Der Fall Bahran. Elke Maria Pape

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Der Fall Bahran - Elke Maria Pape

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sie war, trotz ihres Übergewichts, hatte beide Hände auf ihre Schultern gepresst, und sie regelrecht auf dem Sessel festgehalten.

      Eine ganze Weile hatte sie so vor ihr gestanden und der sanfte Druck ihrer Hände hatte nicht nachgelassen. Dann war die Wärme gekommen, diese tröstende Wärme, die sich auszubreiten schien im ganzen Körper und schließlich sogar ihren schmerzenden Bauch erreicht hatte. Und sie war geblieben.

      Das alles hatte sie auch gestern den beiden Ermittlern bei der Mordkommission gesagt. Sie war ganz ehrlich gewesen und hatte all ihre Fragen so gut sie konnte beantwortet. Obwohl das nicht einfach gewesen ist. Schließlich hatte sie noch nie im Leben mit der Polizei zu tun gehabt. Noch nicht mal in einer Verkehrskontrolle. Noch nie! Eingeschüchtert, das ist wohl das richtige Wort. So hatte sie sich gefühlt. Das imposante Gebäude, die langen Gänge. Der Beamte, der sie mit leicht grimmigem Gesicht in das richtige Büro geführt hatte. Und die beide Kommissare, Herr Weinfeld und Frau Albrecht. Alle Kunden von Frau Bahran würden vorgeladen, hatten sie gesagt. Und sie hatte gleich bemerkt, dass sie sich auf keinen Fall als Kundin gefühlt hatte. Ja gut, sie hatte Madame Geld gegeben, viel Geld, aber Kunden, nein, das waren die Menschen, die zu ihr gingen auf keinen Fall. Und die Beamten hatten sich wortreich entschuldigt. Dann aber hatte Sonja Aust alle Fragen ehrlich beantwortet. Schließlich wollten sie, dass dieser Mord unbedingt aufgeklärt wurde. Unbedingt. Das Schwein, das das gemacht hatte, musste gefunden werden. Da waren sich alle einig.

      Als sie wieder gehen durfte, war sie noch aufgewühlter gewesen als vorher.

      Und die alles entscheidende Frage blieb für alle unbeantwortet!

      Die Frage nach dem Warum?

      Kapitel 10

      Freitag, der 12. August

      Karla sah auf ihre Armbanduhr. Siebzehn Uhr dreißig. Die Beerdigung hatte sich doch länger hingezogen. Gott sei Dank hatte sie noch im letzten Moment daran gedacht, sich etwas Schwarzes in den Koffer zu packen. Die Luft im Kommissariat war schwül und abgestanden. Sie ging zu einem der Fenster, riss es weit auf und ließ sich erschöpft auf ihren Schreibtischstuhl sinken. Zu Hause hätte sich um diese Zeit auf ihre kleine Terrasse gesetzt und vielleicht ein Glas gekühlten Wein getrunken. Ihre Verwandten hatten ihr ein winzig kleines Gästezimmer unter dem Dach zu Verfügung gestellt. Ansonsten hatte sie dort ihre Ruhe. Egon Albrecht, von dem sie eigentlich nicht genau wusste, in welchem Verwandtschaftsverhältnis er zu ihrem Vater stand, irgend ein Cousin vermutete sie, und seine Frau, fuhren jeden Tag mit dem Fahrrad zu ihrem fünf Kilometer entfernten Schrebergarten und kamen meistens erst spät zurück. Zu Mittag konnte sie in der Polizeikantine essen. Ein Luxus, den sie sich gerne gönnte. Wann konnte man sich schon mal an den gedeckten Tisch setzten ohne sich um die Zubereitung des Essens zu kümmern? Höchstens im Urlaub, aber der würde diesen Sommer auch flach fallen. Schließlich wartete eine Menge Arbeit auf sie.

      Sie bevorzugte sowieso kältere Urlaubsziele. Die klare Luft in Norwegen, den Urlaub, den sie sich vor zwei Jahren, nach diesem Fall mit dem Aufsehen erregenden Mordfällen in ihrer Kleinstadt, gegönnt hatte, so etwas gefiel ihr.

      Sie stöhnte. Dieser unerträglichen Hitze konnte man einfach nirgendwo entfliehen, besonders nicht hier in der Stadt. Die Luft war dick und träge und über den Dächern der Stadt schien ein seltsamer süßlicher Geruch zu liegen. Fast konnte man den Eindruck gewinnen, die sterilen Räumlichkeiten der Gerichtsmedizin waren die einzigen, in denen es noch angenehm kühl war, schoss es ihr durch den Kopf, als sie an Dienstagmorgen dachte, jener Morgen, genauso heiß und drückend, an dem sie sich die Leiche von Patricia Bahran angesehen hatte. So unangenehm es war, und sie hätte sich gerne diesen Anblick erspart, so wichtig war es auch gewesen.

