Im Himmel gibt es keine Tränen. Yvonne Tschipke

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Im Himmel gibt es keine Tränen - Yvonne Tschipke

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wecken. Immerhin war Samstag und er hatte am Vormittag ein Spiel, wie ich wusste. Ungeduscht und in den Klamotten der vergangenen Party konnte er da ja schlecht auftauchen.

      Keine Minute, nachdem die Wohnungstür zugezogen wurde, vibrierte mein Handy, das auf dem Schränkchen neben dem Bett lag.

      Ohne hinzusehen tastete ich danach. Dabei fiel leise knisternd die Folienpackung zu Boden. Ich musste unbedingt daran denken, sie sofort nachher zu entsorgen, am besten gleich unten in der großen Mülltonne vor dem Haus. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn meine Eltern oder - noch schlimmer – Pia sie entdecken würden. Nicht eine der Fragen, die das Auftauchen dieser kleinen bunten Packung aufwerfen würde, wollte ich unbedingt beantworten müssen.

      „Danke, dass ich bei dir pennen durfte. Bis bald mal wieder. Tom.“

      Wie bitte? Danke, dass ich bei dir pennen durfte? Mehr hatte er nicht zu sagen zu unserer gemeinsamen Nacht? Ich las die Nachricht noch ein paar Mal. Aber sie blieb so, wie beim ersten Lesen. Da stand kein „Es war schön mit dir, Baby“ und auch nicht „Ich liebe dich so sehr, Mila“. Ich konnte auch nicht „Ich freu mich schon aufs nächste Mal“ finden. Bis bald mal wieder. So ein Arsch!

      Am liebsten hätte ich mein Handy weit von mir geschmissen, am besten an die Wand, dass es in tausend Teile zersprang und mit ihm diese Nachricht des größten Arschlochs unserer Galaxie.

      Ich sprang aus dem Bett, lief zum Fenster und riss es auf. Vielleicht erwischte ich ihn noch. Vielleicht war diese Nachricht nur ein Irrtum. Schnell dahin geschrieben, weil er es eilig hatte. Weil er nicht wusste, was er sonst schreiben sollte. Vielleicht hatte er auch nur Angst, dass meine Eltern die Nachrichten auf meinem Handy lesen könnten und er wollte mich nicht in Schwierigkeiten bringen. Sicher gab es irgendeine Erklärung dafür. Ich konnte und wollte mir nicht vorstellen, dass das schon alles gewesen sein sollte.

      Ich sah ihn hinten am Bäcker um die Ecke biegen. Ich überlegte kurz, ob ich ihn rufen sollte, ließ es dann aber bleiben. Vermutlich hätte er es sowieso nicht gehört. Der samstägliche Hauptstraßenlärm schluckte jedes andere Geräusch.

      Ich sah noch eine Weile zur Ecke am Bäcker. Vielleicht, so hoffte ich, würde er noch einmal umdrehen und zurückkommen. Doch ich wartete vergebens.

      Ein langgezogener Pfiff vom Haus gegenüber riss mich urplötzlich aus meinen trüben Gedanken. Als ich meinen Kopf in die Richtung drehte, aus der der Pfiff gekommen war, sah ich Jonah aus meinem Abiturkurs am Fenster stehen. Selbst auf diese Entfernung erkannte ich, dass er grinste. Unsicher hob ich die Hand zum Gruß und winkte, leicht verwirrt, weil er noch ein bisschen mehr grinste.

      Kapitel 3

      Erst da wurde mir bewusst, dass ich noch immer nackt war.

      Die Scheiben klirrten, als ich mit voller Wucht das Fenster zuschlug.

      So ein Idiot – ich meinte Jonah. Was stand der eigentlich am frühen Morgen grundlos am Fenster und glotzte andere Leute an? Spanner, verdammter!

      Ich lief zurück zum Bett und ließ mich auf die Matratze plumpsen. Dann nahm ich noch einmal das Handy zur Hand. Hatte Tom vielleicht doch noch eine andere Nachricht geschrieben?

      Aber da stand immer noch dieses schnörkellose „Bis bald mal wieder!“.

      In diesem Augenblick hörte ich, wie der Schlüssel in der Wohnungstür klapperte. Das wird Pia sein, dachte ich. Gegen Mittag wollte sie von der Übernachtungsparty ihrer Freundin zurück sein.

