Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

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Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich

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wieder seinen Weg entlang, bis der vordere Wagen zum zweiten Mal hielt und diesmal auch die zweite Dame absetzte.

      „Fahren Sie vorüber, Kutscher, daß ich die Hausnummer erkennen kann,“ sagte Alfred. Er brauchte kein Geheimniß mehr zu bewahren, denn er war ja doch, wie er fühlte, längst durchschaut.

      Droschke dirigirte die Sache so geschickt, daß er langsam dicht am Haus vorüber fuhr und erst zwei Ecken weiter wieder hielt.

      „Wollen Sie noch sonst wohin?“ frug er zurück, als er hier, in sicherer Entfernung, sein mageres Pferd einzügelte.

      „Nein – aussteigen.“ – Der Kutscher war mit seinem Trinkgeld zufrieden, und Alfred promenirte jetzt noch, seinen Gedanken dabei vollen Raum gebend, eine Zeit lang vor jenem Hause auf und ab, ohne jedoch irgend wen am Fenster zu sehen. Die Wohnung schien wie ausgestorben.

      Uebrigens gab es ein sehr leichtes Mittel, die Insassen jenes Hauses zu erfahren: der Adreß-Kalender. Dies kleine Haus sah auch nicht so aus, als ob es mehr als eine Familie beherberge, und bei dem nächsten Kaufmann konnte er den Namen erfahren.

      Da stand er: Oberforstmeister a. D. Paul von Rankhorst – also Hulda von Rankhorst war ihr Name, und jetzt eilte er vor allen Dingen in die Stadt zurück, um Näheres über die Familie zu hören.

      Und durfte er es wagen, sie aufzusuchen? Hatte ihn nicht Hulda so kalt und schnöde abgewiesen und sogar geleugnet, daß sie ihn je gesehen habe? Aber sie war nicht allein gewesen – konnte es möglich sein, daß sie sich vor der Freundin genirte, und sprach das denn nicht um so mehr zu seinen Gunsten? – Uebrigens war er trotz seiner Aufregung hungrig geworden, Mittagszeit außerdem, so beschloß er denn auch auf der Terrasse zu diniren und stieg langsam die niederen Stufen hinan, die nach oben führten.

      Vor ihm her – noch langsamer als er und sich an der /101/ prachtvollen Aussicht erfreuend, die sich dort ihm bot, schritt ein junger hochgewachsener Mann, sehr elegant gekleidet – sicherlich ebenfalls ein Fremder, welcher der Terrasse seine Huldigung brachte. Als Alfred an ihm vorüberging, wandte er sich, um sein Angesicht zu sehen, eilte aber schon im nächsten Moment auf ihn zu und rief, ihm die Hand entgegenstreckend: „Kurt! – ist es möglich – wie kommst Du nach Dresden?“

      „Alfred! bei Allem was lebt!“ rief der Freund. „Also habe ich Dich doch getroffen, denn ich verzweifelte schon daran, da ich Deine Wohnung nicht wußte. Aber wer kommt nicht nach Dresden? Ist es doch Centralpunkt für Alles, was Deutschland an Natur- und Kunstschönheiten bietet, und Du hättest Dich weit eher wundern können, wenn ich nicht hierhergekommen wäre.“

      „Aber ich habe nicht geglaubt, daß Du Dich so rasch von dem schönen Wald trennen würdest.“

      „Du weißt doch, daß ich schon längere Zeit dort verweilte, ehe wir uns trafen, und dann,“ setzte er lächelnd hinzu – „hatte ich auch meinen Zweck erreicht und vorgestern Morgen, trotz Deiner Störung neulich, den braven Hirsch glücklich erlegt. Da ich nun schon eine Anzahl Rehböcke und auch einen geringen Hirsch vorher geschossen, so mochte ich nicht unbescheiden sein und die Güte meines freundlichen Gastgebers mißbrauchen. Ohne Büchse in den Wald zu gehen, brachte ich nicht über’s Herz, und da hielt ich es für das Beste, mich der Versuchung ganz zu entziehen und den Wald lieber zu verlassen.“