      Sie hatte dagestanden, wie sie es immer in solchen Momenten tat, und einige Zeit stumm den Körper der toten Frau betrachtet. Das Blut war natürlich nicht mehr da, aber die zahlreichen tiefen Wunden und offen gerissenen Hautstellen gaben an dem leichenblassen Körper der Ermordeten ein bizarres Bild ab.

      Grausam und zugleich unwirklich.

      Und doch schien es, als hätte der Täter nicht planlos gehandelt und nur in blinder Hysterie zugeschlagen. Alle Schläge mit der schweren Skulptur verteilten sich nur am Oberkörper und am Kopf.

      Es war eine geplante Tat, das stand für Karla fest und das hatte sie auch Zacharias Weinfeld mitgeteilt. Warum hätte der Täter oder die Täterin schließlich sonst eine Perücke getragen? Er war also mitten in der Nacht zu Frau Bahran gekommen, inkognito sozusagen, um nicht erkannt zu werden, aber mit der festen Absicht, die Frau zu töten.

      Das gefundene Perückenhaar stammte von einer dieser wild gelockten Hippie-Karnevalsperücken, so viel hatten sie herausgefunden. Von einer sehr alten Perücke. Wahrscheinlich einer, die vor mindestens zwanzig Jahren angeschafft wurde, das bewies die Zusammensetzung des synthetischen Materials, und die eingemottet in einer Schrankkiste vergessen wurde.

      Bis zu jenem Tag, an dem der Mörder sie zu seiner Tarnung brauchte. Die Perücke gab es in mehreren Größen, was darauf hinwies, dass sie sowohl ein Mann als auch eine Frau tragen konnte.

      Zacharias Weinfeld zerrte an seiner schwarzen Krawatte. „Es waren ganz schön viele Leute da!”, sagte er. Karla nickte. „War ja zu erwarten. Bei dem Kundenstamm. Hast du noch mit der Schwester reden können?”

      „Nur kurz. Sie und ihre Familie waren ja sehr gefasst. Wie gesagt, sie hatten wohl nicht viel Kontakt zu der Verstorbenen. Aber ich habe gesehen, wie die Frau bei der Beerdigung doch ein paar Tränen vergossen hat. Ist bestimmt nicht leicht, eine Schwester zu verlieren, trotz allem.”

      Karla wirkte nachdenklich. „Meinst du, es gab ernsthafte Differenzen zwischen den beiden?”

      „Nein, das glaub ich nicht. Sie führten nur völlig unterschiedliche Leben. Die Schwester hat mir erzählt, dass Frau Bahran vollkommen aufging in ihrer heilenden Tätigkeit. Es schien, als lebte sie ausschließlich für ihre Patienten. Sie fühlte sich berufen, so hat es die Schwester ausgedrückt. Wir haben noch nicht herausgefunden, in wie fern sie noch andere Bekanntschaften oder Freunde hatte. Zu den Nachbarn pflegte sie ein lockeres Verhältnis. Sie ging durchaus auf diverse Grillabende in der Nachbarschaft und auch auf das Bürgerfest in ihrem Stadtteil. Aber niemals lud sie die Leute zu sich ein, auch nicht ihre direkten Nachbarn. Wenn überhaupt, ging sie zu denen.”

      „Aha!” Karla runzelte die Stirn. „Und trotzdem wurde sie immer wieder eingeladen?”

      „Ja, sie war wohl recht großzügig bei der Auswahl ihrer Mitbringsel. Mal ein extrem ausgefallener Wein für den Herrn, mal ein riesiger Blumenstrauß aus dem teuersten Blumengeschäft am Ort für die Dame des Hauses. Für die Kinder immer etwas Süßes oder bisweilen sogar Spielzeug und Bücher. Tja, solch ein Besuch ist doch immer willkommen, oder?”

      „Allerdings. Was sagen die Nachbarn, wie war sie so?”, wollte Karla wissen.

      Zacharias zuckte mit den Schultern. „Ja, so richtig konnte niemand etwas dazu sagen. Nur so weit, Frau Bahran war immer ausgesprochen freundlich, manchmal sogar fast herzlich, beteiligte sich an allen möglichen Gesprächsthemen, sie war sehr gebildet und belesen, das sagten alle. Außerdem ist ihr ungewöhnlicher Kleidungsstil aufgefallen. Sie trug immer elegante Kostüme in sehr bunten Farben, oft sogar einen dazu passenden Hut. Meistens war sie etwas overdressed, wie es so schön heißt. Aber daran hatten sich alle gewöhnt. So außergewöhnlich war es dann auch nicht. In dieser feineren Gegend sieht man häufiger Damen, die mit ihren Stöckelschuhen über den Rasen stolzieren.”

      „Konnte irgendjemand etwas dazu sagen, ob Frau Bahran sich in letzter

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