Der Fall Bahran. Elke Maria Pape
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„Kann ich einen Kaffee haben?”, fragte er eine der Damen, die eine gängige Melodie des gerade laufenden Liedes mitsummte und den Tresen der Essensausgabe abwischte.
„Klar!”, sagte sie und lächelte.
Er wollte gerade etwas sagen, als er es hörte. Die Musik im Radio hatte aufgehört und die sonore Stimme eines Mannes berichtete über das gestrige Auffinden einer toten Frau in einem der besseren Stadtviertel, 56 Jahre alt, und so eine Art Heilpraktikerin. Genauso drückte sich der Sprecher aus.
Mit dem Kaffee in der Hand, für den er wortlos das Geld auf den Tresen gelegt hatte, lauschte Peter Brüggemann angestrengt den Worten des Mannes, obwohl er eigentlich spät dran war und wahrscheinlich schon alle auf ihn warten würden. Er kannte die Gegend, in der die Frau gefunden wurde, sogar gut. Viele seiner Freunde lebten dort und er hatte schon selbst des Öfteren mit der einen oder anderen Immobilie geliebäugelt.
Konnte es die Frau sein, die…?
Er grübelte.
War sie 56 Jahre alt? Konnte das hinkommen?
Er hatte sie immer älter geschätzt. Aber das konnte auch an ihrer gedrungen Figur und an ihrer Größe liegen.
Andererseits, eine Heilpraktikerin? Das ist bestimmt jemand anderes, mutmaßte er. Bestimmt.
Sie ist ja keine ausgebildete Heilpraktikerin, so gesehen.
Nein, nein, das war sie nicht.
Die vier Frauen am Tisch lachten laut. Sie hatten den Bericht im Radio nicht mitbekommen.
Und doch hatten sie sich eingeschlichen, die zweifelnden Gedanken und ließen ihn nicht mehr los. Er konnte nur hoffen, dass seine Kollegen nicht bemerkt hatten, wie fahrig und unkonzentriert er ab einer gewissen Urzeit gewesen war. Der Sprecher im Radio hatte von einem Mord geredet. Vom Auffinden einer Leiche. Von einem grauenvollem Fund einer Leiche.
Grauenvoll.
Er stellte die Klimaanlage in seinem Büro noch etwas höher. Gleich fünf. Normalerweise noch nicht die Uhrzeit, zu der er nach Hause ging. Das war nie vor sieben oder acht Uhr abends. Es kam sogar mehr als häufig vor, dass er bis tief in der Nacht hier saß, um Unterlagen und Mails aufzuarbeiten, zu denen er im Laufe des Tages nicht gekommen war. Er genoss dann immer die Stille des verlassenen Büros und die Dunkelheit um ihn herum, nur unterbrochen von dem Surren des Staubsaugers der Putzfrau, die aber auch kurz nach acht verschwunden war und den Besuchen des Wachdienstes, dessen Männer alle zwei Stunden durch den Betrieb gingen, ihn aber ansonsten in Ruhe ließen.
Er fröstelte und doch schwitzte er gleichzeitig und der kalte Schweiß legte sich wie ein nasses Tuch über seine Haut.
Diese verdammte Hitze.
Er stand auf, nahm seinen Blazer und seinen Aktenkoffer aus feinstem Leder und ging ins Vorzimmer.
Seiner erstaunten Sekretärin schmiss er die restlichen Unterlagen auf den Schreibtisch.
Ihre leicht säuerlichen Blicke ärgerten ihn zwar, aber heute ließ er das unkommentiert. Den ganzen Tag war er neben der Spur gewesen, wie seine Exfrau das nennen würde.
„Das muss heute noch bearbeitet werden, Frau Neumann.”, sagte er nur kurz und knapp. „Ich gehe jetzt nach Hause.”
Sie machte den Mund auf, wollte wohl etwas sagen oder nachfragen, warum er denn ausgerechnet heute so früh ging, überlegte es sich aber dann anders, nahm die Schriftstücke an sich und nickte nur verwirrt.
Da war Peter Brüggemann schon an der Tür des Aufzugs und drückte den Knopf.
Was, wenn sie es ist? Seine Gedanken drehten sich erneut um diese Frage. Was, wenn es Frau Bahran ist?
Sein Herz begann schneller zu schlagen und er spürte wieder dieses besorgniserregende Holpern in seinem Brustkorb. Mist, dachte er und legte zur Beruhigung seine rechte Hand auf sein Herz.
Das sollte helfen, hatte sie gesagt. Als er im Parkhaus ausstieg konnte er jedoch keine Besserung bemerken. Sein Herz raste immer noch wild.
Jetzt mal langsam, beruhigte er sich. Da wird schon nichts passiert sein. Vielleicht würde er nachher mal einen seiner Freunde anrufen und nachfragen. Der war schließlich auch schon mal bei ihr gewesen. Allerdings nur ein einziges Mal.
Ja, das könnte er machen. Er sah auf seine Uhr, als er in seinen fabrikneuen BWW stieg, sofort die Klimaanlage anstellte und los fuhr.
Es war noch zu früh, ihn anzurufen, er musste sich noch ein paar Stunden gedulden. Schließlich war sein Freund genauso ein Arbeitstier wie er.
Ihm fiel plötzlich auf, dass er eigentlich nur solche Freunde hatte.
Dass er sich in das jetzt schon beginnende tägliche Chaos des Feierabendverkehrs einreihen musste, machte seine Herzbeschwerden nicht besser.
Was ändert sich für mich, wenn sie nicht mehr da ist, dieser schmerzenden Frage konnte er nicht entkommen, während er sich mühsam auf die anderen Autofahrer konzentrierte und mit seinem schnellen Auto durch mehrfachen Spurwechsel der Fahrbahnen versuchte, schneller vorwärts zu kommen. Er hupte wütend hinter lahmen Fahrern dieser fürchterlichen Minikleinwagen, die genau so langsam wie ihre Autos zu reagieren schienen.
Frau Bahran wusste so vieles über ihn. Zu viel, dachte er oft.
Sogar einige Sachen, die er selber nicht wusste, oder nicht wissen wollte.
Hatte sie das eigentlich aufgeschrieben? Gab es darüber Unterlagen?
Wie hatte sie in dieser Hinsicht genau gearbeitet?
Er wusste es nicht.
Nicht auszudenken, wenn alle Welt….
Er wollte den Gedanken nicht zu Ende denken.
Nicht jetzt. Zuerst musste er Klarheit haben.
Wenn die Tote tatsächlich Madame Bahran war, dann hatte er jetzt niemanden mehr auf der Welt, dem er vertrauen konnte.
Zu Hause schlug er irgendwie die Zeit tot, machte sich etwas zu essen und stellte den Fernseher an. Er schaltete auf einen der Regionalsender, aber eine ermordete Frau aus einem der teureren Stadtviertel war wohl kein Bericht wert. Oder hatten sie schon heute Morgen darüber berichtet? Sein Handy gab auch nichts an Informationen her. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die hiesige Presse sich das entgehen ließ. Frau Bahran war schließlich in der Stadt bekannt. Man gab ihren Namen unter der Hand weiter, wenn man zufrieden war, Mund zu Mund Propaganda sozusagen.
Die meisten würden nie zugeben, dass sie da waren.
Hatte sie eine Kartei?
Um neunzehn Uhr hielt er es nicht mehr aus und rief seinen Freund an.
Er war schon zu Hause.
„Hör mal, hier ist Peter, das wird dich vielleicht überraschen, aber ich habe heute Morgen im Radio diesen Bericht gehört über eine Frau