Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

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Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich

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an, aber –

      „Jauchzend begrüß’ ich das Blumengefild,

      Jubelnd die Thäler in Nebel gehüllt.

      Ueber die Sterne und weiter hinaus

      Breiten die Arme der Liebe sich aus“

      sang wieder, jetzt näher kommend und fast laut aufjauchzend die Stimme, und: „Ei so wollt’ ich denn doch, daß ein heiliges Kreuz-Donnerwetter den verdammten Berliner in den Erdboden hineinschlüge!“ knurrte der Schütze in den Bart, als er den Hahn seiner Doppelbüchse in Ruhe setzte und einen zornigen Blick oben nach der kleinen Wiese warf, wo eben ein sorgloses, glückliches Menschenkind in’s Freie trat, einen Moment die wunderschöne, herrliche Welt vor sich, da ihm /78/ dort gerade ein freier Blick über den Wald und das tiefer gelegene Land vergönnt war, überschaute und dann plötzlich ohne die geringste äußere Veranlassung, aus freier Hand einen Purzelbaum mitten auf der Wiese schlug.

      „Wenn der Mensch nicht verrückt ist,“ murmelte der so arg gestörte Schütze vor sich hin, „so weiß ich’s nicht. Ob der nur herausgekommen ist, um hier mit Sonnenaufgang auf der nassen Wiese gymnastische Uebungen zu machen? Daß ihn der Henker hole, und solches Volk, das in ein Irrenhaus statt in den Wald gehört, lassen sie frei hier draußen herumlaufen!“

      Der junge Fremde indessen, der vollkommen städtisch und sogar elegant gekleidet war, ja auch Lackstiefeln trug, die aber in dem starken Thau nicht recht zur Geltung kommen konnten, blieb noch einen Moment da oben wie in schweigender Bewunderung stehen und eilte dann, aus voller Brust wieder singend, in Lust und Jubel am Rande der Wiese abwärts, wo er die Stelle, auf welcher der Schütze stand, unmittelbar passiren mußte.

      „Dürfte ich Sie fragen,“ fragte da dieser, als der Fremde, ohne ihn bis jetzt gesehen zu haben, dicht an ihn herangekommen war und jetzt, bei der lauten unerwarteten Stimme dicht an seiner Seite, ordentlich zusammenfuhr, „was Sie hier zu so früher Stunde im Walde zu suchen haben und weshalb Sie einen so heillosen Spectakel machen?“

      „Alle Wetter, haben Sie mich erschreckt!“ rief der junge Mann, indem er zur Seite fuhr und unwillkürlich, nicht etwa nach einer verborgenen Waffe, sondern nach seinem Augenglas griff. Er trug es an einer Schnur um den Hals, und im nächsten Moment saß es ihm mit einem geschickten Druck auf seiner Nase.

      „Wie ist mir denn?“ brach aber der Schütze ab, indem er ihn scharf betrachtete, „hab’ ich denn nicht schon –?“

      „Kurt!“ rief auch jetzt der junge Fremde, der den so plötzlich Aufgetauchten für einen Moment durch sein Glas fixirte – „bist Du’s denn, oder bist Du’s nicht?“

      „Alfred, bei Allem, was da lebt – nun, da hätte ich eher des Himmels Einsturz vermuthet, als Dich hier in diesen /79/ Bergen und beim Morgengrauen anzutreffen, wo Du sonst gewöhnlich noch um acht Uhr in den Federn lagst. Uebrigens hast Du mir meine ganze Jagd verdorben und einen Capitalhirsch verscheucht, der mir sicher zu Schuß gekommen wäre. Weshalb um Gottes willen mußt Du denn Deine Erklärung, daß allein eine verliebte Seele glücklich sei, Morgens mit Sonnenaufgang in Musik gesetzt in den Wald hinausschreien? Das verträgt das Wild nicht!“

      „Aber, bester Freund,“ sagte Alfred, „was kann ich dafür, wenn die Viecher nicht musikalisch sind!“

      „Verstehst Du unter den ‚Viechern‘ die Hirsche?“ lächelte der Schütze.

