Von den Göttern verlassen II. Sabina S. Schneider

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Von den Göttern verlassen II - Sabina S. Schneider

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mit vollem Magen. Lange noch verfolgte sie das Gegröle der betrunkenen Airen. Von Unruhe ergriffen, steuerte sie ihr Hotel an, beachtete die schwankenden Gestalten um sich herum nicht. Wollte so viel Zeit wie möglich verschlafen, um die quälende Angespanntheit loszuwerden.

      Doch es war so eine Sache mit der Zeit. Wenn man sie brauchte, konnte man nicht genug von ihr finden und wenn man wartete und hoffte, sie eile mit schnellen Füßen an einem vorbei, lief sie rückwärts und lacht einem dabei ins Gesicht.

      So waren nur wenige Minuten vergangen, als Serena hellwach in ihrem Bett lag. Ihre Gedanken kreisten um sich selbst, ohne still zu stehen. Verwickelten sich ineinander und trafen sich bei einer Frage. Einfach und doch unlösbar: Was war am Waldrand geschehen? Einzelheiten ohne Zusammenhang quälten Serena seit Monaten.

       Leichen aufgetürmt.

       Der Geruch von Blut.

       Das Beben der Erde und Asche.

       Überall Asche.

      Serena schloss die Augen, suchte in den Bildern einen Zusammenhang. Von alleine tasteten ihre Hände nach ihrem Bauch, die Finger drückten sich in ihr Fleisch und ihr gerundeter Körper bäumte sich auf. Ein Keuchen entrang sich ihren Lungen. Kraft zum Schreien hatte sie nicht.

      Ihr Bewusstsein stieß mit dem ihres ungeborenen Kindes zusammen. Die Bilder überfluteten sie, begruben ihren Geist unter sich.

      Ihr Sein gefror.

      Ihr Herzschlag verlangsamte sich, blieb stehen, um dann lauter zu schlagen als jeder Ton, den Serena je vernommen hatte. Sie wurde durch einen Nebel gezogen. Schwärze umgab sie. Dann fand sie sich in einem Wald wieder.

      ⧖

      Sie waren Tag um Tag in dem verwunschenen Wald umhergewandert. Keiner wusste, wo sie waren, oder wo sie hingingen. Doch der Wald wies ihnen den Weg. Die Bäume machten ihnen Platz, zogen ihre Wurzeln und Äste ein, als hätten sie Angst.

      Eine Flut der Empfindungen rollte über Serena her. Sie erinnerte sich. Es war kurz nach dem ersten Kontakt mit dem entstehenden Leben in sich. Nach der Reise in die Vergangenheit und dem Gefühlswirrwarr, der sie dabei ergriffen hatte. Durch einen Nebel sah sie Mikhael und Aira. Spürte ihre Sorge körperlich. Auch Malhim, wie er ihr auswich. Sein ganzer Körper sandte Strahlungen der Schuld aus. Argwohn kam von Haril.

      Serena nahm wahr, wie sie selbst mit jedem Schritt stiller wurde, mit jedem Atemzug schweigsamer. Sie trennte sich von der verwirrenden Außenwelt ab. Versuchte Ordnung in ihr inneres Chaos zu bringen. Mollys Ableben, der ungewollte Beischlaf, die Entführung und all die Gefühle, denen sie nun hilflos wie ein Kleinkind ausgeliefert war, hämmerten mit vergangenen Gefühlen und der Sehnsucht nach Zuhause in ihrer Brust. Ihr verräterischer Geist formte Fragen, deren Antwort sie nicht wissen wollte:

       War sie noch sie selbst?

       War sie je sie selbst gewesen oder nur eine leere, seelenlose Puppe wie ihre Mutter?

       Wer war sie, bevor sie klare Empfindungen wahrnehmen konnte?

       Wenn sie vorher Serena gewesen war, wer war sie jetzt?

       Was machte sie aus?

       Was machte sie zu dem, was sie war?

      Körper und Geist wurden müde. Sie konnte nicht anders. Serena wünschte sich zu verschwinden, nicht mehr zu sein, nicht mehr diesen Zweifeln, diesen Gefühlen ausgeliefert zu sein. Ein Ich, noch nicht geformt, drohte auseinderzufallen und nur eine ausgebrannte Hülle zu hinterlassen.

