Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

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Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich

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Schürzen, bloßen Armen und netten Hauben abstechen. Dort sucht eine Dame in einer etwas abgetragenen Sammetmantille, unter der sie selber den Korb verborgen hat, sonst aber äußerst vornehm und reservirt, einer Marktfrau drei Pfennige an Blumenkohl abzuhandeln und steckt dabei die derbsten Redensarten der alten Hökerin ruhig ein. Da drüben steht ein Sergeant; er hat sie gefunden, und sie ihren Marktkorb neben sich gestellt, um ihm einige wichtige Mittheilungen zu machen. Beide sind auch in so eifrigem Gespräch begriffen, daß weder er noch sie bemerkt, wie es – ein großes Windspiel nämlich, ein Stück Fleisch von etwa drittehalb Pfund Gewicht vorsichtig und sehr zum Ergötzen einiger beobachtenden Schusterjungen aus dem Korbe zieht und dann in voller Flucht damit die Straße entlang und den Leuten zwischen die Füße rennt.

      Dort drüben entwickelt sich ein Hauptskandal: der Marktmeister hat, wie sich herausstellt auf Denunciation – bei einer ziemlich resolut aussehenden Butterfrau einzelne Stücken gewogen, zu leicht befunden und den ganzen Waarenvorrath derselben confiscirt. Die Denunciantin war aber leichtsinnig genug gewesen, sich wieder mit an Ort und Stelle zu wagen und ihre Genugthuung darüber auszudrücken. Arme „Frau Räthin“! sie konnte Gott danken, als sie nur endlich die Reihe, zwischen der sie förmlich Spießruthen lief und von deren Insassen sie mit faulem Obst und kleinen Handkäsen in sinniger Weise beworfen wurde, erst wieder hinter sich hatte, und es bleibt die Frage, ob sie sich je wieder, außer in Verkleidung, auf den Markt wagen darf.

      Und welche interessanten Persönlichkeiten trifft man selber unter den alten Marktweibern, die man aber nicht immer nach ihrem Geschäft, und daß sie da um ein paar Pfennige mit Gemüse handeln und sich ereifern, beurtheilen soll. Es sind Frauen unter ihnen, die ihr eigenes Haus und Grundstück mit Garten, wie ein nicht unbedeutendes Vermögen besitzen, von dem sie recht gut und behaglich, ohne weitere Anstrengung und besser als manche Dame in einer Sammetmantille, leben könnten.

      Da drüben die dicke Frau mit dem rothen, runden Gesicht, dem kleinen Schnurrbart auf der Oberlippe, der scharf gestärkten Falbelhaube, die ihren dicken Kopf wie ein Heiligenschein umgiebt, und die nur schlichtweg unter ihren Bekannten „die Lohbergern“ genannt wird, hat ein Vermögen von über /124/ fünfzigtausend Thalern, ein sehr hübsches, wenn auch kleines Haus mit natürlich einer „guten Stube“ und giebt Kaffeegesellschaften, die sich „gewaschen haben“. Aber trotzdem sitzt sie Winter und Sommer, in Sonne und Regen auf ihrem Stand, bei großer Kälte mit einem Kohlenbecken unter den Füßen, bei Hitze mit einem riesigen Strohhut auf dem Kopfe, und verkauft selbst die kleinsten Quantitäten von Gemüse, sogar für einen Dreier Petersilie mit der liebenswürdigsten Geduld – so lange man ihr nämlich die Preise zahlt, die sie fordert; denn handeln läßt sie nicht mit sich, ausgenommen manchmal von einer armen Frau. Gnade Gott aber, wenn ihr eine „Dame“ in einem schlumpigen Seidenkleid einen geringeren Preis bietet!

      Mitten durch das Gewühl der Käufer und Verkäufer und quer über den Markt hinüber schritt ein junger, sehr elegant – ja man konnte fast sagen auffallend elegant gekleideter Herr –, denn schwarzer Frack, weiße Weste und Halsbinde mit lichten Glacéhandschuhen, wie sehr sorgfältig gebürstetem Cylinder und sehr blanken Stiefeln paßten eigentlich nicht recht in diese Umgebung und zu so früher Stunde auf die Straße – hatte es doch kaum erst zehn Uhr geschlagen.

      Der junge Mann achtete aber gar nicht auf den ihn umtobenden Lärm; er ging unmittelbar nach der Attake mitten zwischen den Butterweibern durch, hörte nicht einmal ihre entrüsteten Ausrufe und Drohungen, und wenn er sie hörte, kümmerten sie ihn nicht. Vollkommen mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, suchten seine Blicke rings umher, so daß er dadurch mit mancher der ihm begegnenden Damen, die ihrerseits ihre Augen auf die Butter hatten, zusammenstieß. Er entschuldigte sich dann allerdings stets sehr artig, jene nahmen aber selten Notiz davon. Sie waren gewohnt, an Markttagen herumgestoßen zu werden, und betrachteten das als etwas zu dem Einkauf Gehöriges.

