Merveille du monde - Das Geheimnis der zweiten Welt. Yvonne Tschipke

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Merveille du monde - Das Geheimnis der zweiten Welt - Yvonne Tschipke

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Noch zweimal klingelte Ninas Handy. Noch zweimal strich sich Taras Freundin beim Telefonieren das glänzende blonde Haar hinter die Ohren. Und nicht zum ersten Mal in ihrem bisherigen Leben wünschte sich Tara, genauso hübsch auszusehen, wie ihre Freundin. Dann würden die anderen sie vielleicht auch mögen. Oder sie hätte vielleicht auch schon einen Freund. Jemanden, mit dem sie reden könnte, und lachen und ... jemanden außer Nina.

      Eigentlich ließ Tara diese Art Gedanken sonst nicht zu, doch heute dachte sie immer wieder darüber nach. Allerdings nur, um den anderen Gedanken aus ihrem Kopf zu spülen. Immer wieder schob sich die Hütte, das Licht, das eigenartige Rauschen und das gemütliche Zimmer hinter der Tür in ihren Kopf. Hatte sie geträumt? Oder war sie vielleicht tatsächlich verrückt geworden?

      Als Tara zuhause die Wohnungstür öffnete, schlug ihr eine dichte Mauer Zigarettenqualm und der Klang verwaschener lauter Stimmen entgegen. Leise zog sie die Tür hinter sich zu und schlich auf Zehenspitzen zu ihrem Zimmer.

      Sie hoffte, dass wie immer keiner gehört hatte, als sie gekommen war. Was sie jetzt in diesem Moment ganz und gar nicht gebrauchen konnte, waren die betrunkenen Bekannten ihrer Eltern, die ganz sicher nicht weniger benebelt waren als diese. Tara hasste es, wenn die Freunde ihrer Eltern sie vollquatschten und ihr dabei ihren alkoholgetränkten Atem ins Gesicht schleuderten. Deshalb verzog sie sich auch an diesem Abend lieber gleich in ihr Zimmer, trotz des starken Hungergefühls das ihr bereits Bauchschmerzen bescherte.

      Es klirrte. Tara blieb stocksteif vor Schreck auf der Stelle stehen. Sie hatte mit dem Fuß einige von den unzähligen Bierflaschen umgestoßen, die im Flur herum standen und darauf warteten, im Supermarkt in Pfandgeld umgetauscht zu werden. Gereizt verdrehte Tara die Augen. Konnten die ihre blöden leeren Flaschen nicht einfach mal woanders hin stellen? Genau das war einer der Gründe, weshalb sie Nina noch nie mit in die Wohnung genommen hatte. Überall stand dieses Zeug im Weg herum. Selbst wenn Tara hin und wieder versuchte, Ordnung in das Chaos zu bringen, es dauerte keinen Tag, bis es wieder genauso aussah, wie vorher.

      „Tara. Na, Kleine, wie geht es dir denn? Muss nur mal schnell auf`s Klo.“ Eine Frau kam aus der Küche in den Flur. Es war Bettina, eine Freundin ihrer Mutter. Tolle Freunde konnten die haben. Saßen den lieben langen Tag saufend und rauchend zusammen, anstatt ihnen mal die Meinung zu geigen, von wegen Verantwortung und so weiter. Denn dazu waren doch Freunde da? Oder nicht?

      Bettina kam auf Tara zu geschwankt und wollte sie umarmen. „Ach, lass mal lieber, Betti“, quetschte Tara zwischen den Zähnen hervor und schob sich an der Wand entlang bis zu ihrem Zimmer.

      „Ich war in der Hütte“, schrieb Tara nur einige Minuten später in ihr Tagebuch, nachdem sie die Tür ihres Zimmers von innen verschlossen hatte. „Aber es war echt krass, denn plötzlich war ich in einem wunderschönen Zimmer. Es war sauber, hell und duftete echt lecker.

      Doch etwas war seltsam: Eine Frau ist gekommen und hat mich gerufen - bei meinem Namen. Hallo? Woher wusste sie, dass ich Tara bin? Und überhaupt, woher wusste sie, dass ich dort bin?“

      Kapitel 7

      „Was? Du willst doch heute schon wieder in den Wald? Warum denn?“ Nina verzog angewidert das Gesicht. Klatschnass war sie am Vorabend nach Hause gekommen und musste sich eine Moralpredigt von ihrer Mutter anhören, weil sie sich mit der neuen Jacke im Wald herumgetrieben hatte. Das Kino mit Titus konnte sie vergessen.

      Tara tat so, als würde sie angestrengt nachdenken, dann antwortete sie: „Mal sehen: Vielleicht weil ich sonst nichts zu tun habe? Weil meine einzige Freundin Tag und Nacht am Knutschen und am Telefonieren ist?“

      „Ach komm, Tara. Ich kann ja nichts dafür, dass du noch keinen Freund hast“, meinte Nina in rechtfertigendem Tonfall. „Wenn du einen hättest, dann könnten wir zu viert ... na, du weißt schon“. Sie sah Tara beleidigt an.

