Von den Göttern verlassen II. Sabina S. Schneider
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Von den Göttern verlassen II - Sabina S. Schneider страница 4
Er stellte keine Fragen und folgte ihr mit einem Lächeln. Seine bernsteinfarbenen Augen funkelten schelmisch und so gingen sie Abend für Abend in einen heruntergekommenen Schuppen nach dem anderen.
Nach dem zehnten Tag kamen sie zu einem Steinhaus, weit abgelegen vom Kern der Stadt. Das Licht war hier dürftig, da abseits des Palastes nur wenige Reflektoren aufgebaut waren. Ein rauchfreies Feuer brannte in einer Ecke. Die Feuersteine, alt und verbraucht, tauchten den Raum in ein kränkliches Graugrün. Die Bar hatte einen schmalen Tresen, wenige Tische und Stühle. Die meisten Gäste, jeder ein Bier in der Hand, standen. Keiner sagte ein Wort, alle Blicke waren auf Serena und Mikhael gerichtet.
Als Serena und Mikhael die verranzte Spelunke betreten hatten, waren alle Gespräche verstummt. Bis auf ein paar abfällige Grunzer, war es plötzlich so leiser geworden, dass nur der Rhythmus des eigenen Atems blieb.
Sie waren auch in den anderen Bars und Kneipen nicht willkommen gewesen, doch dass man sie so feindselig anstarrte, war das erste Mal. So würden sie weder dem Herd der Gerüchteküche noch Zorghk näher kommen. Hilflose Wut brodelte in Serena, paarte sich mit Frust. Sie wusste, sie musste etwas tun, glaubte endlich eine Aufgabe und einen Platz in dem Gefüge gefunden zu haben.
Doch all ihre Bemühungen prallten an den feindseligen Gesichtern der Airen ab. Mikhaels Gelassenheit und sein wissendes Lächeln gossen Öl in eine hochzüngelnde Flamme. Serena warf mit wütenden Blicken um sich. Wut prallte auf Feindseligkeit. Ihre Fäuste juckten danach, in irgendeinem Gesicht zu landen. Ihr Körper schrie Aggression und ihre Augen suchten nach einem Aggressor.
Ein Airen mit kurzem Bart, schwarzen Haaren und grauen Augen, rundlicher als die anderen, starrte besonders intensiv und machte kein Hehl aus seiner Abneigung. Serena machte einen Schritt auf ihn zu, als sich eine kräftige Hand auf ihre Schulter legte. Serena schüttelte sie ab, drängte sich durch die Menge aus kleinen, runden Gestalten und stand direkt vor dem Kurzbart.
Schweigend starrten sie sich an.
Serena, mit den Händen in die Hüften gestemmt, den Kopf gesenkt, blickte herausfordernd in graue Knopfaugen.
Bevor Serena den Mund aufmachen oder der Airen sich von seinem Stuhl erheben konnte, wurde sie in die Luft gehoben, über eine breite Schulter geworfen und hinausgetragen. Das grunzende Lachen der Airenmenge verabschiedete sie.
Zu perplex, um irgendwie zu reagieren, blieb Serena jedes Wort im Halse stecken.
Etwas abseits stellte Mikhael Serena wieder ab.
Serena holte wortlos aus und wollte Mikhael das Knie in den Unterleib rammen. Doch er war schneller, wich aus und griff nach ihrer Schulter. Serena ging in die Knie, drehte sich und zielte auf seine Knöchel. Wie eine Katze sprang Mikhael in die Luft, packte nach ihrem Arm, wirbelte sie herum und presste ihren Rücken gegen seinen Oberkörper. Serena bohrte ihren Absatz schmerzhaft in Mikhaels Zeh und traf mit ihrem Kopf sein Kinn.
Überrascht ließ Mikhael ihren Arm los, wich jedoch zurück, als sie zu einem Tritt ausholte. Als Serenas rechter Fuß nur Luft durchschnitt, ließ sie den linken folgen, trieb Mikhael mit Tritten und Schlägen zurück. Ein paar trafen seinen Oberkörper, wenige seine Arme, mit denen er seinen Kopf schützte.
Dann erwischte er Serenas Bein, nutzte ihren Schwung, drehte sie weiter, so dass sie das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel. Sie landete auf dem Bauch. Der Sauerstoff wurde beim Aufprall aus ihren Lungen gepresst. Nach Luft ringend, lag Serena auf dem steinernen Boden.
