Tod eines Agenten. Lars Gelting

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Tod eines Agenten - Lars Gelting

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ein alter Feind. Kurz entschlossen änderte er Plan und Ziel.

      Er suchte nicht danach, wo Ulrike mit diesem „Clochard“ wohnte, er verließ Kiel und fuhr in dichtem Regen Richtung Greifswald. Er musste mit Rudi sprechen.

      Rudi war sein Großvater, aber nachdem sein Vater die Familie verlassen hatte, wurde Rudi so etwas wie sein Ersatzvater. Rudi erkannte damals, dass seine Tochter mit ihren Kindern nach Stochers Verschwinden unterzugehen drohte und holte sie in sein Haus nach Greifswald. Und ab diesem Zeitpunkt war sein Vater nur noch „der Stocher“. Bezeichnungen wie „mein Mann“ oder „mein Vater“ verschwanden bald vollkommen aus ihrem täglich benutzten Vokabular. In Großvaters Haus wurde „der Stocher“ zur Hassfigur schlechthin.

      Rudis Haus war sein Zuhause und er hatte eine ganz besondere Beziehung zu diesem alten Haus. So nah am Fluss, mit seinem dicken, weit überstehenden Reetdach, seinen niedrigen Räumen und seinen blanken Holzfußböden.

      Wenn früher im Herbst und Winter oft die Nebelschwaden vom Fluss hochzogen, war das für sie als Kinder etwas sehr Spannendes. Sie beobachteten dann, wie die Nebelgeister flach über den Boden ans Haus herankrochen. Wie sie um das Haus herumwaberten, bis sie es ganz eingeschlossen hatten. Sie waren dann von Geistern umgeben, aber in ihrem warmen Haus waren sie geschützt und für niemanden sichtbar.

      Im Sommer knarrten die Dielen an manchen Stellen, wodurch er immer früh genug wusste, wann Helga, seine Großmutter aus dem Garten ins Haus kam oder sich seinem Zimmer näherte.

      Damals war Rudi noch Meister im Bahn-Ausbesserungswerk Greifswald. Ein stattlicher Mann, dessen Wort etwas galt. Mit großer Geduld und Weitsicht übernahm Rudi ganz selbstverständlich die Vaterrolle. Und obwohl Rudi ziemlich unwirsch und aufbrausend sein konnte, er war ihm ein guter, verlässlicher Vater. Und es gab wohl niemanden, der mehr Hass für den Stocher empfand, als Rudi. Der zusehen musste, wie Kathrin, seine Tochter, nach dem brutalen Verschwinden ihres Mannes in einer schweren Depression versank, ohne dass er ihr helfen konnte. Und Rudi konnte auch seiner Enkelin Mona nicht helfen, als diese am Verlust ihres Vaters zerbrach. Gerade vierzehn Jahre alt geworden, sprang sie in Süderholz von der Autobahnbrücke vor einen LKW. Rudi musste auch das schlucken. Er setzte, wie gewohnt, einen Fuß vor den anderen, hielt sich an seine Prinzipien, und ging seinen Weg, immer einen Fuß vor den anderen. Aber alle diese Ereignisse hatten ihm zugesetzt, hatten ihn verändert. Rudi wurde bald achtzig und wirkte heute oft abwesend, in sich gekehrt, gleichzeitig aber auch unbeherrschter als früher.

      Aus all diesen Gründen musste Rudi erfahren, dass es diesen Stocher noch gab. Dass er sich heute vermutlich in Kiel aufhielt und dass er dort lebte wie die Made im Speck. Ihm zu allererst würde es ein Bedürfnis sein, dieser Made den Speck zu versalzen. Und damit waren sie schon zu zweit.

      Als er an Wismar vorbeifuhr, hörte es auf zu regnen. Die Straße war absolut trocken und die Bereiche neben der Straße hätten gut einen kräftigen Schauer gebrauchen können. Er blickte in den Rückspiegel, sah die dunklen Wolken hinter sich, im Westen.

      Sein Smartphone summte. Kai!

