht dachte er, dass es Tara nichts anging. Wenn sie es sich so recht überlegte, sprach hier in Merveille eigentlich kaum jemand davon, wie er auf der anderen Seite des Portals gelebt hatte. Aber vielleicht wollte Josia auch einfach nicht darüber sprechen, weil es ihn zu sehr belastete. Was war das Geheimnis seines anderen Lebens?

      Kapitel 11

      Tara kam am anderen Nachmittag etwas später als gewöhnlich nach Hause. Sofort machte sie sich auf die Suche nach Josia, den sie auf der Terrasse hinter dem Haus fand. Er saß mit geschlossenen Augen auf der kleinen grünen Bank und hielt sein Gesicht in die Sonne. Tara stand ein paar Augenblicke reglos vor ihm und betrachtete ihn in aller Ruhe. Es sah fast so aus, als würde er schlafen. Seine Haare, die ihm sonst – zu Maries Ärger - ständig im Gesicht herum hingen, waren zurück gefallen. Sie gaben den Blick auf die dichten dunklen Wimpern, die sich über seine Augen gelegt hatten, frei. Und auf die kleinen lustigen Grübchen in der Wangengegend. Tara entdeckte verwundert auch eine etwa drei Zentimeter lange Narbe auf seiner Stirn, die sonst von den braunen Haarsträhnen verdeckt wurde.

      Josia merkte am Schatten, der sich zwischen ihn und das wärmende Licht der Sonne geschoben hatte, dass jemand gekommen war. Er öffnete die Augen einen Spalt weit.

      „Hi, Tara. Wo warst du solange?“, fragte er und klappte die Augen wieder zu.

      „Bei Mila“, antwortete Tara. „Ich wollte sie fragen, was es mit den vielen Portalen auf sich hat.“

      Das schien Josia zu interessieren. Mit einem Mal war er hellwach. „Und? Hat sie es dir erzählt?“

      Tara schüttelte den Kopf. „Nein. Hat sie nicht. Ich glaube, dass sie es lieber für sich behalten möchte. Und deshalb habe ich auch nicht weiter nachgefragt.“

      Josia schien ein wenig enttäuscht zu sein.

      „Ich versteh sie“, meinte Tara, als sie das bemerkte. „Ich meine, würdest du jedem auf die Nase binden, weshalb du hier und nicht in der anderen Welt bist?“ „Nein.“

      Josia schüttelte den Kopf. „Nicht unbedingt jedem.“

      „Ist man hier eigentlich immer derselbe Mensch, wie in der anderen Welt?“, fragte Tara. Sie wusste noch so wenig von Merveille du monde, obwohl sie ja eigentlich schon sehr lange hier gelebt haben muss. Aber wahrscheinlich hatte sie sich sonst nie so viele Gedanken darüber gemacht, weil ihr das Besondere dieser Welt nicht bewusst gewesen war. Oder Taras hatte während der Zeit, in der sie nicht hier lebte, all das, was Merveille ausmachte, vergessen. Sie hatte sich allerdings in letzter Zeit immer wieder gefragt, weshalb man etwas so schönes einfach so vergessen konnte.

      Josia schaute hinunter in den Garten. Er dachte einen kurzen Augenblick lang nach und sein Gesicht verzog sich zu einem leichten Schmunzeln.

      „Nein, ich denke nicht immer“, sagte er schließlich. „Yaris zum Beispiel“, Josia fing plötzlich breit an zu grinsen, „war ein Mädchen.“

      Taras Augen wurden riesengroß, als sie das hörte. „Ein Mädchen?“

      Josia nickte – noch immer grinsend. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie blöd ich geguckt habe, als er mich das erste Mal mit durch sein Portal genommen hat und da draußen auf einmal eine langhaarige Brünette neben mir stand.“

      Tara schloss für einen Moment die Augen und versuchte sich den Freund ihres Bruders als Mädchen mit langen braunen Haaren vorzustellen. Immerhin war Yaris blond und hatte kurzes und immer nach allen Seiten abstehendes Haar. Aber je länger sie darüber nachdachte, umso mehr Dinge fielen ihr an ihm auf, die sie eher an ein Mädchen erinnerten, als an den coolen Typen, auf den alle Mädchen in ihrer Klasse standen. Yaris spielte bezaubernd Geige und Klavier. Und er las zum Beispiel statt Horror- oder Kriminalromanen viel lieber harmlose Bücher. Von den Bildern, die er malte, mal ganz zu schweigen.

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