      Jetzt hatte er das eigentliche Getöse des Marktes – wenigstens dessen unmittelbaren Tummelplatz hinter sich und wollte eben in eine Seitenstraße einbiegen, als sein Auge durch einen am Boden liegenden blitzenden Gegenstand angezogen wurde. In dem Moment sah er aber auch, wie ein junges derbes Bauermädel, das einen Korb mit Eiern auf dem Rücken trug, gerade den /125/ Fuß darauf setzen wollte. Mit einem „bitt’ um Entschuldigung“ schob er sie deshalb ein wenig ab, bückte sich rasch und hob den Gegenstand auf.

      „Herr Je!“ rief das Mädel erschreckt aus – „was machen Sie denn für Dummheiten?“ Der junge Mann achtete aber gar nicht auf sie, sondern beschaute nur seinen Fund und sah, daß es eine kleine, mit Korallen eingefaßte, aber sonst ziemlich werthlose Broche war, die nur in der Mitte eine Miniatur-Photographie, den Abdruck eines älteren Frauengesichts trug.

      Der Schmuck mußte übrigens in demselben Augenblick verloren sein, denn sonst wäre er jedenfalls schon gefunden, oder im andern Fall von der schwärmenden Volksmenge zertreten worden. Unwillkürlich richtete sich der glückliche Finder empor und überflog mit seinem Blick nach rechts und links das Trottoir. Nach der einen Richtung sah er indeß nur Bauerfrauen und Dienstmädchen, von denen keine einen solchen Schmuck getragen haben konnte; nach der andern aber bemerkte er eine junge Dame in einem braunen Seidenkleide und einem ähnlich farbenen Hut auf, die gerade vor einem dort befindlichen Bilderladen stehen geblieben war, um die ausgestellten Kunstblätter zu betrachten. – Eben wandte sie sich aber wieder, um ihren Weg fortzusetzen; der Fremde warf noch einen Blick auf den Schmuck, und es war fast, als ob er den Fund in der Hand wog, dann eilte er ihr nach und hatte sie auch bald überholt.

      An ihr vorüberschreitend suchte er ihr Gesicht zu sehen und lüftete dabei unwillkürlich den Hut, zügelte auch seinen Gang so weit ein, daß er dicht bei ihr blieb. Die junge Dame hatte allerdings bis dahin ihm nicht einmal den Kopf zugewandt, nur als sie die Bewegung des Grüßens bemerkte, glaubte sie natürlich im ersten Moment, daß es ein Bekannter ihrer Familie wäre, und erwiderte, indem sie zu ihm aufsah, den Gruß – aber sie erschrak, als sie einen vollkommen fremden Menschen neben sich sah, der augenscheinlich im Begriff stand sie anzureden, und wollte ihm scheu ausweichen.

      „Mein gnädiges Fräulein,“ sagte da der Fremde sehr artig – „entschuldigen Sie die Frage, aber haben Sie nicht etwas verloren?“

      /126/ „Nein, mein Herr,“ erwiderte das junge Mädchen, verwirrt und blutroth, und schien nicht übel Lust zu haben, in das nächste Haus zu flüchten.

      „Auch keinen Schmuck?“ beharrte aber der Fremde, und jetzt zum ersten Mal vergaß die Angeredete das Unerwartete der Ansprache, griff erschreckt oben an ihr Kleid und rief dann mit offenbarer Bestürzung aus:

      „Ach mein Gott! meine Broche.“

      „Eine kleine Broche.“

      „Mit Korallen und einer Photographie.“

      „Dann bin ich glücklich genug, sie Ihnen wieder überreichen zu können,“ lächelte der ehrliche Finder, indem er sie ihr mit der rechten Hand, von der er den Handschuh abgezogen, entgegen hielt. „Sie lag kaum vierzig Schritt von hier auf den breiten Steinen und wäre fast zertreten worden.“

      „Oh wie dankbar bin ich Ihnen!“ rief die junge Dame, indem sie den Schmuck aus seiner Hand nahm.

      „Bitte, mein gnädiges Fräulein,“ sagte der Fremde abwehrend – „es hat mich gefreut, Ihnen einen kleinen Dienst erwiesen zu haben“ und mit einer kurzen Verbeugung verabschiedete er sich und schritt ohne Weiteres den Weg zurück, den er gekommen.

      Die junge Dame blieb noch einen Moment wie unschlüssig auf der Straße stehen und sah fast unwillkürlich dem Fremden nach, der sogar jeden Dank verschmähte. Dieser aber schaute nicht mehr zurück; er schien auch in der That den Kopf voll von anderen Dingen und das kleine Intermezzo bald vergessen zu haben.

      Vom nächsten Kirchthurm schlug es halb, und er sah nach der

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