Tod eines Agenten. Lars Gelting

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Tod eines Agenten - Lars Gelting

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sah er sich um, suchte den Bereich ab, den die Scheinwerfer ausleuchteten. Aber da war nichts außer Pfützen, in denen dicke Blasen platzten. Er sah ihr Gesicht, ihren skeptischen Blick und ließ sie einfach stehen.

      Vor dem Geländewagen her hastete er durch den Matsch auf die andere Straßenseite. Seine Schuhe sanken ein im Morast. Er achtete nicht darauf, lief am Rand entlang, dort wo nasses Gras und kleine Sträucher sich in die Straße hineinfraßen. Suchte im schwachen Licht, suchte zwischen und unter den nassen Sträuchern. Seine Hände fuhren suchend über die durchnässten Taschen seiner Jacke: sein Smartphone. Er brauchte Licht. Er würde den hellen Kleidungsstoff erkennen – oder den Kinderwagen. Er sah nichts!

      Scheiße! Wo bist du? Der Druck in seiner Magengegend nahm zu. Er hatte einen Menschen angefahren.

      „Kommen Sie rüber! Hierher!“

      Er fuhr herum, sah ihr Smartphone auf der anderen Seite des Range Rovers im Regen blinken. Empfand ihre Stimme wie einen Stich.

      „Ist sie dort?“ Er war schon unterwegs. Sah die Fremde vorgebeugt am Rand der Straße, direkt neben der Stelle, an der er in den Wald gerutscht war.

      „Hier unten, unter dem Busch.“ Sie richtete sich auf. „Ich denke, sie ist nicht durch den Unfall hier gelandet. Die hat sich hier verkrochen.“

      Das Licht ihres Smartphones schwenkte kurz zu ihm herum, als er näherkam; über ihnen flogen in der Dunkelheit einige Vögel aufgeschreckt davon.

      „Das ist Lotta. Ich habe es schon befürchtet, als Sie so fest davon überzeugt waren, hier eine Frau gesehen zu haben.“

      „Was meinen Sie?“ Erik wischte sich den Regen aus dem Gesicht, versuchte sie anzusehen, ihr Gesicht genauer zu erkennen.

      Das Licht war wieder nach unten gerichtet, leuchtete in den Straßengraben, unter wucherndes Buschwerk und erfasste etwas Helles. Etwas, das hier ganz klar nicht hingehörte. Das war sie.

      Wie ein scheues Tier hockte sie, vom Licht erfasst, im knietiefen, nassen Graben. Ein großes, verwundetes Tier in einem schmutzig-weißen Gewand mit überlangen grauen Haaren und einem alten Gesicht, das ihnen mit großen, dunklen Augen entgegensah; Lotta hatte Angst. Weit nach vorn gebeugt wiegte ihr Körper langsam vor und zurück. Ihre Arme hielt sie vor der Brust, presste dort irgendetwas gegen den Körper.

      Er schob die Zweige des Busches zur Seite. Merkte nicht, dass ihm der Regen und ein dünnes Rinnsal Blut jetzt auch in die Ärmel liefen. Er musste näher heran. Ging in die Hocke, um genau sehen zu können.

      „Lotta ist ein armes Ding. Sie lebt in ihrer eigenen Welt – und in der Welt von Lasse. Das sind gleich zwei Gottesstrafen.“

      Die Frau beugte sich mit ihrem Smartphone herunter, näher an Lotta heran.

      „Sie wohnt da vorn, in dem kleinen Haus.“ Ihre Hand wies flüchtig in die Richtung, in der er das Haus auch gesehen hatte.

      „Lotta?“ Vorsichtig und eher rutschend stieg er zu ihr hinunter in den Graben. Sah, dass sie eine Bewegung machte, als wollte sie aufstehen, vielleicht vor ihm fliehen. Sie zog das Bein an, versuchte sich von ihm weg zu drehen. Aber das Ergebnis war lediglich ein abgehacktes Stöhnen. Etwas hinderte sie daran, die Bewegungen richtig auszuführen. Er blieb, wo er war, beugte sich nur zu ihr herunter.

      „Lotta, du musst keine Angst haben. Ich will dir helfen. Tut dir etwas weh? Hast du Schmerzen?“

      Aber Lotta wimmerte nur leise vor sich hin, schaukelte langsam vor und zurück. Sie hatte den Kopf tief zwischen ihre Schultern gezogen, starrte ihn mit ihren großen, dunklen Augen von unten herauf an. Er fühlte Mitleid mit diesem schutzlosen Wesen und er fühlte sich hilflos. Sah, wie der Regen unaufhörlich an ihr herunterlief, an ihren langen Haaren herunter und über ihr Gesicht. Ein merkwürdig altes Gesicht.

