Rentadep. Jens Otto Holländer
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Braunes, afghanisches Heroin, unten im Labor von einem findigen Chemiker acetylisiert und chemisch verfeinert von Heroinbase zu Herionhydrochlorid, eignete sich nun, blütenweiß, hervorragend zum Schnupfen. Es schmolz geradezu in der Nase. Extra für ihn war ein minimaler Bananengeschmack beigefügt. Für den Affen, schmunzelte Jo.
Generationen von Junkies, auf der Suche und um aus minderwertigem, mit allem Möglichen verstrecktem Heroingemisch den maximalen Effekt zu erzielen, spritzen sich Heroin. Die Folge waren unfreiwillige Überdosierungen, Abszesse, rasende Kopfschmerzen, Nierenschmerzen, Organschäden usw.
Jo zog eine Schublade hervor, die in alten Zeiten Stifte beherbergt hatte. Er hatte das Fach durch eine dünne schwarze Marmorplatte ersetzt. Während er, mit geradezu meditierenden Bewegungen ein Häufchen Kokain, mit einem anderen Häufchen Heroin vermischte und mit einer Rasierklinge, in einer Goldhalterung, das Gemisch kleinhackte, dachte er nach.
Er konnte es einfach nicht fassen. Das Memo, welches offensichtlich nicht für ihn bestimmt worden war, hatte ihn gehörig aufgerüttelt. Zwischen zwei Akten, in einem Stapel von ausgedruckten mails hatte er die Zeilen gefunden. Wo kam das her? War es ein Zufall oderwollte jemand, dass er es las?
Er blickte einfach nicht durch. Er konnte es einfach nicht glauben. Dabei hatte ihr genialer Plan so vielversprechend begonnen und alle Erwartungen übertroffen. Zuerst hatten sie Euphorin entwickelt und er die dazu passende Hardware, den Verdampfer. Euphorin war besser als Heroin und zehnmal besser als Methadon/Polamidon oder Buprenorphin. Die Leute rissen sich darum, in ein Rentadep Euphorin Programm zu kommen. So war es relativ einfach, ihnen einen Vertrag aufzudrücken, durch den sie sich für die Dauer der Euphorinsubstitution, maximal 20 Jahre, zur Vermittlung zu lohnfreier, nicht gewerblicher Arbeit, verpflichteten.
Rentadep, ursprünglich als Hilfsorganisation für Opiat abhängige Menschen gedacht, war offensichtlich aus dem Ruder gelaufen. Oder, um es anders auszudrücken: Wenn seine ersten Vermutungen stimmten, hatte sich Rentadep, zur am meisten menschenverachtenden Organisation Europas seit dem Dritten Reich vor hundert Jahren entwickelt. Ohne Selbstmordattentate, ohne Bomben, ohne Waffen, ohne Ideologie oder Religion, wurden Menschen abhängig gemacht, eine Zeit lang benutzt und dann eliminiert. Doch das konnte nicht wahr sein. Bleib mal ruhig, sagte er sich. Wir leben im freien Deutschland und der Zweite Weltkrieg ist über 100 Jahre vorbei. Jetzt galt es cool zu bleiben und in Ruhe ein paar Erkundigungen einzuholen. Jo Volland verdankte der Firma, die er mitgestaltet hatte, sehr viel. An dem Euphorin Patent und an dem Verdampfer, den er maßgeblich entwickelt hatte, wurden Millionen verdient, denn Euphorin wurde auch außerhalb von Deutschland zur Substitution verwendet. Hier in Deutschland verdiente man indirekt an Euphorin, man vergab es nur innerhalb des Programmes. Ein Teil davon floss auf sein Konto. Das warf man nicht über Bord und wurde illoyal.
Die Idee kam ihnen, als Jo und Andreas über die mittlerweile gängige Praxis in den USA sprachen, den Strafvollzug zu privatisieren, was in Europa aus ethischen Gründen bisher abgelehnt wurde. Ein Knast der Profit abwerfen musste, kam schnell in Versuchung dies auf Kosten seiner Insassen zu tun. Aus dem Gespräch, der Diskussion entstand eine lebhafte Debatte, bis Jo irgendwann fragte: warum privatisieren wir nicht Abhängige und ihre Betreuung?Als sie, er und seine Clique, alle geboren kurz vor, am oder nach dem Millenium, vor 17 Jahren die Idee zu Rentadep entwickelten, war ursprünglich die Idee gewesen, den rund 95.000 Menschen die sich in Deutschland in einem Substitutionsprogramm befanden, damals noch mit Methadon, eine Möglichkeit zu geben, sich zu bilden, sozial einzubringen, aus dem Status des nutzlosen, kriminellen, bei der Bevölkerung oft als schmarotzend empfundenen, Status des Drogeninvaliden, raus zu kommen. Durch Vermittlung in Familien, oder für gemeinnützige Arbeiten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, war per Gesetz jeder Substituierte, der Euphorin wollte, verpflichtet worden, sich vermitteln zu lassen. Give and take. Die zweite Neuerung, das Benzin des Rentadepmotors war, ihnen eine Ersatzdroge zu bieten, die mehr war als der miese Heroinersatz Methadon und ein paar andere Substitute. Das sogenannte craving, das Verlangen nach der Droge, galt es zu befriedigen. Bisherige Ersatzmittel hatten zwar zuverlässig jegliche Entzugssymptomatik unterdrückt, brachten aber für den Gebraucher keinerlei gutes Gefühl. Ganz im Gegenteil. Heftige Nebenwirkungen, wie extremes Schwitzen, Schlafstörungen u.v.m. Jahrzehntelang hatte quasi jeder Methadonpatient daher Beikonsum von Drogen, die sie ja ersetzen sollte, von Alkohol und Tabletten.
