Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

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Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich

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in das er sich auf’s Neue mischte. Fühlte er sich hier draußen in seiner etwas sehr eleganten Kleidung genirt? Die Jungen waren allerdings schon einige Mal auf ihn aufmerksam geworden – aber möglichenfalls hatte er auch bei „vornehmen Leuten“, hohen Gönnern oder /127/ „unteren Beamten“ seine Aufwartung zu machen, war vielleicht sogar bestellt worden, und mußte deshalb nicht allein seine Zeit einhalten, sondern auch in der gehörigen „Form“ erscheinen, da es ihm sonst jedenfalls „verübelt“ worden wäre.

      2.

      In der Küche der Frau Geheimen Regierungsräthin von Bentlow ging es heute sehr lebhaft zu, denn der Herr Geheime Regierungsrath hatte, allerdings nicht sehr viele, aber dafür desto bedeutendere Personen zu einem Diner eingeladen, und die Wirthin machte deshalb auch die größten Anstrengungen, um die Sache auf das Glänzendste auszustatten.

      Zu den erwarteten Gästen gehörten zuerst Se. Excellenz der Herr Minister des Innern von Lobezahn mit Frau Gemahlin und Tochter, dann Oberstaatsanwalt von Vogtheim und Frau, der alte General von Degen mit seiner jungen, sehr liebenswürdigen Tochter, Hauptmann von Selching, Adjutant Sr. Königlichen Hoheit, Fräulein von Bentlow Excellenz, die Schwester des Geheimen Regierungsraths und Staatsdame Ihrer Königlichen Hoheit, und Finanzrath Blum, ein sehr einflußreicher Mann im Staate – also eine ausgewählte Gesellschaft, die es sogar Mühe gekostet hatte zusammen zu bringen.

      In höheren Kreisen passen nämlich nicht immer die mit der Familie selber befreundeten Personen auch zu einander – es sind da und dort Rücksichten zu nehmen; man will Niemanden kränken oder nur den geringsten Anhalt zu einem Mißbehagen geben, und es muß da gar so viel vorbedacht und beachtet werden. Die Frau Geheime Regierungsräthin hatte aber einen ganz außerordentlichen Tact in derlei Dingen, einen gewissen Instinct, der sie stets den richtigen Weg führte, und ihr Gatte überließ ihr in solchen Fällen denn auch stets mit dem größten Vertrauen das ganze Arrangement, und zwar /128/ um so lieber, da er sich selber nicht gern aus seiner Ruhe bringen ließ.

      Die Frau Geheime Regierungsräthin wirthschaftete heute auch mit einem wahrhaft erstaunlichen Eifer im ganzen Hause herum; zwei Dienstleute mit einem Kunstgärtner waren schon den ganzen Morgen beschäftigt gewesen, um Topfgewächse herbei zu schaffen und den Speisesaal in geschmackvoller Weise zu decoriren; alle Delicatessen, welche die Stadt nur bot, waren angeschafft worden, die feinsten Weine hatte der Geheime Regierungsrath natürlich selber im Keller, und es wurde drei Uhr Nachmittags, bis die geplagte und entsetzlich in Anspruch genommene Wirthin endlich Zeit fand, an ihre eigene Toilette zu denken – allerdings etwas spät – denn um fünf Uhr sollte schon die Tafel sein – und zwei Stunden brauchte die schon in die Jahre hineinragende Dame regelmäßig zu einem solchen Act.

      Es hatte eben vier Uhr geschlagen, als der Briefträger in das Gewühl von dienstbaren Geistern einen Stadtpostbrief brachte, den der Geheime Regierungsrath annahm, erbrach, durchlas und dann in der größten Unschuld bei Seite legte. Es war nichts als ein Absageschreiben des Finanzrath Blum, der plötzlich in einer Geschäftssache, – d. h. schon zwölf Uhr Mittags hatte abreisen müssen und nun bat, ihn zu entschuldigen. Der Brief war schon in aller Frühe geschrieben, aber wahrscheinlich in dem Trubel der Abreise nicht gleich auf die Post gegeben, so daß er eigentlich ein wenig spät an den Ort seiner Bestimmung gelangte.

      Der Geheime Regierungsrath hielt das für kein Unglück. Auf Einen mehr oder weniger kam es nicht an, und der Finanzrath war außerdem gar kein intimer Freund des Hauses, sondern nur mehr rücksichtshalber eingeladen worden. Er selber hatte nicht recht gewußt weshalb, da aber seine Frau darauf bestanden, fügte er sich eben deren Wunsch und Willen.