      „Lotta, dein Kind. Was ist mit deinem Kind?“

      Augenblicklich saß Lotta ganz still. Dann, als habe er sie an etwas Wichtiges erinnert, riss sie Mund und Augen erschreckt auf. Sah ihm mit brennendem, stechendem Blick fest in die Augen. Unvermittelt zog sie das, was sie in den Armen hielt, mit einem Ruck bis zum Kinn hoch und beugte sich dann schützend weit darüber.

      „Baby!“ Sie stieß es heraus, dumpf, unter Anspannung. Schaukelte aufgeregt vor und zurück. Unversehens dann ruckte sie auf dem nassen Boden herum. Jammerte auf, mehrmals, abrupt, und versuchte in mehreren Anläufen aufzustehen. Endlich blieb sie wimmernd und wieder in sich gekehrt sitzen. Er konnte sie nicht erreichen.

      „Sie hat kein Kind. Sie hält eine Puppe, eine alte Puppe.“ Erik richtete sich langsam auf, wischte sich über das Gesicht. „Mein Gott. Eine Puppe.“ Erschöpft zog er sich an herunterhängenden Ästen aus dem Graben.

      „Sieht aus, als hätte sie sich was gebrochen. Sie kann sich nicht bewegen.“

      „Und Sie haben sich auch verletzt. Sie bluten an der Hand.“ Die Frau richtete ihr Licht auf sein Gesicht. „Und haben sich gerade über das Gesicht gewischt.“

      Es war eine kleine Schnittstelle im Handballen der rechten Hand. Er hatte sie bisher nicht bemerkt und schenkte ihr auch jetzt keine Beachtung. Der Regen lief darüber und sie würde schon aufhören zu bluten.

      „Okay. Ich rufe ja sowieso den Krankenwagen – und ich muss die Polizei rufen. Tut mir leid.“

      Aber er hatte sich schon abgewandt, tastete seine Taschen ab. „Fühlt sich an, als wäre ich in voller Montur Schwimmen gewesen. Ich suche mein Smartphone.“

      „Das liegt vermutlich im Auto. Oder?“ Sie hatte ihr Smartphone schon am Ohr, wartete darauf, dass die Verbindung zustande kam.

      Das Auto! Er fuhr herum. Wenige Meter neben der Straße, zwischen all dem tropfenden Wildwuchs, sah er das spärliche Abblendlicht, das im dichten, nassglänzenden Buschwerk versickerte. Sah den dunklen Umriss des X3 ganz nah neben einem dicken Baum.

      Nein! Verdammt nein! Nicht das auch noch. Er fühlte sich unvermittelt dumpf, erledigt, stand mit geschlossenen Augen einen Atemzug lang nur da. Dieser ganze Tag war ein einziges sich steigerndes Desaster gewesen, und das hier war der Höhepunkt. Hoffte er jedenfalls.

      Er verließ die Straße, stieg über niedergerissenes Buschwerk hinweg in den Wildwuchs. Rutschte unsicher umher und stolperte im Dunkeln über Äste, Wurzeln und herumliegende Steine auf sein Auto zu. Spürte jetzt, wie das Wasser bei jedem Schritt in seinen Schuhen quotschte, wie schwer die Kleidung an seinem Körper klebte und spannte. Vor ihm tauchten die Rücklichter auf. Zwischen Baumstämmen und niedergewalztem Buschwerk leuchteten sie ihm diffus entgegen; er fürchtete das Schlimmste.

      Aber dann sah es gut aus. Er wischte den Regen aus dem Gesicht, atmete tief durch. Das hatte ihm zugesetzt, mit jedem Schritt mehr, die Befürchtung, den Wagen schwer beschädigt hier vorzufinden. Im Licht der Rückleuchten aber und in all dem nassen Chaos, welches ihn umgab, war der Wagen bis zum Dach verdreckt, aber unversehrt. Er folgte mit den Augen den Konturen, war zufrieden mit dem, was er erkennen konnte, öffnete die Beifahrertür und spürte augenblicklich so etwas wie einen elektrischen Schlag.

      Im Licht der Innenbeleuchtung glitzerten auf den Sitzen und im Fußraum unzählige kleine Glassplitter und Glasbruchstücke, die Airbags an der Fahrertür hingen schlaff herunter. Beim Herausklettern hatte er all das nicht wahrgenommen – auch nicht, dass er sich an den Glassplittern geschnitten hatte. Aber die Empfindung war sofort zurück. Den Aufprall empfand er wie einen Nachhall

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