Rentadep. Jens Otto Holländer
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Aber erstens bin ich gegenüber dem neuen Zeug misstrauisch und dann stößt mich die Zwangsarbeit ab.“
„OK. Vielleicht erzähle ich dir erst einmal etwas über Rentadep und dann kannst du in Ruhe weiter überlegen. Vielleicht hast du dann mehr Informationen, die dir eine Entscheidung leichter machen. Egal für was.-
Vor zwanzig Jahren kam eine Gruppe von fünf Freunden auf die Idee, die in ihren Augen mangelhafte Substitutionsmethode zu revolutionieren. Sie waren der Ansicht, dass erstens Methadon/Polamidon nur einen schlechten Ersatz für Heroin darstellen, was sich an dem massiven Beikonsum von allen möglichen Drogen, Substanzen und Alkohol, zeigt, den fast alle Substituierten haben und den starken Nebenwirkungen, die diese Mittel haben und zweitens wollten sie den Substituierten einen besseren sozialen Status in der Gesellschaft verschaffen. Raus aus der Ecke der nur ungern geduldeten. Dazu wurde dann Euphorin entwickelt, damit die Abhängigen wirklich einen echten Ersatz für Heroin haben, ohne große Nebenwirkungen und mit dem Kick, den viele von uns brauchen und zweitens durch die Vermittlung in Familien, oder auch zu Einzelpersonen, wollten sie den Substituierten eine Lebensgelegenheit bieten, in der sie bestätigt werden, sich auf Wunsch fortbilden können und nach Ablauf der vereinbarten Zeit zwei Prämien erhalten, um Altersarmut vorzubeugen. Diese Prämien werden nicht auf den Bezug von Sozialleistungen angerechnet.
Hast Du das verstanden? Gibt es Fragen?“
„Bist du mit Euphorin zufrieden?“
„In jedem Fall Manny, ich weiß, dass es blöde klingt, aber ich war vom ersten Moment an von Euphorin begeistert. Ich habe übelst gesoffen und kam da nicht von los und dann nahm ich Euphorin und es gelang mir. Ich bin seit 16 Jahren so gut wie trocken und ich bin vom krankhaften Trinken vollständig weg.“
„Was sind die Nachteile von Euphorin?“
„Hmmm. Wenn man aufhören will geht das nur im Krankenhaus. Ein ambulanter Entzug, mal so eben, ist nicht drin. Vielleicht die Tatsache, dass man kein anderes Opiat mehr will. Aber ist das ein Nachteil?“
„Wenn ich jetzt umsteigen wollte, wie würde das gehen?“
„Du müsstest hier zu einem unserer Ärzte zum Checkup. Dann wird ein Tag festgelegt. 24 Stunden nach der letzten Methadon Dosis bekommst du deine erste Dosis.“
„ Wie geht das? zeig mal.“
„Jeder Substie bekommt so ein Teil. Sieht aus wie eine E-Zigarette. Darauf ist der Kolben mit dem Euphorin Gas, zu Flüssigkeit komprimiert. Dreimal am Tag leuchtet ein grüner Punkt auf. Dann hast du 15 Minuten Zeit dir das Röhrchen in die Nase zu stecken, wie einen Nasenspray und tief zu inhalieren. Drei, viermal dann kommt nichts mehr. Dann dauert es acht Stunden bis zum nächsten.“
„ Schade dass man es nicht testen kann, denn ich bin unsicher.“
„Kein Problem. Du machst den Checkup, dein Arzt wird informiert und dann kannst du fünf Tage lang Euphorin probieren. Darf ich fragen, wieviel Methadon du bekommst?“
„180 mg.“
„Hast du sporadisch oder regelmäßig Beikonsum von irgendetwas?“
„Ab und an Schore. Und immer Pillen. Benzos. 2-10 Stück am Tag.“
Sabine nahm das zur Kenntnis, ohne irgendeine Wertung.
Das war vor drei Wochen gewesen. Er bekam den Arzttermin, wurde für tauglich befunden und hatte seit fünf Tagen Euphorin bekommen. Nun sollte er sich entscheiden. Wieder saß er bei Sabine.
