Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich
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Читать онлайн книгу Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich страница 31
Es gab auf der Welt nichts so Aehnliches mehr.
Genau solch ein Blick – wie der Schnitt ihres Kleides –
Genau solch ein Herz – damals glaubte ich Beides,
Und täglich nur schien es mir mehr einerlei.
Wer von ihnen Frau oder Schwägerin sei.
Doch leider gesteh’ ich – ‘s ist schlimm, aber wahr.
Der Unterschied wurde erst später mir klar,
Und jetzt bin ich endlich dahinter gekommen,
Daß ich – aus Verseh’n nur – die Falsche genommen.
Nun denk’ ich und wünsch’ ich so hin und her.
Daß doch meine Frau meine Schwägerin wär’!
Die Frau? – Papilloten und stets Negligé –
Sie immer frisirt und der Anzug wie Schnee,
Die Frau voller Launen und mürrisch und hitzig –
Sie immer gleich freundlich, zuvorkommend, witzig.
Der Teufel hat sicher, zur Qual nur dem Mann,
Die Schwägerin mit in die Ehe gethan.
Doch giebt es Vollkommenes hier auf der Welt,
Wo Trübsal und Aerger vom Himmel oft fällt?
Die lieblichste Rose muß Dornen verstecken.
Das Licht hat den Schatten – die Sonne selbst Flecken,
Doch das nur ist, was mich am meisten betrübt.
Daß es ohne Frau – keine Schwägerin giebt.“
/119/ „Und der Gefahr willst Du Dich nicht aussetzen?“ lachte Kurt.
„Nein,“ sagte Alfred ganz bestimmt. „Ich war noch ein paar Mal bei Rankhorsts, aber die jungen Damen haben es förmlich darauf abgesehen, mich verwirrt zu machen. Ebenso muß der alte Oberforstmeister mit in das Geheimniß gezogen sein, denn er wollte sich neulich, als ich – als ich, nun, als ich wieder einmal nicht wußte, welchen von den beiden kleinen Teufeln ich vor mir hatte,“ setzte er ärgerlich hinzu, „vor Lachen förmlich ausschütten, und zum Auslachen halte ich mich doch zu gut.“
„Und weißt Du nicht, daß wahre Liebe ewig ist? Erinnerst Du Dich noch der Worte, die Du mir damals auf meine Vernunftgründe entgegnetest?“
„Allerdings,“ sagte Alfred mürrisch; „wahre Liebe muß dann auch einen festen Gegenstand haben, auf dem sie haften kann, und Einem nicht fortwährend vor den Augen herumflirren. Für wahre Liebe gehört ein bestimmter Gegenstand, dem man sie zuwendet, ich gebe Dir aber mein Ehrenwort, daß ich bis auf die Stunde noch nicht weiß, welche von den beiden Schwestern Hulda oder Paula ist. Also lebe wohl!“
„Und Du willst wirklich fort –?“
„Meine Sachen sind schon auf dem Bahnhofe.“
„Und Hulda?“
„Versuch’ Du Dein Glück bei ihr, wenn’s Dich gelüstet; meine besten Wünsche hast Du dazu. Wenn Du aber anfängst, confus zu werden, so erinnere Dich: daß ich Dich vorher wohlmeinend gewarnt habe, und zwar ich, der Jüngere.“
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Lieutenant von Bersting, verließ etwa eine Stunde später, ohne sich von Rankhorsts auch nur verabschiedet zu haben, Dresden, um bald nachher wieder in seiner Garnison einzutreten. Drei Monate vergingen auch, ohne daß er von dort das Geringste hörte. Da erhielt er eines Tages einen /120/ Brief mit dem Dresdener Poststempel, und als er ihn öffnete fand er eine gedruckte Verlobungsanzeige.
Hulda von Rankhorst.
Kurt von Sternbach.
Dresden. Großgeringen.
Darunter aber hatte Kurt nur die wenigen Worte geschrieben:
„Am 25. December ist unsere Trauung; wenn Du mir eine Freude machen willst, so komm dazu nach Dresden.
Dein Kurt.
Hulda und Paula lassen freundlich grüßen!“
„Ja wohl,“ sagte Alfred vor sich hin und langsam dazu mit dem Kopfe nickend, „weiter fehlte mir gar nichts. Daß ich wieder als erstes Entrée der Falschen gratulire und die Braut und Schwägerin in einem fort verwechselte. Nein, mein lieber Kurt, ich gönne Dir Dein Glück aus vollem Herzen, aber mich bekommt Ihr nicht wieder dahinein.“ Und ohne Weiteres an seinen Schreibtisch eilend, warf er ein paar Zeilen auf’s Papier, siegelte sie ein und sandte sie augenblicklich zur Post. Der Brief lautete:
Lieber Kurt!
Meine herzlichsten und aufrichtigsten Glückwünsche zu Eurer Verbindung. Was Deine freundliche Einladung betrifft, so bedauere ich in der That, ihr nicht folgen zu können, da mich der Dienst hier an die Scholle bannt. Ich passe auch nicht mehr in fröhliche Kreise; ich habe mich, seit wir uns gesehen, sehr verändert und bin ernst und gesetzt geworden. Erfahrungen reifen den Mann, und ich glaube fast, ich habe klüger gehandelt, als mancher Andere, der mir gerade an Jahren überlegen ist. Ich beabsichtige überhaupt nicht mehr zu heirathen; die Frauen – stammen alle von Eva ab, und ich glaube fast, man hat nie mehr nöthig Jemandem Glück zu wünschen, als wenn er im Begriff steht mit Einer ihrer Töchter vor den Altar zu treten.
Uebrigens sende ich Dir als Hochzeitsgeschenk die Abschrift des kleinen Gedichtes „Frau und Schwägerin“. Ich thu’ es nicht aus Bosheit, sondern nur um Dich auf das vor /121/ zubereiten, was Deiner wartet, wenn Du erst Hulda – ich bin in diesem Augenblick nicht gleich im Stande mich zu erinnern, welche von den beiden Schwestern Hulda ist – die Deine nennst.
Lebe wohl, Kurt, grüße Deine liebe Braut und Deine genau so liebe Schwägerin, und behaltet in freundlichem Andenken
Euern
Alfred von Bersting.
Der Vierzehnte
Erstveröffentlichung: "Der Bazar. Illustrirte Damen-Zeitung.- Berlin: L. Schaefer. 1871."
1.
Es war Markttag. Durch die Straßen und in der Nähe der Hauptplätze wälzte sich eine dichte Menschenmenge; Droschken fuhren, Fleisch- und Gemüsenwagen füllten den Fahrweg, während Dienstleute und Köchinnen mit großen, schweren Handkörben die Trottoirs dermaßen beengten, daß man ungestoßen gar nicht – und auf alle Fälle nur sehr langsam vorrücken konnte.
Wem freilich nicht daran lag, rasch von der Stelle zu kommen, dem mochte, wenn sich seine Aufmerksamkeit darauf lenkte, in den verschiedenen Gruppen mancher stille Genuß geboten werden. Der galante Dienstmann zum Beispiel, der dort mit rother Mütze, rothem Kragen und rother Nase für einen Silbergroschen Honorar dem hübschen Dienstmädchen den Marktkorb nach Hause trägt und sie dabei angenehm zu unterhalten sucht. Eine Menge