      Schnell schnappte ich mir meine Klamotten, die auf dem Fußboden verstreut lagen und huschte, noch ehe sie mich entdeckte, ins Bad.

      Ich ließ das heiße Wasser eine gefühlte Ewigkeit über meinen Körper laufen.

      Es schien fast so, als würde die angenehme Hitze mein Gedankenkarussell zum Laufen bringen. Denn plötzlich war alles wieder da. Die Party am See, Musik, Lachen, Bier und billiger Schnaps. Der Heimweg mit Tom, der sich in meiner Erinnerung so anfühlte, als wären wir auf hoher See über das Deck eines schwankenden Schiffes gelaufen.

      Je länger ich daran zurückdachte, umso schwindliger wurde mir im Kopf. Ich drehte den Hebel der Mischbatterie zur Seite und spürte sofort, wie das Wasser angenehm kühler wurde.

      Mein Kopf erholte sich und konnte weiterdenken.

      Jetzt war es passiert. Schon seit Monaten hatte ich darüber nachgedacht, wie es sich wohl anfühlte, wenn ich morgens aufwachen und keine Jungfrau mehr sein würde. Ob man es mir ansehen konnte? So ein Quatscht, dachte ich. Man sah doch nicht anders aus, nur, weil man zum ersten Mal mit einem Jungen geschlafen hatte – oder? Vielleicht konnte man es mir an meinem Gesicht ablesen? An einem verräterischen Dauergrinsen. Gut, Emma würde es vielleicht merken. Immerhin war sie meine beste Freundin. Wir kannten uns seit dem Kindergarten. Keiner durchschaute mich mit nur einem Blick in mein Gesicht, keiner außer sie.

      „Mila! Mila! Mila!“

      Pia trommelte mehrmals nacheinander an die Badezimmertür.

      Mit einem genervten Augenrollen drehte ich den Wasserhahn zu und stieg aus der Dusche.

      „Mila! Schnell, ich muss aufs Klo!“, erreichte mich von draußen Pias panischer Hektikanfall.

      „Warum benutzt du nicht die Gästetoilette?“, fragte ich.

      „Weil ich kein Gast bin!“

      Das war nicht der Grund, das wusste ich. Jeder in unserer Familie wusste das. Schon seit dem Zeitpunkt, als meine Schwester in der Lage war, alleine aufs Klo zu gehen, weigerte sie sich aus irgendeinem abstrusen Grund standhaft, die Gästetoilette zu benutzen. Ich fand das albern, meine Eltern komischerweise nicht. Zumal Pia bis vor kurzem tatsächlich in den Flur gepinkelt hatte, wenn man das Bad nicht schnell genug frei machte. Ich gebe zu, ich hatte die Situation manchmal ausgereizt, einfach um Pia auf die Gästetoilette zu zwingen. Vor ein paar Monaten habe ich sie sogar einmal für zwei Stunden dort eingesperrt. Letzen Endes hatte sie sich trotzdem in die Hose gepinkelt, obwohl sie diese zwei Stunden direkt neben der Kloschüssel verbringen musste.

      „Mila!“

      „Ja, verdammt noch mal, ich beeil mich ja schon“, rief ich zurück, schnappte mir mein Badetuch und trippelte mit nassen Füßen zur Tür. Kaum, dass ich den Schlüssel herumgedreht hatte, schoss Pia an mir vorbei ins Bad.

      „Warum ist in deinem Bett Blut und hast du noch welche von den Erdbeerbonbons?“

      Pias Worte ratterten mir wie eine Maschinengewehrsalve um die Ohren.

      Ich war gerade im Begriff, die Tür hinter mir zu schließen. Jetzt öffnete ich sie wieder.

      „Was hast du in meinem Zimmer zu suchen?“, fragte ich und funkelte meine Schwester gereizt an.

      „Nichts!“, erwiderte sie wie selbstverständlich. Dann hockte sie sich aufs Klo und strullerte los.

      Blut, schoss es mir durch den Kopf. Natürlich, dass ich daran nicht gedacht hatte. Ich musste unbedingt die Bettwäsche waschen, bevor auch meine Mutter komische Fragen stellen konnte.

      „Hab meine Tage bekommen“, log ich gekonnt natürlich.

      Auf dem Weg in mein Zimmer grübelte ich über die

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