Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

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Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich

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beruhigen.“

      „Das ist sehr liebenswürdig von Dir, mein Sohn,“ sagte der Geheime Regierungsrath, „aber es geht nicht, denn Deinetwegen besonders habe ich das Diner arrangirt.“

      „Meinetwegen, Papa?“ rief Karl verwundert aus.

      „Ja, Deinetwegen,“ wiederholte der Vater, „um Dich nämlich der Excellenz, dem Herrn Staatsminister vorzuführen. Du suchst jetzt eine Carrière, und es ist meine Pflicht und Schuldigkeit, Dir darin Vorschub zu leisten.“

      „Und soll das bei einem Diner geschehen, Papa?“

      „Se. Excellenz lernt Dich wenigstens erst einmal kennen,“ sagte der Geheime Regierungsrath nach kurzer Pause – „und – das Uebrige findet sich dann später.“

      „Dann werde ich Kopfweh bekommen, Papa,“ warf Erna ein – „ich weiß, Mama würde unglücklich sein, wenn sie zu dreizehn an einem Tische sitzen müßte.“

      „Das geht eben so wenig, mein Kind,“ erwiderte der Vater. „Du weißt, wie Elvira von Degen an Dir hängt, und wir geriethen da in eine Reihe von Lügen hinein, die sich unter keiner Bedingung rechtfertigen ließen.“

      „Dann wird es das Beste sein,“ bemerkte Erna, „wir sprechen einmal mit Mama darüber und hören ihre Ansicht, oder wir haben ihr sonst den ganzen Abend verdorben. Sie klagte so schon wieder heute über ihre Nerven.“

      Der Geheime Regierungsrath seufzte tief auf, denn der Schrecken aller Schrecken war für ihn gerade das Nervencapitel, das überdies eine bedeutende Rolle in seinem ehelichen Leben spielte. Erna aber hatte Recht; unter diesen Umständen war es geboten, die Mutter von dem unangenehmen Zwischenfall in Kenntniß zu setzen. Es lag allerdings nicht der geringste vernünftige Grund vor, sich bei einem Diner von dreizehn Personen nicht eben so wohl zu fühlen, wie bei zwölf oder vierzehn, aber das, Gemüth der Menschen ist eben unberechenbar.

      Erna übernahm es, der Mutter die Nachricht mitzutheilen und sie zu fragen, wie sie darüber beschließen wolle; aber schon nach zwei Minuten wurde der Gatte selber in das Toilettenzimmer citirt, denn der Gegenstand war zu wichtig und drin/132/gend, um nicht gleich und augenblicklich eine Erledigung zu verlangen.

      Die Frau Geheime Regierungsräthin saß, mit einem großen weißen Pudermantel um, der ihre ganze Gestalt und ebenso den Stuhl verhüllte, vor dem großen Toilettenspiegel, während ihr Mädchen beschäftigt war, das nicht unschöne und noch sehr reichliche Haar der Dame zu kämmen und zu stecken. Die Frau Geheime Regierungsräthin bedurfte bei ihrer Frisur noch keiner fremden Beihülfe, sonst würde sie auch ihre Familie in die „Geheimnisse“ ihrer Toilette nicht eingeweiht haben.

      „Ludwig!“ rief sie aber dem Gatten entgegen, wie er nur kaum das Zimmer betrat (Karl hatte sich ebenfalls dem Zuge angeschlossen), „das ist ja erschrecklich! Der entsetzliche Mensch, der Finanzrath, hat abgesagt?“

      „Dienstgeschäfte, liebes Kind – dagegen läßt sich nichts machen.“

      „Und so spät, das ist doch höchst unschicklich; aber es sieht ihm ähnlich – es ist einer der rücksichtslosesten Menschen, die ich kenne. Und was fangen wir jetzt an?“

      „Und ist es Dir wirklich so unangenehm, zu dreizehn an einem Tische zu sitzen, liebes Herz,“ sagte ihr Gatte, vorsichtig erst einmal vorausfühlend – „ich hielt Dich in dieser Hinsicht für viel zu aufgeklärt, um an einen solchen alten Aberglauben –“

