Der Weg der Liebe. Orison Swett Marden
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Versuchet es alle, die ihr müde seid des täglichen Zanks und Haders, der täglichen Prüfungen und Drangsale, die euch im Geschäft in den Weg treten. Die Liebe wird einen neuen Geist erwecken in eurem Laden, in eurer Fabrik und in eurem Kontor. Was auch euer Geschäft sei, welcherlei Widerwärtigkeiten und Schwierigkeiten ihr auch begegnen möget, die Liebe wird die Wege ebnen und euren Lebenswagen auf ein fahrbares Geleise bringen.
Auf dem Friedhof eines deutschen Landstädtchens, auf den ein burggekrönter Felsen herabschaut, las ich vor kurzem auf einem schlichten Grabstein die Worte: Unserer treuen Mutter. „Sie hat getan, was sie konnte.“ (Mark. 14, 8.) Von dem Ortsgeistlichen, der die Verstorbene genau gekannt hat, erfuhr ich, daß dieser Stein die sterblichen Überreste einer edlen Christin deckt, die in einem arbeits- und entsagungsreichen Leben für die Ihrigen getan, was eben nur ein treues und liebendes Mutterherz zu tun vermag, die mit gleicher Bereitwilligkeit Entbehrungen und Dienste aller Art auf sich nahm und fast buchstäblich ihr letztes Scherflein hergab, um — namentlich in den ersten Kriegsjahren, die sie noch erlebte — die Not ihrer Mitmenschen zu lindern; und die in edler Selbstüberwindung auch solchen, die ihr Böses antaten, verziehen und aus der Not geholfen hat. Ist diese Inschrift und eine solche Verkörperung edelster Mutter- und Nächstenliebe nicht ein herrliches Beispiel und ein Fingerzeig für den Weg, den die Liebe geht? Die Liebe höret nimmer auf und tut, was in ihren Kräften steht, zum Besten ihrer Kinder, Brüder und Schwestern im engsten und weitesten Sinn des Worts.
Der Liebe Weg begreift alles in sich, was schön, edel und gut, was rein und wahr ist, alles, was des Besitzes wert erscheint. Sie verursacht keine Reue, sie hinterläßt keine Sorge. Sie ist so rein wie das Leben eines kleinen Kindes. Zu allem, was sie tut, bekennt dein Herz sich mit einem freudigen Amen. Der Weg der Liebe ist immer gerade, denn es ist Gottes Weg.
Schlage ihn ein, den Weg der Liebe, auf ihm winkt Glück und Seligkeit.
3. Das Größte auf Erden.
„Die Liebe ist der Seele Leben,
Sie ist des Weltalls Harmonie.“
Channing.
Wörterbücher widmen dem Begriff „Liebe“ eine halbe Spalte. Die Bibel lehrt uns ihre umfassende Bedeutung in vier Wörtern: „Gott ist die Liebe.“
Nach der übereinstimmenden Meinung der Menschenkinder aller Zeiten ist das herrlichste Ding auf dieser Erde, das alle menschlichen Wesen immer am dringendsten begehrt haben, die Liebe. Sie ist, wie H. W. Beecher sagte, „der Strom des Lebens in dieser Welt. Glaube nicht, der du an dem rieselnden Quell oder an dem plätschernden Bach stehest, daß du die Liebe kennest. Du mußt erst durch die felsigen Schluchten wandern, ohne den Strom zu verlieren, du mußt über die Wiesen und Felder der Ebene gehen, wo der Strom sich weitet und so tief wird, daß er Flotten auf seinem Rücken trägt; du mußt erst zu dem unergründlichen Weltmeer gelangen und deine Schätze seinen Tiefen übergeben — erst dann kannst du ermessen, was die Liebe ist.“
Irgendwo habe ich die Geschichte eines Sonnenstrahls gelesen. Der hatte gehört, es gebe Orte auf der Welt, so düster und unheimlich, daß es unmöglich sei, sie zu beschreiben. Er beschloß, diese Plätze ausfindig zu machen und begab sich mit Blitzesschnelle auf die Reise. Er suchte die verborgensten Höhlen auf, glitt in sonnenlose Hütten, in dunkle Alleen, in unterirdische Keller. In das finsterste Dickicht drang er auf seiner Suche, um zu sehen, wie die Dunkelheit ausschaue; aber nirgends fand der Sonnenstrahl die Finsternis, weil ihn überallhin sein eigenes Licht begleitete. Jeder Winkel, den er besuchte, mochte er noch so finster und unheimlich vor seinem Eintreten sein, wurde durch seine Gegenwart erleuchtet und erheitert.