      Er war noch damit beschäftigt, die verschiedenen Weinsorten zu ordnen und die Leute anzuweisen, in welcher Reihenfolge sie auf die Tafel gebracht werden sollten, als seine Tochter Erna, ein liebes Mädchen von kaum mehr als neun /129/ zehn Jahren, die bis jetzt noch nicht an ihre Toilette gedacht hatte, weil sie immer in einer halben Stunde mit derselben fertig wurde, mit verschiedenen Anordnungen beschäftigt, über den Vorsaal schritt. Ihr Bruder Karl, der seine Studien beendet und gerade sein Examen gemacht hatte, begleitete sie und trug sehr artig einen Korb mit den verschiedenartigsten, nothwendig gebrauchten Gegenständen.

      „Kann ich Dir etwas helfen. Papa?“ sagte Erna, als sie an ihm vorüberging und nur einen Moment neben ihm stehen blieb.

      „Nein, mein Herz,“ erwiderte der Geheime Regierungsrath, der, die Brille auf der Nase und einen Zettel in der Hand, eine Batterie von Flaschen herauf beschwor, als ob er ein paar hundert durstige Kehlen und nicht eine kleine ausgewählte Gesellschaft zu versorgen habe – „ich danke Dir. Das hier muß ich Alles allein besorgen, oder es kommt mir nachher Confusion hinein, und von Tisch steh’ ich nicht gern wieder auf, wie Du weißt.“

      „Schön, Papa,“ nickte ihm freundlich Erna zu, „dann besorge ich und Karl das Andere – Du siehst, er ist außerordentlich liebenswürdig, und ich denke, daß wir in einer Viertelstunde Alles fertig haben.“

      „Gut, mein Kind, gut,“ sagte der Geheime Regierungsrath geschäftig; „apropos, was ich Dir noch gleich sagen wollte, Finanzrath Blum hat eben absagen lassen. Er mußte in Dienstgeschäften verreisen.“

      Erna war eben im Begriff gewesen, das kleine Gemach, in welchem der Vater seine Flaschenbatterien aufpflanzte, zu verlassen – Karl war schon in den Speisesaal getreten, um seine Last abzusetzen – aber erschreckt blieb sie in der Thür noch stehen und rief:

      „Finanzrath Blum hat abgesagt, Papa? – aber das ist ja doch gar nicht möglich, eine Stunde vor dem Diner – das kann nicht möglich sein.“

      „Und weshalb nicht, mein Herz?“ erwiderte ihr Vater, der eben aufmerksam überwachte, wie der eine Lohnbediente den Champagner und Rheinwein in große Kübel mit Eis brachte, aus denen sie dann in silbernen Abkühlern auf die /130/ Tafel geschafft werden sollten. „Der Brief ist allerdings etwas verspätet abgegeben, aber Geschäfte oder vielmehr Dienstangelegenheiten gehen vor und können eines Diners wegen nicht hintangesetzt werden.“

      „Aber Papa, dann sind wir ja dreizehn bei Tische!“ rief Erna erschreckt aus, „das geht ja gar nicht!“

      „Hm,“ bemerkte der Geheime Regierungsrath, indem er seine Tochter überrascht ansah, und er wußte genau, wie seine Gattin darüber dachte – „dreizehn? Das wäre ja merkwürdig! Wie kommt denn das? – Bist Du abergläubisch?“

      „Ach Papa, ich gewiß nicht,“ sagte Erna, „ich würde mich eben so gern mit zwölf wie mit dreizehn Personen zu Tische setzen, aber Mama ist so ängstlich. Da Hofrath Morling schon vorgestern absagte, hatte sie ja nur zu dem Zweck allein den Finanzrath eingeladen – und nun kann der unglückselige Mensch nicht und meldet das im letzten Augenblick!“

      „Daran habe ich allerdings gar nicht gedacht,“ sagte der Geheime Regierungsrath bestürzt – „das ist sehr fatal, und ich weiß wahrhaftig nicht, was wir da anfangen wollen.“

      „Was ist denn, Papa?“ frug Karl, der eben aus dem Speisesaal zurückkehrte – „was habt Ihr denn, Ihr seht ja Beide so verdutzt aus?“

      „Ach, Karl,“ meinte die Schwester, „es ist eigentlich nichts; es hat Jemand abgesagt, und wir sind jetzt gerade dreizehn bei Tische.“

      „Gerade dreizehn?“ lachte ihr Bruder, „und was thut das, Schatz? Ihr seid doch nicht etwa abergläubisch?“

      „Abergläubisch, ach nein,“ meinte die Schwester, und doch etwas verlegen, „aber die Mutter hat darin ihre eigenen Ansichten; – viele andere Leute haben es ebenfalls nicht gern, und man weiß bei einer solchen Gesellschaft dann nie, wen man vielleicht sehr unangenehm dadurch berührt. Es gehört keinenfalls zum guten Ton, ein Diner von dreizehn Gedecken zu serviren.“

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