Von den Göttern verlassen II. Sabina S. Schneider

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Von den Göttern verlassen II - Sabina S. Schneider

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Auch nach Wochen konnte sie dem Gebräu nichts abgewinnen, aber im ganzen Airenreich schien es kein anderes Getränk zu geben. Man wurde skeptischer, mürrischer und noch unfreundlicher behandelt, wenn man auch nur versuchte, etwas anderes zu bestellen. Vor allem als Nicht-Airen.

      Manchmal müsse man sich den Sitten anpassen, um akzeptiert zu werden, hatte Mikhael gesagt. Serena verstand es nicht, aber sie tat, wie ihr geraten wurde. In der passiven Rolle fühlte sich Serena am wohlsten.

      Gewohnheit, hatte Mikhael es genannt.

      Und wirklich, die Blicke der Airen schienen weniger mürrisch, weniger skeptisch und weniger unfreundlich zu sein, nachdem man gelernt hatte, das üble Gebräu, hergestellt aus den unterirdisch wachsenden grün-gelben Knollen, zu trinken, ohne das Gesicht zu verziehen. Vielleicht war es auch nur Wunschdenken.

      Es war einfach sich selbst zu belügen.

      Eine Erkenntnis, die Serena nur mit Mühe akzeptieren konnte. Man müsse ehrlich zu sich sein, denn wem in der Welt dürfe man vertrauen, wenn man sich selbst nicht glauben könne, hatte Mikhael gesagt.

      Doch wie sollte Serena ehrlich zu ihrem neugeborenen Selbst sein, wenn sie nicht verstand, was sie empfand und warum? Zu allem Überfluss sandten ihr Körper und ihr Geist mehrere Gefühle gleichzeitig aus. Auch widersprüchliche. Serena hatte zunächst Gefühle in primäre und sekundäre eingeteilt und war den primären Gefühlen gefolgt.

      Was nicht sonderlich gut funktioniert hatte. Die „sekundären“ Gefühle wandelten sich in „primäre“, wenn man sie unachtsam beiseiteschob. Verwirrt und verzweifelt hatte Serena bei Mikhael Rat gesucht.

      „Vergleichen, abwägen und Kompromisse finden“, hatte er ihr geraten. „Wie in einer Liebesbeziehung wirst du sowieso immer den Kürzeren ziehen.“ Als Serena nachgefragt hatte, was denn genau eine Liebesbeziehung sei, hatte er erst vor sich hin gestammelt, war rot geworden und hatte dann das Thema gewechselt.

      Seit sie in der Airenhauptstadt Magrem angekommen waren, hatten alle ihre Aufgaben und Pflichten. Nur Serena und Mikhael schienen keinen Platz in dem Ganzen zu finden.

      Aira hatte von morgens bis abends Unterricht in der Airensprache, Airengeschichte, Airenliteratur, Airenpolitik, Airenwaffenkunde, Airen-hast-du-nicht-gehört.

      Malhim rannte wie ein Besessener von einer Versammlung zur nächsten, immer gefolgt von seiner Leibgarde Haril, Aragar und Mof. Sie balancierten auf einem Seil, das bereits schon vor Jahren gerissen war, nicht einmal mehr eine Idee, sondern nur noch der Traum eines alten Senjyou. Und obwohl eine diplomatische Beziehung zwischen den verfeindeten Völker noch nicht greifbar war, erschien sie jedoch wieder möglich.

      Wären Salmon und Garif, wenn sie noch leben würden, auch zu Malhims stummen Schatten geworden?

      Das Erreichen ihres Zieles hatte die Gefährten viel gekostet.

      Zu viel.

      Ein schaler Geschmack erfüllte Serenas Mund. Um ihn hinunterzuspülen, nahm sie einen großen Schluck von dem übelschmeckenden Airengebräu. Und es half. Mochten die Airen es deswegen so? Es fühlte sich an wie Kopfschmerzen nach einem ganzen Tag Übelkeit. Die Abwechslung tat gut.

      Und doch kehrte die Übelkeit in Form eines vertrauten Gesichtes wieder. Langes blondes Haar, Haut so weiß wie Schnee und leere, ausdruckslose Augen.

      Alara …

      Malhim hatte Serena gebeten, mit niemandem über ihrer Mutter zu sprechen. Eine Bitte, der Serena von ganzem Herzen gerne folgte. Doch ihre Gedanken und Gefühle sahen sich nicht an das Versprechen gebunden und lauerten auf die unpassendsten Momente, um über Serena herzufallen.