Die Sonne ist ein schönes Sinnbild der Liebe. Sie sendet ihren erwärmenden und lebenspendenden Strahl ebenso unparteiisch in die ärmste Hütte und in die Gefängniszelle wie in den Palast des Reichen. Sie teilt sich selbst dem schlimmsten Unhold, dem elendesten Krüppel, der in Lumpen gehüllt auf der Erde umherkriecht, so uneingeschränkt und so freudig mit wie dem Monarchen auf dem Thron. Für sie gibt es kein Ansehen der Person; sie scheint auf die Gerechten und Ungerechten. Sie fragt nicht, wessen Korn, wessen Kartoffeln, wessen Rosen, wessen Heim sie erwärmen oder beleuchten soll. Sie fragt nicht nach unserem Herkommen, unseren Grundsätzen, unserer politischen oder religiösen Anschauung. Sie strahlt den Bösen wie den Guten, den Ungläubigen wie den Gläubigen, allen Völkern, allen Rassen: den Weißen, Schwarzen, Braunen und Gelben. Sie kennt weder Haß noch Vorurteil. Sie flutet einfach in jeden Winkel der Erde, der ihr zugänglich ist. Seien es die giftigsten Sümpfe, die ansteckendsten Moräste, Löcher voll Schmutz und Unrat, der Aufenthalt der gemeinsten und niedrigsten Lebewesen — sie läßt ihr Licht, ihre Schönheit und ihre Freude ohne Unterschied auf alle ausströmen.
Wie die Sonne, so erleuchtet und erwärmt auch die Liebe alles, was sie berührt, zu neuem Leben. Die Liebe ist für das Menschenherz, was die Sonne für die Rose ist. Duft und Schönheit, Pracht und Reichtum der Farben, alle darin verborgenen Möglichkeiten zaubert die Sonne aus der Blume hervor. So lockt auch die Liebe das Beste, was in uns ist, heraus; denn sie wendet sich an die edelsten Empfindungen und die erhabensten Ideale. Wahre Liebe erhebt, reinigt und stärkt jedes Herz, das sie berührt. Sie hebt uns über uns selbst empor, weil sie nur das Beste in uns erblickt. Sie achtet nicht unserer Schwachheit, unserer Niedrigkeit, unseres Verbrechertums und sieht nur den göttlichen Kern in uns, der zum Leben erweckt werden will. Die Liebe schließt unsere Natur auf und zieht wunderbare, in tiefster Vergessenheit begrabene Kräfte ans Tageslicht.
Die Liebe erkennt Gott in der elendesten menschlichen Ruine und schafft dem Verworfensten eine Möglichkeit der Rettung. Sollte man diese Gelegenheit verscherzen? Wenn nichts anderes mehr übrig bleibt, wenn das Leben voll ist von Angst und Pein, dann klopft der Betrüger, der Dieb, der Mörder, der Ausgestoßene an die Tür der Liebe und findet eine Zuflucht; denn „die Liebe höret nimmer auf“ und verschließt sich niemand. Sie ist für jedes menschliche Wesen, was die mütterliche Zärtlichkeit für das verlorene Kind ist. Kein Sohn, keine Tochter ist je so tief gefallen, daß es dadurch der Mutter Liebe verwirkte. Kein Mann noch Weib kann je dahin kommen, daß die Liebe sie nicht erlösen könnte. Sie ist das Heilkraut für alle Übel.
Eine Mutter fragt nicht: „Welches ist mein bestes Kind?“ um diesem einen vor allen andern ihre Gunst zuzuwenden. Nein, sie gibt sie allen. Wenn ein Unterschied gemacht werden muß, so gibt sie die meiste Liebe dem, das sie am nötigsten braucht — dem schwächsten, dem zartesten, dem von der Natur am wenigsten begünstigten, dem gebrechlichen, dem Krüppel, dem Mißgestalteten. Die Liebe kennt kein höheres Entzücken als das, dem Unglücklichen zu helfen und den Gefallenen aufzurichten. Wenn schwarze Wolken sich auftürmen und deine Gutwetterfreunde dich verlassen; wenn dein Geschäft zugrunde gerichtet ist, wenn du einen verhängnisvollen Irrtum begangen, wenn die Gesellschaft dir die Türe gewiesen hat; wenn deine Nächsten dich verleugnen und verleumden und alle Unternehmungen fehlschlagen, dann kommt die Liebe und steht dir bei, träufelt Öl auf deine Wunde und rettet dich aus der Nacht der Verzweiflung! Die Liebe richtet nicht und verdammt nicht. Sie verlangt immer Mitleid und mildernde Umstände für den Angeklagten. Sie sagt: „Verdammt nicht den armen Sünder, es ist noch ein göttlicher Kern in ihm“ — und ruft dem gefallenen Mädchen zu: „Gehe hin und sündige hinfort nicht mehr.“ Sie folgt dem schlimmsten Sünder und dem verhärtetsten Missetäter bis zum Grab — und darüber hinaus.
Die Liebe hat in der Weltgeschichte die größten Wunder gewirkt. Und wie oft sind wir Zeugen von Umwandlungen, die ein rauhes und verkommenes Leben durch sie erfährt! Ein junger Mensch, der auf schiefer Bahn rettungslos dem Abgrund entgegentreibt, faßt Neigung zu einem anmutigen und tugendhaften Mädchen und