      „Also den armen Hirsch hast Du noch wirklich todtgeschossen?“

      „Ja, denke Dir nur,“ rief Kurt, während ihm in der Erinnerung schon die Augen blitzten – „zwei Morgen war ich noch vergeblich danach gegangen. Der Hirsch, wahrscheinlich damals durch Dich scheu gemacht, hatte seinen Wechsel verändert. Stunden lang kroch ich im Busch herum, bis ich seinen neuen Wechsel ausmachte und die Stelle fand, wo seine breite Fährte über die Wiese lief. Dort richtete ich mir denn noch vor Sonnenuntergang einen Stand her, ließ ihm die Nacht Ruhe und war Morgens um zwei Uhr schon, und /102/ lange vor Tag zur Stelle. Wie mir aber das Herz klopfte, als ich zur gewöhnlichen Zeit, wo er zu Holze zog, das Knicken dürrer Aeste und das Rascheln im Laub hörte – und da plötzlich trat er heraus, sicherte dem frischen Morgen entgegen und zog vertraut, kaum mehr als neunzig Schritt von mir entfernt, über die Wiese hinüber. Das aber war sein letzter Gang; die Kugel schlug, mit dem Knall selbst zeichnete er, fuhr herum und brach wie ein Wetter in die Haselbüsche hinein, durch die ich ihn noch eine kurze Strecke hören konnte. Natürlich lud ich erst wieder frisch auf den Brand und ging dann erst zum Anschuß hinunter und – hatte mich nicht geirrt. Auf dem Wechsel lag Schweiß, und der Spur folgend, fand ich ihn auch, kaum hundert Schritt von dort entfernt, unter einer mächtigen Buche verendet. Denke Dir, ein unregelmäßiger Sechzehnender und feist wie Butter. Das Geweih wäre mir jetzt nicht für tausend Thaler feil… Aber,“ brach er plötzlich ab, „hast Du Deine Huldgöttin hier schon wieder gesehen?“

      „Hm, Kurt,“ meinte Alfred, indem er des Freundes Arm nahm und langsam mit ihm auf der Terrasse zurückschritt, „das ist eine ganz eigenthümliche Geschichte. Denke Dir, ich bin ihr heute Morgen begegnet, und – sie hat mich nicht wieder erkannt.“

      „Natürlich – weil sie Dich noch nicht in Uniform gesehen.“

      Alfred blieb stehen und sah den Freund rasch und erstaunt an. „Wahrhaftig, Du kannst Recht haben,“ rief er, „daran hatte ich gar nicht gedacht! – Und doch dann, welch ein Unterschied zwischen mir und ihr – ich hätte sie wieder erkannt, und wenn sie mir in dem buntesten Maskeradenscherz entgegengekommen wäre. Uebrigens weiß ich doch jetzt, wo sie wohnt – denke Dir, wie es mir heute Morgen ging“ und jetzt erzählte er dem Freunde die List, die er gebraucht, um ihre Wohnung aufzufinden.

      „Und wie ist ihr Name?“

      „Von Rankhorst heißt ihr Vater.“

      „Oberforstmeister außer Dienst?“ rief Kurt rasch.

      „Ich glaube ja – ja wohl – ganz recht.“

      /103/ „Das trifft sich sonderbar,“ sagte der junge Mann kopfschüttelnd, „mein Vater hat es mir auf die Seele gebunden, den alten Herrn aufzusuchen, denn Beide sind intime Freunde, wenn sie auch weit voneinander entfernt gewohnt und sich in langen Jahren nicht gesehen haben.“

      „Und willst Du ihn aufsuchen?“ rief Alfred rasch.

      „Gewiß will ich,“ lautete die Antwort.

      „Gut, dann begleite ich Dich,“ rief Alfred entschlossen, „Hulda kann mich in der That nicht erkannt haben, sonst hätte sie mir das durch ihr liebes Lächeln gezeigt und mich nicht so fremd und erstaunt angesehen, und bei dem alten Herrn bist Du dabei gleich im Stande mich einzuführen. Das trifft sich ausgezeichnet.“

      „Aber unter welchem Vorwande?“ frug Kurt.

      „Hm,“ meinte Alfred, aber doch nicht ganz mit sich einig, „ich – kann Dich ja vielleicht nur begleiten – wir haben uns hier zufällig getroffen – oder auf meine Bekanntschaft aus Ludwigsroda hin. Das geht ja doch, daß ich mich nach dem Befinden der jungen Dame erkundige – ist wenigstens sehr natürlich.“

      „Das allerdings,“ lachte Kurt; „nun, auf Deine Verantwortung, denn tiefen Eindruck kannst Du auf die Dame Deines Herzens, wie mir fast scheinen will, nicht gemacht haben, oder sie würde Dich unter jeder Verkleidung selbst wieder erkannt haben.“

      „Es war ja nur ein Moment, daß ich sie sah,“ entschuldigte sie Alfred, „aber wann gehen wir?“

      „Wenn es Dir recht ist, diniren wir hier oben zusammen. Der alte Herr wird jedenfalls sein Nachmittagsschläfchen halten, und wir treffen ihn nachher bei seiner langen Pfeife und einer Tasse

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