Der Frust war weg, Serena hatte keinen internationalen Konflikt ausgelöst, war jedoch keinen Deut schlauer als vor zehn Tagen.
Mikhael hielt ihr die Hand hin und fragte ebenfalls außer Atem: „Besser?“
Serena nickte und ergriff seine Hand.
Mit Schwung zog er sie hoch und sie landete an seiner Brust. Seine Arme umfingen sie, pressten sie fest an sich. Er atmete den Duft ihres Haares ein und vergessen waren die kalten Steine, die feindseligen Blicke und das Gefühl der Hilflosigkeit und Wut. Es gab nur sie beide auf der Welt und nichts war wichtiger als das Hier und Jetzt.
Mikhael umfasste Serenas Kinn und blickte ihr tief in die Augen.
Dann spürte Serena es.
Ihr Baby trat und förderte eine Erinnerung an die Oberfläche.
„… Du bringst sie über das Flachland, durch den Dunkelwald und das Senjyougebiet nach Torn, in die Berge zu den Airen …“
Serenas Augen blitzten. Sie umarmte Mikhael stürmisch und bedeckte seine Lippen mit ihren. Nur für einen herrlichen Augenblick. Dann warf sie den Kopf in den Nacken und lachte.
Torn! Zorghk hatte sie nicht nach Magrem geschickt, sondern Torn.
Mikhael hob sie hoch und drehte sich im Kreis, presste Serena fester an sich. Er wollte die Zeit anhalten und auf ewig in diesem Moment leben. Serena lachend in seinen Armen. Das war alles, was er in der Welt wollte, je gewollt hatte.
Doch der Moment verging. Sie machte sich von ihm los, rutschte an ihm herunter, bis ihre Füße den Boden berührten. Als sie sich aus seiner Umarmung löste, spürte er ein Stechen im Herzen.
Fragen, die er sich weigerte zu stellen, schwammen gefährlich nahe an die Oberfläche:
Was war am Waldrand bei dem ausgestorbenen Dorf passiert?
Was geschah mit Serena?
Wie konnte ein Mensch unverwundbar sein?
Mikhael verdrängte sie, wollte die Antworten nicht wissen. Er wollte einfach da sein, wenn Serena ihn brauchte. An ihrer Seite sein und für sie tun, was er konnte. In seinen letzten Atemzügen würde er noch mit aller Kraft für sie kämpfen. Doch vor ihrem eigenen Körper konnte er sie nicht beschützen.
Schweigend gingen sie zurück zum Palast und zu ihren Quartieren. Nacht war über Magrem eingebroch. Hier und da erhellte ein grünes Licht ihren Weg, das aus den Fenstern der kleinen Steinhäusern leuchtete. Je näher sie dem Palast kamen, desto größer wurden die Steinbauten und verworrener die Wege und Gässchen.
Doch in den Monaten des Nichtstuns hatten Mikhael und Serena die Gegend erforscht, sich an den Wundern der Airenkultur und der Schönheit der Steinbauten berauscht, die meisterlich aneinandergereiht waren. Es gab Häuser aus schwarzem sowie weißem Marmor. Fenster, Türen und Wände waren mir Edelsteinen verziert. Vor den Eingängen hingen oft schwere Felle. Die Airen verwendeten nur wenig Holz, da das Material in den Bergen nicht nur selten, sondern vor allem in den Augen des langlebigen Volkes zu unbeständig war. Was nicht für die Ewigkeit gebaut wurde, war eine Vergeudung von Zeit und Rohstoffen.
Es dauerte eine Weile, bis sie am Palast ankamen. Wie eine natürliche Erhebung stach er aus den Reihen der flachen Häuser heraus. Auch wenn die Gebäude der Airen selten mehr als einen Stock nach oben gebaut waren, reichten sie, wie die Wurzeln eines Baumes, mit ihren unterirdischen Ebenen weit in den Berg hinein.
Nichts in diesem Teil der Landen war, wie es von außen erschien. Während es in den obersten Geschossen nur wenig Bewegungen gab, vibrierten die unteren Gänge, die fast jedes Haus miteinander verbanden, vor Leben, wenn die kleinen Airen geschäftig hin und her wuselten. In all dieser flachen, reliefartig aus dem Berg herausgearbeiteten Architektur strebte nur der Palast mit seinen 15 Meter hohen Mauern zum Himmel