MAD-MIX2: Corona-Shorts. Mari März

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MAD-MIX2: Corona-Shorts - Mari März

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Nase. Ich rieche Staub.

      Glitzer und Staub.

      Etwas Vertrautes.

      Abstoßendes.

      »Sie hat ihren Vater so geliebt«, höre ich meine Mutter dumpf im Hintergrund, als wäre sie plötzlich weit weg. Aber da sind immer noch die stechenden Blicke der anderen. Meine Schwester, sie taxiert mich wie eine Hyäne. Als Kinder hatten wir einen guten Draht zueinander, spielten und lachten gemeinsam. Irgendwann begann ich sie zu hassen, weil sie so war wie meine Mutter.

      Warum eigentlich?

      Am liebsten würde ich diesen Karton quer über den Couchtisch werfen. Mitten in die heile Welt der Kaffeetassen.

      »Wo hast du meine Tasche hingestellt?«

      Mutter unterbricht ihre Unterhaltung mit Tante Claudia, die mich betroffen ansieht, als wäre ich krank oder so. »Schätzchen, ich habe deine Tasche nicht weggestellt.«

      Ich nicke, sage aber nichts. Natürlich hat sie meine Tasche weggestellt, weil sie nicht will, dass ich gehe.

      Dieser Karton, ich muss ihn loswerden. Vielleicht sollte ich ihn draußen in die Mülltonne werfen. Nichts darin ist von Wert. Meine Tagebücher, ja. Sie könnten eine hübsche Erinnerung sein ... Woran? An Pickel, Pubertät und Liebeskummer? Und dann dieses Handy. Ich nehme es in die Hand, wische mit dem Daumen über das Display. Es leuchtet.

      Was?

      Erinnere dich!

      Wer hat diese Nachricht geschrieben? Aufmerksam betrachte ich die Gesichter um mich. Niemand sieht zu mir, sie alle sind vertieft in ein Video, das wohl unsere Mutter gerade angeschaltet hat. Sie und Papa beim Standesamt, beide glücklich lächelnd während ihrer Hochzeitsfeier ...

      Mutter sitzt weinend vor dem Fernseher. So zerbrechlich habe ich sie noch nie gesehen.

      Ich muss hier raus!

      Niemand bemerkt, wie ich aufstehe. Alle schauen gebannt auf den Fernseher. Mutter schluchzt herzerweichend, Tante Claudia ebenfalls.

      Auf Zehenspitzen schleiche ich mich aus dem Wohnzimmer, den Karton unter dem Arm. Das Display leuchtet schon wieder. Keine weitere Nachricht. Ein Foto.

      Das Mädchen von vorhin.

      Dasselbe Kleid.

      LISSI.

      Aber etwas ist anders. Das Kleid ist schmutzig.

      Blut am Saum.

      Wer hat dieses Foto gemacht?

      Was ist hier los?

      Ich stürzte aus dem Haus.

      Wohin?

      Onkel Dieter ist nicht zu sehen.

      Ich laufe zur Schaukel vor der Garage.

      Papas Domizil.

      Hier stand das Mädchen vorhin. Dasselbe Kleid. Jetzt ist es schmutzig. Blutig! Was ist passiert?

      Ich presse den Karton an mich, schaue hinein, als würde ich dort eine Antwort finden.

      Das Handy. Wieder eine Nachricht.

      Finde mich!

      Wie kann das sein? Wie soll ein kleines Mädchen mir diese Nachricht schicken?

      Noch ein Foto.

      Dasselbe Kleid. Bis über den Bauch hochgezogen. Kein Schlüpfer. Blut. Das Mädchen sitzt auf einer Werkbank. Eine Tüte Gummibärchen in der Hand.

      Ich hasse Gummibärchen!

      Mein Blick schweift durch den Garten, verharrt am Haus. Soll ich die anderen rufen? Irgendetwas in mir schreit, dass sie nicht helfen werden. Warum? Jeder würde doch helfen, wenn ein kleines Mädchen in Gefahr ist. Oder?

      Einem inneren Drang folgend, stelle ich den Karton auf die Schaukel, nehme das Handy und laufe zur Garage. Es sind nur ein paar Meter, doch die Distanz ist plötzlich riesig, als würde sich das Garagentor mit jedem Schritt weiter entfernen. Ich atme tief ein, noch einmal. Das Handy in meiner Hand vibriert.

      Gleich hast du mich gefunden. Beeil dich!

      Noch ein Foto.

      Die kleine Lissi ist nicht allein. Noch immer sitzt sie auf der Werkbank. Ein Mann steht vor ihr. Ich kann sein Gesicht nicht sehen. Die nackten Beinchen des Mädchens links und rechts neben seinem beharrten Hintern. Seine Hose hängt in den Kniekehlen. Die Tüte Gummibärchen. Lissis Hand verkrampft sich darum.

      Ich muss sie finden.

      Endlich halte ich den Griff des Garagentors, ziehe daran. Es ist schwer, viel zu schwer für ein kleines Mädchen. Ich ziehe kräftiger, bis sich der Rollmechanismus in Gang setzt. Halb hoch. Für mehr reicht meine Kraft nicht. Ich bücke mich, tauche ab in die Dunkelheit. Gestank penetriert meine Sinne.

      Glitzer und Staub.

      War ich je hier gewesen? Papa hatte uns verboten, seine Garage zu betreten. Niemand durfte hier rein außer Onkel Dieter.

      Es ist so finster.

      »Lissi?«, rufe ich in die Dunkelheit. Meine Augen suchen in den Schatten nach einem Lichtschalter. Stattdessen finden sie den unteren Teil der Werkbank. Grobes Holz im Strahl der einfallenden Sonne. Ich stecke das Handy in die Tasche meiner Jeans, stemme beide Hände unter das Rolltor und ziehe. Ein Knarren, gefolgt von einem Quietschen. Jetzt endlich bewegt es sich weiter, überwindet die Sperre und gleitet nach oben.

      Licht! Ich sehe die Werkbank. Keine Lissi. Wo ist das Mädchen? Ich muss es retten vor diesem Kerl, diesem Ungeheuer.

      Ungeheuer.

      Etwas in mir schreckt auf bei diesem Wort. Ich hole das Handy aus meiner Hosentasche, starre auf das Foto. Der Mann, er steht mit dem Rücken zur Kamera. Jetzt bewegt er sich. Mein Herz rast. Wie kann das sein? Ein Foto auf einem uralten Handy?

      Er dreht sich zu mir. Lissi wimmert hinter ihm, ihre kleinen Schenkel sind gespreizt. Blut klebt auf ihnen. Blut und Sperma. Das Gesicht des Mannes ist jetzt direkt vor der Kamera. Sein rechter Zeigefinger berührt senkrecht seine Lippen. Ich soll still sein.

      »Ich bin still«, flüstere ich und schlage mir abrupt die eigene Hand vor den Mund.

      »Was tust du hier?«

      Onkel Dieter. Er steht am offenen Garagentor, eine qualmende Zigarette in der Hand.

      Steht er wirklich dort?

      »Wo ist Lissi?«, rufe ich ihm entgegen. Onkel Dieter scheint real zu sein. Sein Blick ist nicht zu deuten, während er an seiner Zigarette zieht und sich dann abwendet. »Ich werde deine Mutter holen.«

      »Nein!« brülle ich panisch.

      Onkel

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