Im Himmel gibt es keine Tränen. Yvonne Tschipke

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Im Himmel gibt es keine Tränen - Yvonne Tschipke

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ich dann mit Tom unterwegs bin, dachte ich.

      „Mama, hast du noch welche von den Erdbeerbonbons?“, quasselte Pia in unser Gespräch.

      „Welche Bonbons meinst du denn, Schatz?“, fragte Mama.

      „Die, die du Mila gegeben hast“, antwortete meine kleine Schwester. „Die will ich auch haben“, schob sie trotzig hinterher. In ihrer Stimme schwang der berühmt-berüchtigte „Ich-könnte-was-verpassen-Ton“ mit.

      „Pia-Schatz, ich weiß nicht, was du meinst.“ Mama sah meine Schwester mit einem leicht verständnislosen Blick an.

      Pia kramte mit einem genervten Augenrollen in ihrer Hosentasche und knallte nach ein paar Sekunden mit den Worten „Die hier!“ eine kleine bunte Folienverpackung mit der Aufschrift „Erdbeergeschmack“ auf den Tisch.

      Kapitel 5

      „Wie kommt das hier in dein Zimmer?“

      Mama hielt mir die Kondomverpackung mit spitzen Fingern vor die Nase.

      Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie keine plausible Antwort von mir wollte, sondern nur die absolute Wahrheit.

      „Was war gestern Abend hier los?“, pfefferte mir Mama die nächste Frage um die Ohren.

      Ich knabberte an meinem rechten Daumennagel und schwieg.

      Ich war echt froh, dass Tom wenigstens das benutzte Kondom irgendwie hatte verschwinden lassen. Ich überlegte kurz, ob Mama mir das auch vor die Nase gehalten hätte.

      „Mila! Ich rede mit dir!“ Die Stimme meiner Mutter wurde noch etwas lauter. Papa stand da und sagte kein Wort. Doch an seinen Blicken glaubte ich zu erkennen, was er dachte. In seinem Kopf schien er sich die Szenen, die sich vergangene Nacht hier in meinem Zimmer abgespielt haben könnten, vorzustellen. Verwirrendes Kopfkino! Mit entsetzten Augen sah ich in seine Richtung.

      „Biologieunterricht“, stammelte ich und war sichtlich froh über meinen spontanen Einfall.

      Mama zog fragend die Augenbrauen hoch.

      „Wir hatten … im Biologieunterricht … Aufklärung …“. Ich wusste nicht, ob meine Eltern mir das abnehmen würden. Immerhin war ich schon in der 11. Klasse. Den Aufklärungsunterricht hatten wir schon in der 7.

      „Aufklärungsunterricht, soso.“ Okay, Mama glaubte mir nicht. „Und was habt ihr da so gelernt?“

      „Och, Mama. Das was man da eben so lernt. Wie man sowas“, ich zeigte auf die kleine Packung, die sie noch immer zwischen den Fingern hielt, „benutzt.“ An ihrem Gesicht sah ich, dass sie mir noch immer nicht glaubte.

      „Du weißt doch, in der Zehnten sind zwei Mädels schwanger geworden“, fiel mir plötzlich ein. Das stimmte tatsächlich. Die Story war in der ganzen Stadt Gesprächsthema Nummer 1. „Und nun wollen die Lehrer, dass das nicht noch mehr Mädchen passiert. Sicher ist sicher“, flunkerte ich weiter.

      „Und du hast die Verpackung also aus Versehen mitgenommen?“

      „Ja, und dann ist sie aus meiner Hosentasche heraus gefallen, als ich mich gestern Abend ausgezogen habe. Und Pia hat sie gefunden und für die Verpackung von Erdbeerbonbons gehalten“, erklärte ich schon sichtlich genervt, aber ganz zufrieden mit meiner kleinen Notlüge, die meine Eltern mir anscheinend doch abnahmen. Denn plötzlich war das Gespräch beendet. Mit einem letzten skeptischen Blick in meine Richtung verließen die beiden das Zimmer.

