Merveille du monde - Das Geheimnis der zweiten Welt. Yvonne Tschipke

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Merveille du monde - Das Geheimnis der zweiten Welt - Yvonne Tschipke

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„Oh, Mann, Nina. Ihr seht euch doch gleich.“ Nina stopfte das Handy in die eine Hosentasche und zog aus der anderen zwei Müsliriegel hervor. Einen hielt sie Tara unter die Nase. „Hier, Frühstück.“

      „Danke“, meinte Tara leicht verlegen, griff nach dem Müsliriegel und riss die bunte Verpackung auf. Gut, dass Nina an sie dachte. Fast so, als hätte sie längst geahnt, dass in Taras Wohnung nicht ein Kanten Brot mehr zu finden war.

      Nina war Taras beste und einzige Freundin, schon seit die beiden gemeinsam in den Kindergarten gegangen waren. Und eigentlich immer am Telefonieren. Meistens mit ihrem neuen Schwarm Titus. Seit drei Wochen war sie mit ihm zusammen – absoluter Rekord!

      „Ja, ich weiß, meine Süße, wir sehen uns gleich“, meinte Nina mit verliebtem Glanz in den Augen, „aber wir sind eben so ... “ Tara winkte ab. Sie wollte gar nicht näher wissen, w a s Nina und Titus waren.

      Die beiden Mädchen gingen schweigend nebeneinander her. Nina dachte an Titus. Tara überlegte, ob sie ihrer Freundin von der Hütte erzählen sollte. Aber wem sonst, wenn nicht ihr? Tara hatte doch sonst niemanden, der ihr zuhörte und den es in irgendeiner Weise auch wirklich interessiert hätte, was sie entdeckt hatte.

      „Hast du die Hütte an den Drachenfelsen schon mal gesehen?“, fragte sie schließlich fast wie nebenbei. So als hätte sie ihre beste Freundin nach dem Wetterbericht gefragt. Nina kannte Taras geheimen Ort. Wie sollte es auch anders sein? Beste Freundinnen teilen alles miteinander, selbst die größten Geheimnisse.

      „Welche Hütte?“, wollte Nina wissen. „Hab keine gesehen, als ich vor zwei Tagen mit Ti ... .“ Sie verschluckte den Rest des Satzes, den sie eigentlich hatte sagen wollen, als sie Taras entsetzten Gesichtsausdruck bemerkte.

      „Du warst mit Titus dort? Hast du sie nicht mehr alle?“ Tara war stehen geblieben und sah Nina wütend an. Sie konnte es nicht glauben, dass ihre Freundin das getan hatte!

      Nina schaute erst ziemlich betroffen; sie hatte Tara versprechen müssen, niemandem von der geheimen Stelle zu erzählen, geschweige denn sie jemandem zu zeigen. Doch dann zuckte sie mit den Schultern. „Was hast du denn? Der Wald gehört dir doch nicht allein. Und dort konnten wir wenigstens mal richtig ungestört ...“ „Hör auf“, unterbrach Tara sie, „Ich will gar nicht wissen, w a s ihr da ungestört tun konntet!“ Mit großen Schritten lief Tara weiter. Hinter sich hörte sie Ninas eilige Schritte und ihr leises Keuchen. Sie war noch nie gut im Ausdauerlauf.

      „Tara, warte. Nun bleib doch mal stehen“, japste Nina und wäre fast auf Tara geprallt, die urplötzlich anhielt. „Was ist denn nun mit der Hütte?“ Tara drehte sich betont langsam um und überlegte einen kurzen Augenblick, ob sie Nina wirklich von ihrer Entdeckung erzählen sollte. „Naja, also, die stand plötzlich da. Eine kleine alte windschiefe Hütte.

      Mit einer winzigen Tür. Zugeschlossen, aber kein Schloss und auch kein Schlüsselloch“, sagte Tara dann doch. Sie sah Nina prüfend an. Konnte sie ihr trauen? Würde die Freundin sie für verrückt halten?

      „Versteh ich nicht. Bist du sicher?“, fragte Nina. Tara nickte.

      Die Kirchturmuhr schlug halb acht. Die beiden Mädchen sahen sich erschrocken an und liefen los. In der ersten Stunde hatten sie Mathe bei Fräulein Hauke. Und sie kamen schon wieder zu spät, zum dritten Mal in dieser Woche.

      Kapitel 4

      Der feine Nieselregen kroch durch den dünnen Stoff von Taras Jacke. Ein kalter Schauer wanderte über ihren Rücken. Schweigend stapfte sie vor Nina den schmalen Waldweg entlang. „Nina hat es gut“, dachte sie und sah sich kurz nach der Freundin um. In der tollen neuen Regenjacke wurde sie ganz sicher nicht halb so nass. Tara hätte auch gern so eine gehabt. Aber die kostete einen Haufen Geld – Geld das ihre Eltern nicht hatten. Und selbst wenn sie es hätten, sie gaben es für andere Dinge aus. Ordentliche Klamotten für ihr Kind standen da ganz hinten an. Nach wie vor trug Tara die Sachen, die Lena inzwischen zu klein geworden waren. Und selbst die sahen nicht toll aus, waren immer ein Stück zu groß. Tara hasste es, wenn sie über den Schulhof oder durch die Klasse lief und die Anderen tuschelnd ihre Köpfe zusammen steckten oder hinter ihrem Rücken über sie kicherten.