      Sie hatte von ihrer eignen Mutter, die ihr außer das Leben nichts geschenkt und so viel genommen hatte, lernen müssen, wie sich Hass anfühlte und was er bedeutete.

      Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen und Serena versuchte sich zu beruhigen. Sie wollte das Leben in sich nicht beim Schlafen stören. Mit der Hand fuhr sie vorsichtig über ihren Bauch. Dank der weiten Kleidung war noch nicht viel zu sehen. Doch ihr Leib rundete sich mit einer überraschenden Schnelligkeit.

      Auch wenn das Wesen, das in Serena heranwuchs, seit jenem Tag nicht mehr aktiv gewesen war, wuchs es stetig im Schlaf. Wie groß ihr Bauch wohl werden würde?

      Die durchschnittlichen Maße waren Serena nicht unbekannt. Doch ihre Schwangerschaft war alles andere als normal. Nur wenige wussten von ihr. Und in ihren Augen hatte Serena sie gesehen: die Angst vor dem, was in ihr schlummerte.

      Auch nach jener Nacht hatten Haril und Malhim zu ihr kein Wort über ihr ungeborenes Kind verloren.

      Malhim schwieg aus Scham.

      Und nach einem Versuch, das neuentstehende Leben in ihr zu töten, nahm Haril die Schwangerschaft mit stoischer Wachsamkeit hin und beobachtete Serena aus sicherer Entfernung.

      Mikhael schien etwas zu vermuten, sprach es jedoch nicht an.

      Und Alara wusste es nun auch …

      Was es auch war, das in ihr heranwuchs, es war ihr Kind und Serena würde es beschützen. Behutsam strich sie sich über den Bauch, blickte auf den Kristallkrug mit dem fürchterlichen Gebräu und entschied sich, es nicht mehr anzurühren. Was so furchtbar schmeckte, konnte nicht gut für ihr Baby sein.

      Serena sah sich vorsichtig um.

      Laut ihrem Informanten verbrachte er fast jeden Abend in dieser Kneipe. Doch Zorghk schien noch nicht da zu sein.

      Serenas Herz flatterte. Sie hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, dass ihr Körper, Geist und vor allem ihr Herz selbst bei dem Hauch eines Gedankens auf verschiedenste Weisen reagierten. Zum Glück hatten die Gefühle mit der Zeit an Intensität verloren.

      Mikhael hatte es mit einem Muskel verglichen, der ein Training durchlief. Der Anfang war hart, aber mit der Zeit wurde der Muskel stärker und man gewann an Kraft und Kondition. Er hatte Recht behalten. Mit dem Training kam auch langsam das Verständnis. Es half zu wissen, was man warum fühlte.

      Jetzt brachte der Gedanke, ihren alten Lehrmeister zu sehen und mit ihm zu sprechen, Serenas Herz in Aufruhr. Sie horchte in sich hinein und erkannte das Gefühl: ANGST.

      Ja, sie hatte Angst.

      Angst vor dem, was sie heute Abend von Zorghk erfahren würde.

      Zorghk hatte Serena ausgebildet und unterrichtet, nachdem man ihren Vater abgeführt hatte und sie alleine mit ihrer kalten und gefühllosen Mutter zurückgeblieben war. Sie verstand nun, dass Zorghk eine große Lücke in ihr gefüllt hatte. Er hatte ihr einen Alltag gegeben und Aufgaben, an denen Serena hatte wachsen können. Zorghk war zu einem zweiten Vater für sie geworden.

      Griesgrämig, streng und fordernden, war er vermutlich der Einzige, der ihr etwas über ihre und Airas Eltern sagen konnte.

      ⧖

      Es war wieder eines dieser steifen Banketts, die regelmäßig gehalten wurden, um den Clans die Gelegenheit zu bieten, einander ihre Edelsteine vorzuführen. Es strahlte, blitzte und funkelte, wohin das Auge blickte. Je höher der Rang und reicher der Clan, desto mehr Edelsteine strahlten von Umhängen, Gürteln, Ohren, sogar Schuhen. Ketten, Armreifen und Ringen bedeckten fast jedes Zentimeter Haut. Selbst vor Haarschmuck schreckte die erbarmungslosen Airen

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