      Das war ja gerade noch mal gut gegangen. Ich wusste nicht, ob meine Erklärung sie zufrieden gestellt hatte oder ob sie mir noch immer nicht glaubten. Aber das Gegenteil konnten sie mir ja auch nicht beweisen. Doch mir war klar, dass sie von jetzt an sicher genau aufpassen würden, was sich so in meinem Umfeld tat.

      Mit einem leisen Seufzer ließ ich mich auf mein Bett fallen. Ich nahm mein Handy zur Hand und suchte den Chat zwischen mir und Tom.

      „Bis bald mal wieder“ stand da als letztes.

      „Hi Tom, war schön vergangene Nacht“, tippte ich. Dann löschte ich die Worte schnell wieder. Nach einem Augenblick schrieb ich sie erneut.

      „Hi Tom, war schön vergangene Nacht. Treffen wir uns morgen am Bootsanleger? Mila.“

      Ich zögerte noch einen Moment, bevor ich die Nachricht abschickte. Doch schließlich drückte ich auf „Senden“.

      Es dauerte nur einen Augenblick, dann piepte mein Handy neben mir. Hektisch nahm ich es zur Hand.

      „Hi, Mila-Maus. Lebst du noch?“, las ich. Mila-Maus – so nannte mich nur eine. Emma. Ich hatte den ganzen Tag nicht einmal daran gedacht, ihr eine Nachricht zu schreiben oder ihr zu antworten.

      „Hi, Emma. Sorry, hatte mein Handy verlegt“, log ich tippenderweise.

      „Wohin bist du gestern Abend verschwunden?“, kam einige Sekunden später Emmas nächste Nachricht.

      Scheiße, Emma hatte ja gar nicht mitbekommen, dass ich mit Tom gegangen war. Sie hatte anscheinend alle Hände voll mit Felix zu tun.

      „Ich war müde. Bin nach Hause“, lautete meine kurze knappe Antwort. Nein, ich wollte Emma nicht absichtlich belügen. Ich wollte mit ihr per Whatsapp aber weder meine Entjungferung, noch meinen Beziehungsstatus auswerten.

      „Sehen wir uns morgen?“, fragte sie. Ich zögerte. Es gab nichts, was ich lieber getan hätte. Außer, mich mit Tom zu treffen. Doch seine Antwort stand ja noch aus.

      „Mal sehen. Gute Nacht“, schrieb ich und drückte auf „Senden“.

      Emma schrieb nicht mehr zurück. Tom reagierte auch nicht. Vielleicht war er müde – von der vergangenen Nacht und vom Fußballspiel. Irgendeine Erklärung gab es sicher, dachte ich, bevor ich sanft ins Reich der Träume hinüber glitt.

      Als ich am anderen Morgen am Frühstückstisch erschien, war alles wieder normal. Niemand wollte mehr etwas von der Herkunft gewisser Folientütchen wissen. Und keiner stellte in Frage, ob ich die Nacht von Freitag auf Samstag tatsächlich alleine zu Hause verbracht hatte.

      Alles war wie immer. Wie an jedem Sonntag sträubte ich mich zunächst dagegen, zusammen mit meiner Familie und Oma Magda zum Gottesdienst in die Stadtkirche zu gehen. Schließlich ließ ich mich breitschlagen und ging mit. Beim Mittagessen im Biergarten von Papas Lieblingsitaliener redeten mal wieder alle durcheinander, ganz besonders Omi, die wie immer versuchte, mit jedem von uns gleichzeitig Gespräche über grundverschiedene Themen zu führen. Ich klinkte mich schon recht bald gedanklich aus und drehte abwesend mein Smartphone in den Händen. Immer wieder starrte ich auf das Display. Aber noch immer hatte ich keine Nachricht von Tom empfangen. Gut, vielleicht hatte auch er Familientag, tröstete ich mich. Auch, wenn das nur ein schwacher Trost war.

      Schließlich piepte mein Handy doch und unter den vorwurfsvollen Blicken meiner Mutter las ich die angekommene Nachricht: „Bin heute ab drei am Bootsanleger. Du auch?“

      Kapitel 6

      Der Anleger war unser Lieblingsort.

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