Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

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Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich

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jetzt gar keine Zeit mehr hatte, an irgend etwas Anderes als ihre Toilette zu denken, sie würde sonst die kurze Zeit vor dem Diner nur in peinlichster Angst und Aufregung verbracht haben.

      3.

      Karl versäumte wirklich keine Zeit. Er war allerdings selber noch nicht einmal in voller Toilette, aber er wußte auch, daß er diese in wenigen Minuten beenden konnte. Sein Freund Winbach wohnte außerdem auch nur eine kurze Strecke von ihnen entfernt, und rasch eilte er die Straße entlang, um ihn aufzusuchen.

      Dort traf ihn aber wie ein Donnerschlag die Kunde, daß der Herr Lieutenant vor etwa einer halben Stunde ausgeritten sei und die Andeutung gegeben habe, daß er nicht vor sieben /135/ Uhr Abends – wahrscheinlich noch etwas später – zurückkehren würde. – Und was jetzt? – Im Sturm überlegte er nun, wen anders er für ihn, in der nun wirklich drängenden Zeit, auftreiben könne, und die wenigen Freunde, die er hier in der Stadt hatte, ließ er im Fluge an seinem Geiste vorüber gleiten. Aber da half nichts als eine Droschke, und in die warf er sich. – So pünktlich begannen ja auch derartige Diners nie, und Mama hatte Geschick genug, um die Tafel noch für kurze Frist hinaus zu zögern.

      Beide Freunde waren Commilitonen von ihm und wohnten zusammen; traf er sie aber auch Beide an, so schadete das nichts, er nahm sie gleich alle Beide mit, denn Einer zu viel machte keinen Unterschied. Unglücklicher Weise wohnten sie aber in einem sehr entlegenen Stadttheil, und der Kutscher hieb erst nach dem Versprechen eines guten Trinkgeldes auf sein Thier ein, daß die alte Droschke nur so über das Straßenpflaster dahin rasselte.

      „Pech!“ murmelte aber Karl vor sich hin in den Bart, als er, an Ort und Stelle angelangt, die Wohnung glücklich gefunden und nun auch hier erfahren mußte, daß die beiden jungen Leute, bei dem schönen Wetter heute, einen Spaziergang gemacht hätten und es ganz ungewiß sei, wann sie zurückkehren würden, – keinenfalls aber vor zehn Uhr Abends. – „Pech – heilloses Pech!“ wiederholte er mit zusammengebissenen Zähnen, „und was nun? – habe ich nicht Mama versprochen, daß ich ihr einen Vierzehnten mitbringen würde?“

      Hier war nichts mehr zu machen. Er war in dieser Gegend sonst vollkommen unbekannt, und wo sollte er jetzt noch Jemanden finden, der in den wenigen Minuten bereit sein würde, einem Diner beizuwohnen? Und in diese Gesellschaft konnte er auch nicht Jeden einführen.

      Am Markt, also nicht weit von ihrem Hause, wohnte ihr Hausarzt, ein noch junger, sehr gebildeter und tüchtiger Mann – daß er an den auch nicht früher gedacht! Das arme geplagte Droschkenpferd mußte den Weg wieder mit erneuter Hast zurücklegen, was es aber gern unter dem irrigen Gefühl that, daß es seinem eigenen Stalle damit entgegen eilte. – /136/ Traurige Täuschung! in der nächsten halben Stunde war es vielleicht schon wieder im nächsten Dorfe.

      Am Markt angelangt – und. jetzt fehlten nur noch zehn Minuten an fünf Uhr, bezahlte er die Droschke und stieg zu des Doctors Wohnung zwei Treppen hoch empor. – „Mein lieber Gott,“ betete er unterwegs, als er die Stufen emporstieg, „laß mich nur diesmal den Doctor zu Hause und hungrig finden,“ und mit den Schlußworten zog er schon die Klingel – Niemand kam – noch einmal riß er daran, daß es durch das ganze Haus vibrirte. – Jetzt hörte er Schritte – drinnen ging eine Thür und ein schwerer Schritt wurde laut.

      „Gott sei Dank!“ murmelte Karl zwischen den Zähnen, als drinnen ein Schlüssel umgedreht und die Thür geöffnet wurde. Aber nicht des Doctors sehnlich erhofftes Angesicht schaute heraus, sondern der dicke rothe Kopf der Köchin.

      „Bitte, schreiben Sie’s nur auf die Tafel da,“ sagte diese, ohne eine weitere Bemerkung oder Frage für nöthig zu halten.

      „Der Herr Doctor ist nicht zu Hause?“ rief Karl fast außer sich.