Das wollten sie endlich ändern. Daher hatten sie sich zusammengesetzt und innerhalb weniger Monate Euphorin entwickelt. In Windeseile waren die Genehmigungsverfahren durchlaufen und es sprach sich bei den Abhängigen herum, was für ein super Stoff Euphorin war. Bei Rentadep glühten die Telefondrähte. Euphorin hatte ganz klare Vorteile: Missbrauch war aufgrund des Verdampfers ausgeschlossen, Handel oder Diebstahl zwecklos, denn die Verdampfer konnten nur vom Eigentümer genutzt werden und es war besser und reiner als jedes Straßenheroin. Die ursprüngliche Idee von Drogensubstitution, der harm reduction, der Schadensminimierung, wurde durch Euphorin ideal umgesetzt. Man inhalierte den Dampf. Keine Abszesse, keine Schleimhautschäden, keine erkrankten Bronchien oder Lungen. Keine Überdosen, kein ungewollter Tod.
Ab dann war das Programm ein Erfolg. Die Leute willigten in den Vertrag ein, ohne mit der Wimper zu zucken.
Euphorin war, wie der Name ahnen lässt, ein stark euphorisch wirkendes Opiat, im Vergleich mit Heroin oder Methadon wenig dämpfend und kaum mehr atemdepressiv, der Hauptgefahr bei Opiaten, mit einer Wirkdauer von 8 Stunden.
Mit Euphorin kam die dazu passende Konsum Hardware. Es wurde mittels Dampf in Nase oder Mund gesprüht. Das Gerät, das einer E-Zigarette glich, hatte unten einen Akkuträger, auf den ein kleiner Tank mit derm Euphoringas, was zur Flüssigkeit komprimiert wurde, aufgeschraubt war. Auf diesem saß ein Plastikröhrchen, welches man in Nase oder auch in den Mund/Rachen halten konnte.
Dreimal am Tag leuchtete ein kleiner Punkt grün auf und man hatte 15 Minuten Zeit, die Dosis zu konsumieren. Per Daumenabdruckscan wurde der Verdampfer freigeschaltet.
Manipulationen am Gerät wurden drakonisch bestraft, versuchte man an das Euphorin zu gelangen und öffnete den Tank zischte es kurz und das Euphorin dehnte sich zu Gas aus und war weg. Solche Versuche wurden mit kaltem Entzug oder der Beendigung des Programmes geahndet. Nachdem einige, eine bittere Erfahrung gemacht hatten, sprach sich das rum und nun versuchte es keiner mehr.
Euphorin hatte auch erhebliche Nachteile, doch darüber wurde geschwiegen.
Es machte sehr schnell abhängig. Psychisch und physisch.
Es machte extrem abhängig.
Der Kontrollverlust, der jede Abhängigkeit kennzeichnet, war irreparabel.
Einmal auf Euphorin bedeutet immer Euphorin.
Für 99,98 % der Abhängigen.
Zuverlässiger als jede politische Ideologie und Religion.
Der Entzug war dermaßen derbe, dass er nur noch in Vollnarkose vollzogen wurde.
Zum Entzug kam der Patient in Vollnarkose und man spritzte einen hochpotenten Opiatblocker. Der Körper machte eine Erfahrung, die einen Menschen über die Grenze des Erträglichen brachte. Nach dem Erwachen fühlten sich die Probanden zwei Wochen mehr tot als lebendig. Die Rückfallquote lag bei 99,8%.
Damit war Rentadep und ihr Zugpferd Euphorin in kurzer Zeit in ganz Deutschland und dann in fast ganz Europa auf der Erfolgspur. Bei Rentadep wusste man auch, dass Drogenabhängige keine Fürsprecher oder gar Lobby hatten, keiner brauchte und wollte sie.
Kein Mensch mochte Drogensüchtige. Außer Rentadep. Durch das Rentadep Programm verpflichteten sich die Süchtigen je nach Eintrittsalter