      Die Nacht brach über sie herein. Sie schlugen ihr Lager auf und Mof erschuf eine Kugel, die Licht und Wärme spendete.

      Serena konnte keine Ruhe und keinen Schlaf finden. Sie saß bei der Lichtkugel und wünschte sich ein lebendiges, flackerndes Feuer, dem sie ihre Gedanken anvertrauen konnte, in der Hoffnung, es würde die Zweifel und den Schmerz verzehren.

      Mikhael übernahm die erste Wache, setzte sich zu Serena, legte den Arm und sie und zog sie an sich. Sie hörte sein Herz schlagen, das Blut durch seine Adern rauschen, spürte, wie sich beim Atmen sein Brustkorb hob und senkte. Trotz der kühlen Nacht war seine Haut im Gegensatz zu ihrer warm. Serenas Kleidung war nach ihrer Entführung verschwunden und Mikhael hatte darauf bestanden, ihr seine Tunika zu geben.

      Seine Wärme wurde zu ihrer und ein Damm in Serena brach. Ihre Welt verschwamm und wurde in Wasser getränkt. Tränen wuschen die brennenden Wunden aus und bereiteten sie für eine langsame Heilung vor. Sie gab keinen Laut von sich. Nur ihre Finger krallten sich in Mikhaels vernarbte Haut, als sie still vor sich hin weinte.

      Lange saßen sie so da. Die Tränen liefen weiter. Trauer um ihr verlorenes Ich, ihr gegenwärtiges und ihr zukünftiges. Trauer um Molly, um alles, was geschehen war. Darum, was gerade passierte und noch geschehen würde.

      Als ihre Tränen versiegten, streichelte Mikhael ihr über die Wange und fragte: „Besser?“

      Weiterhin nach Atem ringend, nickte Serena.

      „Es muss schwer sein, mit all diesen neuen Gefühlen umgehen zu müssen. Es tut mir leid.“

      Serena blicke Mikhael tief in die Augen und sah dort MITGEFÜHL. Er litt, weil sie litt. Aber warum bat er um Verzeihung?

      „Ich hätte sie aufhalten müssen. Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass er das Netz um deine Gefühle zerreißt. Ich wünschte, ich hätte dir diesen Schmerz ersparen können.“

      „Warum wusstest du, dass es wehtun würde?“, fragte Serena. War es immer so? Brachten Gefühle nur Schmerz und Chaos?

      „Das Leben ist nicht einfach. Für die meisten bedeutet Leben Leiden und ist ein ständiger Kampf, diese Leiden zu minimieren“, sagte Mikhael leise und strich ihr zart eine schwarze Locke aus dem Gesicht. Seine Stimme kam von Weitem, aus einer Vergangenheit, über die er stets geschwiegen hatte.

      „Warum klammern sich so viele an ihr Leben, wenn es nur Schmerz und Leid bringt?“ fragte Serena verständnislos und presste ihr Ohr an Mikhaels Brust, um seinen Herzschlag deutlicher zu hören. Es schlug kräftiger und schneller als zuvor, sein Körper wurde wärmer. Seine Brust hob und senkte sich rhythmisch.

      „Es gibt Dinge, für die es sich zu leben lohnt. Ohne Dunkelheit gäbe es kein Licht und ohne Licht keine Dunkelheit.“

      Serena blieb still, versuchte Mikhaels Worte einzufangen und zu verstehen, doch ihr Sinn entglitt ihr wieder und wieder.

      „Was ist das Licht in deinem Leben?“, fragte Serena, hob den Kopf von seiner Brust und suchte in seinen leuchtenden Augen nach Antworten. Mikhael wich ihrem Blick nicht aus und antwortete, ohne zu zögern: „Du bist das Licht meines Lebens.“ Ernst blickte er zu ihr herunter, nahm ihre Hand und legte sie auf sein Herz. „Es schlägt nur für dich.“

      Serena starrte auf ihre Hand, spürte seine Haut unter ihren Fingerkuppen, grub sie tiefer in seine Muskeln, um seinem Herzen näher zu kommen. Mit dem ersten Herzschlag begann das Leben und mit dem letzten endete es. Es war so einfach und doch unendlich kompliziert.

      „Ich fühle so viel Dunkelheit in mir, dass ich nicht leuchten

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