Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich страница 25
„Hulda,“ sagte da plötzlich Paula’s weiche und vorsichtig gedämpfte Stimme, „schläfst Du schon, Schatz?“
Sie bekam keine Antwort.
„Hulda!“ flüsterte sie noch einmal, nur halblaut, „schläfst Du schon?“
„Nein, Paula,“ erwiderte Hulda, aber wirklich schon mehr als drei Viertel in Schlaf, „was willst Du?“
„Sag’ mir einmal,“ frug Paula, sich halb in ihrem Bett emporrichtend, als ob sie die Frage ganz besonders interessire, „was hattet Ihr denn eigentlich für einen Badearzt?“
„Wir?“ frug Hulda, die den Sinn kaum noch faßte, „wo?“
„Nun, in Ludwigsroda. War es ein angenehmer Mann?“
„Ganz und gar nicht; ein dicker alter Herr,“ murmelte das junge Mädchen halblaut als Antwort.
„In der That?“ erwiderte Paula, die indeß ihren eigenen Gedanken folgte. „Und waren recht hübsche Toiletten dort? – Hulda! schläfst Du?
Sie bekam keine Antwort mehr, der Schlaf hatte die Uebermüdete in seinen Arm genommen und wiegte sie leicht unter freundlichen Träumen ein. – Und was gaukelte er ihr vor? Kindesträume: flüsternde Buchenwipfel, zitternde Mondstrahlen, junge Lieutenants in Uniform und Civil – hübsche Jäger mit der Büchse auf der Schulter – sich haschende Kinder, bunte flatternde Schmetterlinge, und dazu hörte sie im Geiste immer einen wunderhübschen Galopp, den die Dragoner, gerade als sie in Dresden einfuhren, unterwegs gespielt, und süß schlafend und mit lächelnden Lippen schlug sie mit den Fußspitzen den Tact dazu. /97/
3.
Der Besuch.
Lieutenant Alfred von Bersting brach in der That seine Cur in Ludwigsroda, nachdem es „der Engel“ verlassen, sehr kurz ab; sein Gesundheitszustand ließ auch wirklich nichts zu wünschen übrig, und er konnte in Dresden eben so gut eine Nachcur gebrauchen, wie irgend wo anders.
Was ihn aber, als er dort ankam, in die größte Verlegenheit brachte, war, daß er weder Namen noch Wohnung seiner Angebeteten kannte – nur den Namen der Tante, und bei dieser hatte er auch bis jetzt geglaubt, daß sie in der Hauptstadt wohne. Als er aber das Logis derselben, und zwar mitten in der Stadt aufsuchte, und sich erst vorsichtig unten beim Hausmann nach den Familienverhältnissen – d. h. nach den Familiengliedern erkundigte, – ob der Mann nämlich glaube, daß er das „gnädige Fräulein“ zu Hause fände, erklärte ihm dieser, ein gnädiges „Fräulein“ gäbe es nicht in der ganzen Etage – nur eine schon ziemlich bejahrte gnädige Frau, die verwittwete Frau Forsträthin von Loswall, die hier nur mit einer Gesellschafterin – auch schon ziemlich in den Jahren – und einer Köchin wohne. Der Mann wollte auch nichts von ihrer Nichte wissen; sie bekäme allerdings sehr häufig Besuch von jungen Damen, sei auch mit einer solchen erst kürzlich von der Reise zurückgekehrt – lieber Gott, das war ja Hulda – aber wo die wohnten und ob sie verwandt mit einander wären, könne er nicht sagen.
Da stand er – die Frau von Loswall aufzusuchen wagte er nicht, und sie nach ihrer Nichte zu fragen, das hätte doch zu aufdringlich ausgesehen, und außerdem wußte er auch gar nicht, wie sie eine solche Anfrage aufnehmen würde, in Ludwigsroda war sie wenigstens immer ziemlich kalt gegen ihn gewesen. Daß er auch Hulda nie nach ihrem Familiennamen gefragt, denn Loswalls gab es sonst in der ganzen Stadt nicht mehr, sie würde ihn gewiß und sicher genannt haben – und wie /98/ sollte er sie jetzt in der großen und volkreichen Stadt auffinden!