      „Hallo, bist du noch in Schweden?“

      „Ich bin auf dem Weg nach Greifswald und fahre gerade auf Rostock zu.“

      „Sieh an. Da kommst du ja ganz schön rum in der Welt. Hier wartet man übrigens auf deine Reportage. Verlier die nicht aus den Augen, bei deinen Familien-Projekten.“

      „Ich verliere nie etwas aus den Augen, aber ich musste den Artikel ziemlich aufpolieren. Ihr habt den Text morgen auf dem Server.“

      „Aufpolieren? – Hört sich nicht gut an.“

      „War auch nicht gut. War eine Katastrophe. Mir ist meine Primärquelle mitsamt einer Pizzeria um die Ohren geflogen. Wäre ich zum verabredeten Zeitpunkt im Lokal gewesen, würde ich dich jetzt vielleicht als Engelchen umkreisen.“

      „Interessante Vorstellung. Warst du vor Ort, als die Bude hochging?“

      „Ich habe davor gewartet, weil mir die Sache nicht koscher erschien. Und plötzlich ging das Ding hoch. Noch nie in meinem Leben habe ich solch eine Panik gespürt. Und: Nein. Ich habe diese Sache nicht konkret in meiner Reportage verwendet. Ich war zu hautnah dran.“

      „Sollten wir doch immer sein.“

      „Ich war aber noch näher dran, hautnah – Stichwort Anneke Berg. Du erinnerst dich vielleicht.“

      „Jaaa, das war die Frau, die dir erzählt hat, sie handelt mit Sexspielzeug, die aber in Wirklichkeit mit Handgranaten um sich wirft. Okay Erik. Wir reden noch mal darüber, wenn deine Reportage auf dem Tisch liegt. Vielleicht kann man diese Sache doch noch verwenden.“

      „Kai, das war keine Abrechnung unter Gangstern. Dahinter steckt eine ziemlich hohe Hausnummer. Haltet mich da aus der Schusslinie.“

      „Okay. Lassen wir das jetzt so stehen. Zu deinem ödipalen Drama: Vielleicht sind wir schon fündig geworden.“

      „Aha. Wer ist wir?“

      „Ich habe Ullas Hilfe in Anspruch genommen. Ist ja ihr Beruf, herauszufinden, wie solche Ganoven ticken. Hast du was dagegen?“

      „Wie sollte ich. Ich denke, das ist eine gute Idee.“

      „Also, die erste Erkenntnis: Ulrike Teisch lebt in fester Lebensgemeinschaft mit einem Dr. Robert Snelting in der Bismarckallee in Kiel. Nicht mit Werner Stocher.“

      „Klar. Wäre wohl auch zu einfach gewesen.“

      „Es ist einfach, Erik. Kein Mensch lebt und verschwindet hier spurlos.

      Ulla ist runtergetaucht in die Melderegister und hat sich da mal auf die Spur von diesem Snelting geklemmt.“

      „Wow. Was deine bezaubernde Ulla so alles kann.“

      „Werde ich dir hier nicht auf die Nase binden. Tatsache ist, dass Ulla gar nicht suchen musste. Bei genauem Hinsehen ist diese Snelting-Spur sofort auffällig. Pass auf:

      Der Kerl hat sich 1990, am 06. August, mit festem Wohnsitz in Kiel angemeldet. Abgemeldet hat der sich zuvor am 03. August in Berlin.“

      „Berlin. Kai, mein Vater hat nicht in Berlin gelebt. Nie!“

      „Der Snelting ja. Und zwar auf den Tag genau einen Monat.

      Der hat sich am 03. Juli mit Ostpapieren in Berlin angemeldet. Am 03. August hat der seine Westpapiere bekommen und – hat sich umgehend wieder in Berlin abgemeldet. Am 06. August taucht der dann in Kiel wieder auf. Also, mich macht das schon ein wenig skeptisch. Der Snelting hätte ja gleich nach Kiel durchfahren können – oder?“

      „Konntet ihr schon herausfinden, wo der Snelting gelebt hat, bevor der nach Berlin gekommen ist? Wo war der im Osten registriert?“

      „Das ist die Schlüsselfrage. Hier versandet die Spur. Aber Ulla versucht alles. Vielleicht findet sie ihn ja noch. Immerhin war im DDR-Regime ja jeder und alles peinlich genau registriert. Irgendeine Spur muss es von dem geben.“

      „Kai, tu mir einen Gefallen und schick mir mal diesen chronologischen Ablauf. Ich will mir den noch mal in Ruhe ansehen. Gibt es eigentlich keine Fotos von diesem Snelting? “

      „Das ist auch so eine Sache, Erik. Von dem gibt es aus der gesamten

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