      „Lass sie doch“, meinte Nina dann oft tröstend. „Ist doch nicht wichtig, wie man außen ausschaut. Wichtig ist doch, wie es in einem innendrin aussieht.“ Tara seufzte. Nina hatte gut Reden – in ihren teuren Markenklamotten fiel es ihr sicher nicht schwer, so zu denken. Tara jedenfalls tat die offenkundige Ablehnung der Anderen sehr weh. Sie brannte sich in ihr Herz und hinterließ auf ihrer Seele einen tiefen schmerzenden Riss.

      Nach etwa einer halben Stunde waren die beiden Mädchen an den Drachenfelsen angekommen. Taras Herz machte vor Aufregung Bocksprünge. Hatte sie sich das alles nur eingebildet oder würden sie die Hütte tatsächlich finden? Sie schoben sich durch das stachlige Gebüsch, wobei Nina ständig jammerte: „Hoffentlich bleibe ich nicht hängen! Meine Mutter wird verrückt, wenn die neue Jacke kaputt geht!“

      Wenigstens hatte Tara d i e s e Probleme nicht.

      Es war nicht leicht gewesen, Nina zu überreden, mit ihr in den Wald zu kommen. Immerhin hatte die dafür ein Date mit ihrem heiß geliebten Titus verschieben müssen. Früher waren die beiden Mädchen jede freie Minute zusammen gewesen. Sie hatten gemeinsam gelernt, Hausaufgaben gemacht, waren auf den Spielplatz gegangen, um den ganzen Nachmittag die Tischtennisplatte zu blockieren und hatten Musik gehört. Eben all das, was beste Freundinnen so tun. Aber seit Nina Geschmack am anderen Geschlecht gefunden hatte, waren die gemeinsamen Nachmittage immer seltener geworden. Ninas neue Freizeitbeschäftigungen hießen Paul, Chris, Kevin – und im Moment eben Titus. Das tat Tara ziemlich weh, denn Nina war wirklich ihre einzige Freundin.

      Tara glaubte zwar den Grund zu kennen, doch sie verstand nicht wirklich, weshalb die anderen Mädchen und Jungen ihrer Klasse nichts mit ihr zu tun haben wollten. Immerhin waren es ja ihre Eltern, die den ganzen Tag nichts anderes taten als saufen – und nicht Tara selbst. Sie unternahm so ziemlich alles, um zu beweisen, dass sie anders war. Sie arbeitete hart für die Schule. Sie sang im Schulchor – sogar solo. Sie meldete sich zu allen möglichen freiwilligen Aufgaben – doch all das nutzte anscheinend nichts. Die anderen mieden sie wie eine schlimme Krankheit, die man sich um keinen Preis holen will.

      Schließlich hatten Tara und Nina es geschafft, durch das Gebüsch zu kriechen. Tara kam es heute besonders dicht vor. Aber sie stand noch immer da – die kleine windschiefe Hütte.

      „Tataaa!“, schmetterte Tara, als wollte sie sagen: „Siehste.“

      Nina sah mit ziemlich verdutztem Gesicht auf die Hütte. „Wo kommt die denn her? Ich könnte schwören, dass sie da noch nie gestanden hat.“ Tara nickte. „Hm, ich auch. Aber sie ist eben da, seit gestern. Oder vielleicht doch schon immer, ich weiß es nicht.“ Die beiden Mädchen gingen um die Hütte herum bis sie an der Tür angelangt waren. Aber noch immer war sie verschlossen. Etwas anderes hatte Tara ehrlich gesagt auch nicht erwartet.

      Tara blieb stehen und lauschte in sich hinein. Und wirklich, es war wieder da – das Rauschen. Leise zwar, aber sie konnte es genau hören. Und in ihrem Herzen spürte sie, wie schon am Vortag, dieses ungewohnte Gefühl der Geborgenheit.

      „Hörst du das auch?“, fragte Tara Nina, die mit verwundertem Gesicht neben ihr stand und auf die Hütte starrte. „Nee, was denn?“, fragte sie. „Na, das Rauschen“, flüsterte Tara. Nina stand da und lauschte, dann schüttelte sie den Kopf: „Nee, ich hör nichts. Bist du sicher, dass du was hörst?“ Tara nickte. „Vielleicht solltest du mal zu meinem Vater in die Praxis gehen. Das könnte eine schlimme Krankheit

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