„Wie ist es dir ergangen?“
„Ja, ganz gut. Ich verstehe jetzt, was die Leute an dem Zeug so toll finden. Es ist wirklich kein Vergleich zu Methadon. Aber der ganze Rattenschwanz, der mit dranhängt, schreckt mich ab. Mich auf Jahre hinaus zu entgeltloser Arbeit zu verpflichten… ich weiß nicht.“
„ Weißt du Manny, in deinem Alter ist die kürzeste Laufzeit zehn bis zwölf Jahre. Die sind so schnell vorbei. Viele von uns arbeiten nur halbtags. Wenn du keinen Außeneinsatz willst, kannst du dich für Jobs innerhalb von Rentadep bewerben. In einer Beratungsstelle, als Begleiter eines Teamleiters, im Fahrdienst der größeren Niederlassungen, es gibt etliche Möglichkeiten. Solltest du zu uns kommen, dann wird das alles einzeln mit dir besprochen, du füllst einen Fragebogen aus, auf welchem du genau festlegst, was du möchtest und was nicht.“
Manny war wirklich in der Zwickmühle. Die Vorstellung auf das tolle Feeling verzichten zu müssen und wieder Metha zu nehmen, war nicht erbaulich. Aber so war er wenigstens ein halbwegs freier Mensch. Wenn man bei Rentadep unterschrieb, dann verkaufte man sich mit Haut und Haar. Genau das sagte er Sabine.
„ Es tut mir leid, dass dir unser Programm offensichtlich nicht behagt. Vielleicht brauchst du auch einfach noch etwas Zeit. Vier Monate hast du noch. Und falls du danach meinst, du wolltest doch umsatteln, dann kommst du zu mir und ich sehe was ich machen kann. Solange du noch solche Zweifel hast, würde ich dir raten, nach deinem Gefühl zu handeln. Du bist ein gestandener Mann und keine 18.“
„Sabine ich bin dir sehr dankbar für deine offenen Worte. Ich werde nun zu meinem Doc gehen und ihm sagen, dass ich ab morgen früh wieder komme. Den Verdampfer gebe ich wie besprochen in meiner Apotheke ab. Einen Shot habe ich ja noch drin für heute Abend.“
„ Hier ist noch unser Kärtchen, machs gut.“
Als Manny sich später die Karte ansah las er in weiblicher Schrift, „Ich finde Dich süß“ und eine Telefonnummer. Er lächelte.
Zentrale
Knapp 20 Autominuten von Reutlingen/Pfullingen entfernt, oben auf der Schwäbischen Alb, im sogenannten Sonnenbühl, einer Gemarkung von drei Ortschaften, befand sich die europäische Zentrale von Rentadep.
Abseits von Erpfingen, auf dem Gelände eines früheren Aussiedlerhofes stand, umsäumt von einer unscheinbaren, doch ungesehen kaum zu überwindenden Umzäunung, ein flach erscheinendes 8 Stockwerke umfassendes Gebäude.
Der Grund, warum sich alle anliegenden Landwirte und Bewohner schnell wieder beruhigt hatten, war dem Umstand geschuldet, dass sechs der acht Stockwerke in den Untergrund gegraben worden waren und man gar nicht sehen konnte, welch riesiger ,umgedreht pyramidenförmiger Komplex hier stand, bzw in der Erde versenkt worden war. Maßgeblich beteiligt, am Entwurf des neuen Gebäudes, war Architekt, Mitgründer und Vorstandsmitglied von Rentadep Markus „Sammy“ Sehmann. Während der Ausschachtung waren Sichtschutz Bauzäune aufgestellt, das Gelände nachts beleuchtet und streng bewacht worden. Als nach einigen Monaten die Zäune entfernt wurden, sah man lediglich einen, relativ kleinen, zweistöckigen, entfernt an eine stumpfe Pyramide erinnernden Rohbau, der sich harmonisch in die Landschaft einfügte und der so gar nichts mehr mit der über 100m langen und breiten Baugrube, die insgesamt rund 40 m tief gegraben worden war. Aufmerksame Beobachter hätten sich gefragt, wohin die endlose Reihe von Betontransportern, ihre Fracht entladen hatte. In die unterirdischen sechs Stockwerke, die unter anderem, ein topaktuelles Gentechnik und Chemielabor und gut belüftete Räumlichkeiten nebst Computern, u.a.für Gensequentierung enthielten. Rentadep hatte sich, unterhalb des üblichen Fokus, zu einer ernstzunehmenden Biotech Firma entwickelt.
Seit ihrer Entwicklung waren die sogenannten DNS Scheren