Es war allerdings ein schwer Stück Arbeit, und drei Tage lang suchte er vergebens alle Vergnügungsorte, Terrasse, Großen Garten, zoologischen Garten und alle sonstigen Plätze ab, ja musterte Abends im Theater mit einem guten Operngucker auf das Sorgfältigste den ersten Rang und die Parterrelogen – und selbst – wenn auch mit wenig Hoffnung – den zweiten Rang. Es blieb Alles nutzlos, und trübselig schlenderte er am vierten Morgen eben über die Promenade, in der Nähe des Café français, als er plötzlich zwei junge Damen auf sich zukommen sah, von denen er die Jüngere – das Herz hämmerte ihm in dem Augenblick in der Brust, als ob es seine Banden sprengen wolle – Hulda – seine Hulda erkannte.
Er blieb auch wie rathlos, von seinem ersten Gefühl wirklich übermannt, mitten auf der Promenade stehen, starrte die junge Dame an und mochte dabei wohl ein so verblüfftes Gesicht gemacht haben, daß ihm beide junge Mädchen die lieben Köpfchen zuwandten und vielleicht unwillkürlich ein wenig über ihn lächelten – es giebt für junge Damen gar nichts Interessanteres, als einen verblüfften Lieutenant. Damit glitten sie an ihm vorüber; jetzt aber kam Alfred auch wieder zu sich selber, denn die Gelegenheit durfte er nicht unbenutzt entschlüpfen lassen.
Sich rasch wendend, bemerkte er eben noch, wie beide junge Damen sich nach ihm umsahen, aber auch blitzschnell wieder mit ihren Köpfchen herumfuhren, als sie entdeckten, daß er sich ebenfalls nach ihnen drehte – es war das auch fatal. Jetzt zögerte er aber auch nicht mehr; mit wenigen raschen Schritten hatte er sie eingeholt, und militärisch, aber sehr artig grüßend, sagte er zu Hulda:
„Mein werthes, gnädiges Fräulein, Sie wissen gar nicht, wie glücklich es mich macht, Ihnen hier zu begegnen.“
Die Angeredete schrak etwas vor ihm zurück und bekam einen feuerrothen Kopf, anwortete dann aber, und zwar etwas schnippisch, was ihr übrigens vortrefflich stand:
„Sie irren sich wahrscheinlich in der Person, mein Herr – ich habe nicht das Vergnügen, Sie zu kennen,“ – und mit /99/ einem kaum halb versteckten Kichern ihrer Begleiterin drehten sich die beiden jungen Mädchen ab und liefen jetzt mehr, als daß sie gingen, vor lauter Verlegenheit jedenfalls – die kleine Strecke der Promenade hinab, bogen in die Kreuzgasse ein, riefen dort eine Droschke an und fuhren über den Altstadtmarkt in die Schloßgasse hinein und auch dort hindurch.
Alfred stand im ersten Moment, als ob er einen Schlag vor den Kopf bekommen habe, denn wie freundlich und lieb war Hulda sonst immer da oben im Walde mit ihm gewesen, und jetzt? – „Sie irren sich wahrscheinlich in der Person, mein Herr“. Er sich irren, in dem Gesicht und Liebreiz! Aber so ganz rathlos blieb er doch nicht stehen, denn während ihm diese Gedanken durch den Kopf flogen, war er den beiden jungen Damen erst mit den Augen gefolgt, bis sie um die Ecke bogen – dann eilte er ihnen nach und sah kaum, daß sie eine Droschke nahmen, als er ebenfalls und ohne sich auch nur einen Moment zu besinnen, die nächste anrief und dem Kutscher gebot, der vorangegangenen Droschke zu folgen und augenblicklich zu halten, sobald jene hielt – aber immer in etwa fünfzig Schritt Entfernung zu bleiben.
Droschkenkutscher sind sehr weise Leute und machen in ihrem Beruf manche nicht uninteressante Erfahrungen. Bei solchen Sachen besonders wissen sie außerordentlich genau Bescheid – in jene Droschke waren, wie er selber gesehen, zwei junge, bildhübsche Damen gestiegen; der junge Officier wollte wissen, wo sie wohnten, und das konnte ihm Niemand besser besorgen, als er.
Die Droschke voraus fuhr der alten Brücke zu und über diese hin – also nach Neustadt – die Hauptallee hinunter und bog in die Königsbrücker Straße ein, hielt aber schon an einem der ersten Häuser, und im Nu standen Alfred’s Pferde eingezügelt.
Alfred hatte eins der vorderen Fenster geöffnet und schaute, durch den Mantel des Kutschers halb verdeckt, hinaus; – es stieg aber nur eine Dame aus und eilte, noch zurück grüßend, durch den kleinen Garten ihrer Wohnung zu. Die Droschke fuhr weiter. Unser Kutscher drehte sich etwas schwerfällig, und weiterer Ordre wegen, nach seinem Fahrgast um.
„Fahr