      „Ne,“ sagte das Mädchen, – „wenn er wieder zurückkommt, sieht er jedesmal die Tafel an und schreibt sich, was darauf steht, in sein Taschenbuch.“

      „Sehr angenehm,“ sagte Karl, indem er sich in Verzweiflung wieder wandte und die Treppe hinunterstieg.

      „Wollen Sie’s denn nicht aufschreiben?“ rief ihm das Mädchen nach; Karl gab ihr aber gar keine Antwort – es war rein zum Verzweifeln, und in einer ähnlichen Stimmung fand er sich gleich danach auf der Straße, die er jetzt, vollständig rathlos, seinem elterlichen Hause zu entlang schritt.

      „Zum Henker auch,“ murmelte er dabei vor sich hin, – „unser rothes Dienstmann-Institut ist hier ganz vortrefflich eingerichtet, aber vollkommen doch wahrhaftig noch lange nicht, sonst hielte es jedenfalls eine Anzahl von anständigen Leuten in schwarzen Fracks, die als Vierzehnte, oder Taufpathen, oder sonst bei festlichen Gelegenheiten in die Bresche treten könnten! Lumperei überall, wohin man blickt, und nur auf Mamas /137/ Gesicht freue ich mich, wenn ich als Dreizehnter wieder nach Hause komme. – Und wegen solch’ eines albernen Vorurtheils bin ich jetzt über drei Viertel Stunden in der Stadt umher gehetzt – ich wollte, daß Ihre Excellenz die Frau Ministerin –“ er hielt überrascht in seinem eben nicht wohlwollenden Selbstgespräch inne, denn dicht vor ihm, unmittelbar an dem Fenster eines Delicatessenladens, in welchem die interessantesten Dinge, wie Straßburger Gänseleberpasteten, geräucherter Lachs, Aal, ausgeschmückte Fasanen und Truthähne, getrocknete Datteln, überzuckerte Früchte und eine Masse anderer guter Dinge aufgestellt waren, stand ein Herr in voller Toilette, in tadellosem Frack, weißer Cravatte, hellen Glacéhandschuhen, Lackstiefeln – kurz, ein Mensch, wie er ihn gerade in diesem Augenblick brauchte, und betrachtete sich die da drinnen aufgestellten Herrlichkeiten.

      Fast unwillkürlich blieb Karl neben ihm stehen und suchte – angeblich ebenfalls die Waarenvorräthe musternd – einen Blick auf das Gesicht des Fremden zu gewinnen, was ihm auch gelang, da sich dessen Aufmerksamkeit ausschließlich mit dem Inhalt des Schaufensters beschäftigte.

      Er sah wirklich sehr anständig aus, ja das dunkelgelockte Haar und ein kleiner Schnurrbart gaben dem blassen Gesicht sogar etwas Interessantes. Sollte er ihn wirklich anreden? – Es lag ein gewisser Humor darin, einen wildfremden Menschen zu einem solchen Zweck auf der Straße aufzugreifen; aber trotzdem schien es dem jungen Manne nicht allein undelicat, sondern auch roh, denn durfte er ihm den richtigen Grund angeben? und wenn nicht, welchen andern sonst?

      Da schlug es fünf Uhr – Herr des Himmels und der Erden, er selber war noch nicht einmal in voller Toilette und der Vierzehnte fehlte! Aber da stand er! Es half nichts mehr, jede Rücksicht mußte vor der dringenden Nothwendigkeit des Augenblicks schwinden und jedenfalls wenigstens der Versuch gemacht werden, damit er sich selber keine Vorwürfe zu machen brauchte. Zeit hatte er keinenfalls mehr zu verlieren, und seine Mütze lüftend, wandte er sich gegen seinen Nachbar.

      Dieser hatte die Bewegung wohl bemerkt, aber wohl nicht /138/ geglaubt, daß sie ihm gelte. Der neben ihm Stehende wollte jedenfalls die Sachen da drinnen, so wie er, in Augenschein nehmen, und er gab ihm deshalb unwillkürlich ein wenig Raum.

      „Mein Herr,“ faßte sich da Karl ein Herz und redete ihn mit einer artigen Verbeugung an, „darf ich mir, als vollkommen Fremder, eine Frage an Sie erlauben?“

      Der Fremde drehte sich rasch und erstaunt nach ihm um, lüftete aber ebenfalls den Hut. Er hatte wirklich ein intelligentes, wenn auch etwas scharf markirtes Gesicht. „Womit kann ich Ihnen dienen, mein Herr?“

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