      „Aber ich doch nicht,“ rief die Frau Geheime Regierungsräthin, indem sie erst noch einen Blick in den Spiegel warf und sich dann auf ihrem Sitz halb herumdrehte – „ich doch wahrhaftig nicht! Aber Du weißt, wie Excellenz, die Frau Ministerin darüber denkt. Sie wäre außer sich, wenn ihr das hier in unserem Hause geschähe, und ich möchte doch wahrhaftig nicht, daß mir das nachgesagt würde. Es sähe ja genau so aus, als ob ich es nur absichtlich gethan hätte, um sie zu kränken.“

      „Aber, mein Kind, wer soll das denken?“

      „Lehr’ Du mich die Menschen kennen, Ludwig – lehr’ Du mich die Menschen kennen, und die Excellenz ist überhaupt mißtrauischer Natur und außerordentlich leicht empfindlich.“

      „Das ist sie in der That,“ seufzte der Geheime Regierungsrath, „und außerdem, wie man sich erzählt, ein Drache.“

      /133/ Aber, Ludwig!“ ermahnte ihn seine Gattin, indem sie ihm einen warnenden Blick zuwarf – er hatte jedenfalls ganz die Gegenwart des Kammermädchens vergessen. Die augenblickliche unglückselige Situation nahm aber vor der Hand all’ ihre Sinne in Anspruch, und ihren Gedanken folgend, murmelte sie halblaut: „Wenn wir es nur noch wenigstens Deiner Schwester absagen könnten; die würde es, unter solchen Umständen, gewiß nicht übel nehmen.“

      „Das geht unter keiner Bedingung, Kunigunde!“ rief der Geheime Regierungsrath rasch und fast erschreckt aus. „Du weißt, wie selten wir sie überhaupt bei uns sehen, und sie war schon neulich etwas aigrirt darüber. Sie würde das als eine directe Beleidigung betrachten.“

      Die Frau Geheime Regierungsräthin zog die Lippen ein wenig zusammen, erwiderte aber nichts darauf, bis sie endlich stöhnte:

      „Dann weiß ich’s nicht – dann muß ich krank werden, denn mit dreizehn können und dürfen wir heute nicht an einem Tische sitzen, oder wir verderben es auf immer mit der Excellenz.“

      „Vielleicht weiß ich da einen Rath, Mama,“ sagte jetzt Karl, der indessen nachsinnend in dem durch ausgehangene Kleider und sonstige Toilettengegenstände etwas beengten Raume auf und ab geschritten war, indem er vor der Mutter stehen blieb.

      „Du? und welchen?“ frug die Mutter rasch – „Du weißt, daß Du heute nicht bei Tische fehlen darfst.“

      „Allerdings, Mama, Papa hat mir den Grund gesagt, aber ich finde doch vielleicht noch eine Aushülfe, so daß wir wieder zu vierzehn sind.“

      „Es ist jetzt gar nicht mehr möglich!“ rief die Mutter in Verzweiflung aus. „Du kannst doch nicht daran denken, in kaum einer Stunde vor dem Diner noch irgend wen einzuladen; es wäre so unschicklich wie möglich. Niemand würde es überhaupt annehmen.“

      „Und genügte Dir ein Premierlieutenant, Mama?“

      „Ein Fähnrich wäre ein Segen Gottes,“ rief die Mutter.

      „Schön,“ lachte Karl – „auf der Universität wurde ich mit /134/ einem Lieutenant von Winbach bekannt, ein liebenswürdiger junger Mann, den bei uns einzuführen ich Papa schon um Erlaubniß bitten wollte.“

      „Und Du glaubst, daß er käme?“

      „Ich weiß es gewiß.“

      „Aber er wird jetzt schon dinirt haben.“

      „Um ein Uhr, so daß er bis Fünf wieder tüchtigen Hunger hat.“

      „Und wo willst Du ihn jetzt finden?“

      „Um diese Zeit ist er stets zu Hause.“

      „Dann darfst Du aber auch keinen Augenblick mehr säumen, Karl,“ sagte die Mutter, – „gütiger Himmel, es ist schon ein Viertel auf fünf Uhr und meine Frisur noch nicht einmal in Ordnung! – Ludwig, Deinem Finanzrath verzeihe ich das im ganzen Leben nicht.“

      „Also

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