      „Nein, weiß ich nicht!“ Tara lief schneller. „Los, komm jetzt, ich will nicht schon wieder dafür verantwortlich gemacht werden, weil wir zwei zu spät kommen!“ So war es nämlich immer. Nina, die Tochter des angesehenen Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. Landau, war in den Augen der Lehrer nie daran schuld, wenn sie und Tara die ersten Minuten des Unterrichtes verpassten. Nein, das Kind der ... Tara musste schlucken bei diesem Gedanken ... das Kind der Säufer war an allem Schuld.

      „Tara, warte doch“, keuchte Nina hinter ihr.

      Tara blieb stehen und drehte sich um. „Und außerdem, so eine wie mich will sowieso keiner als Freundin. Also schlag es dir gleich mal aus dem Kopf, dass wir mal was

      z u v i e r t machen könnten, was auch immer du dir darunter vorstellst“, schleuderte sie Nina entgegen und stieß die Tür zum Schulhaus auf.

      Am Nachmittag regnete es schon wieder. Tara zog den Reißverschluss ihrer bereits klatschnassen Jacke bis zum Kinn. Sie war alleine auf dem Weg zu den Drachenfelsen. Nina wollte nicht mit, Titus und sie hatten was anderes vor. Im ersten Moment war Tara darüber sauer. Doch wenn Tara ganz ehrlich war, machte es ihr eigentlich nichts aus, dass Nina an diesem Nachmittag nicht dabei war. Vielleicht war es wirklich besser, wenn sie allein hier her kam und das Geheimnis der Hütte weiter erkundete.

      Tara war aufgeregt. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Hoffentlich funktionierte es wieder. Hoffentlich hatte sie sich das alles nicht nur eingebildet. Die Sehnsucht nach dem gemütlichen Zimmer, diesem frischen blumigen Duft, der in jede kleinste Nische des Raumes gekrochen war und nach dem Gefühl der Geborgenheit, das sie dort erfüllt hatte, ließen ihr Herz beben. Ja, das Zimmer in dieser alten kleinen Hütte hatte ihr das Herz gewärmt, den Kopf befreit, die Ketten um die Seele gesprengt.

      Tara schob sich durch das Gebüsch. Und da stand sie, als hätte sie schon immer dort gestanden – die kleine alte Holzhütte.

      Es war still hier. Nur die feinen Tropfen des Nieselregens machten leise Geräusche, als sie auf den Blättern der Bäume landeten, sich dort mit vielen anderen zu größeren Tropfen sammelten und dann gemeinsam auf den weichen Waldboden fielen.

      Tara blieb noch einen Augenblick stehen und lauschte. Sie konnte es wieder hören. Das leise Rauschen war wieder da, genau wie an den anderen Tagen auch. Tara setzte sich langsam in Bewegung und lief auf die kleine Hütte zu. Das Rauschen wurde immer stärker, je näher sie der Hütte kam. Und auch dieses warme Gefühl, das sie verspürte, wenn sie sich in der Nähe der Hütte aufhielt, konnte Tara wieder spüren. Schnell lief sie um die Hütte herum, zu der Stelle, wo sich die kleine Tür befand. Voller Erwartung stand Tara davor und zögerte noch einen kleinen Augenblick. Was, wenn es doch nur Einbildung gewesen ist? Was, wenn sie langsam aber sicher verrückt wurde? Manchmal wünscht man sich etwas so sehr, dass man glaubt, es wäre in Wirklichkeit da.

      Vielleicht hatte ihr die wilde Fantasie, Ursprung all der Geschichten, die sie sich ausdachte, einen Streich gespielt. Aber was, wenn es doch wirklich geschehen war? Was, wenn es das Zimmer in der Hütte wirklich gab? Dann wäre jede Sekunde, die sie hier draußen zögernd herum stand eine vergebene Chance, dieses kleine Glück zu erleben.

      Auf einmal wurde die angenehme Stille jäh unterbrochen. Tara, noch ganz in Gedanken, zuckte zusammen. Ninas Stimme plärrte durch den Wald: „Tara! Taaaraaa! Ich bin`s, Nina! Titus hatte doch keine Zeit! Tara, bist du hier?“

      Einen Moment lang dachte Tara darüber nach, zu ihr zu gehen. Vielleicht sollte sie ihrer besten und einzigen Freundin von dem Zimmer erzählen. Und von den guten Gefühlen, die es in ihr ausgelöst hatte.

      Doch nur einen kurzen Augenblick später kroch sie auf allen Vieren auf die kleine Tür zu. Nein, Tara war sich ganz sicher, dass Nina ihr nicht glauben würde. Sie

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