      „Nun gewiß!“ nickte der junge Mann, „aber ich sage Dir, Kurt,“ fuhr er dann lebhaft fort, indem er Kurt’s Arm ergriff und ihn erregt drückte, „ich sage Dir, Du siehst hier den Glücklichsten der Sterblichen vor Dir, den es gegenwärtig auf der Erde giebt. Mir ist das Herz so voll Seligkeit, daß ich meine Wonne nur in einem fort in den Wald hineinjauchzen möchte.“

      „Sehr angenehm das – ich habe eine Probe davon bekommen!“

      „Ich weiß mir gar keinen Rath mehr!“ fuhr der noch blutjunge, aber hübsche und schlank aufgeschossene junge Mann mit leuchtenden Augen fort, „und wie ich da oben auf den offenen Hang kam und das weite herrliche Land in dieser fast wunderbaren Beleuchtung vor mir ausgebreitet sah, wußte ich meiner überschwänglichen Wonne in keiner andern Weise Lust zu machen, als daß ich – Du wirst mich auslachen – einen Purzelbaum schlug.“

      „Ich habe Dich schon ausgelacht,“ sagte der junge Schütze trocken, „denn ich war Zeuge Deiner allerdings etwas wunderlichen Gefühlsäußerung – aber was – wenn man eigentlich fragen darf, macht Dich denn so übermäßig glücklich, daß Du die ganze Nachbarschaft in Alarm bringst? Wirklich die Liebe? – Kennst Du, bei Deinen musikalischen Talenten, nicht die alte Lehre in dem alten Liede: „Treu geliebt und still geschwiegen, wahre Liebe spricht nicht viel“? /80/ Du hättest Dich dabei eben so glücklich fühlen können und mir – die Jagd nicht verdorben.“

      „Thut mir wirklich leid,“ sagte Alfred gutmüthig, „aber ich hatte wirklich keine Ahnung, Dich hier hinter einem Busch zu finden. Doch Du sollst Alles wissen, denn ich bin überzeugt, daß Du Theil an meinem Glück nimmst, – nur jetzt nicht,“ brach er rücksichtsvoll ab, „denn ich möchte Dich nicht gern länger in Deiner Jagd stören und werde Dich deshalb allein lassen.“

      „Und glaubst Du,“ lachte Kurt, „daß ich jetzt, nachdem Du die ganze Nachbarschaft auf wenigstens eine halbe Stunde im Umkreis alarmirt hast, noch hier an dieser Stelle zum Schuß käme? – Nein,“ setzte er hinzu, indem er völlig aus dem Tannengebüsch heraustrat und seine Büchse resignirt über die linke Schulter hing, „heute ist’s damit vorbei, und ich bitte Dich nur dringend, bei einem längeren Aufenthalte hier Deine etwas lauten Morgenspaziergänge nicht wieder nach dieser Richtung her auszudehnen. Wohin gehst Du jetzt?“

      „In das Dorf zurück. Du wirst auch nicht mehr durch mich belästigt werden, Kurt, denn ich reise schon morgen ab, ihr nach.“

      „Also doch eine sie,“ lächelte Kurt, „nun das konnte ich denken; aber dann begleite ich Dich jedenfalls jetzt, und unterwegs schilderst Du mir sie.“

      „Aber dann dürfen wir wohl nur leise sprechen,“ warf Alfred schüchtern ein.

      „Nein,“ lachte Kurt, „Du brauchst heute Morgen Deinen Gefühlen keinen Zwang mehr anzuthun, denn jeden Schaden, den Du anrichten konntest, hast Du angerichtet – und nun sage mir,“ fuhr er fort, als er seinen Arm in den seines weit jüngeren Freundes legte und mit ihm rechts in eine Schneuse einbog, die einen nicht gerade näheren, doch bequemeren Weg nach dem Dorfe zu herstellte, „sage mir, was Dich heute so glücklich gemacht hat, denn bisher habe ich Dich immer, trotz Deiner Jugend, zu den sogenannten Blasirten gezählt, da Du, obgleich noch so jung, schon nicht mehr tanzen wolltest und das ganze weibliche Geschlecht gewissermaßen unter den Bann der Herzlosigkeit thatest.“

      /81/ „Ich bitte ab, Kurt, bei Gott, ich bitte ab!“ rief Alfred, nicht ohne einigen Pathos. „Ehret die Frauen! sie flechten und weben himmlische Dornen in’s irdische5 –, nein, ich bin confus geworden. Kurt, nimm mir’s nicht übel, aber ich weiß in diesem Augenblick wahrhaftig nicht, wo mir der Kopf steht, denn ich fühle mich zu glücklich, zu unsagbar glücklich!“

      „Schön,“ erwiderte Kurt, „dann thu’ mir nur den einzigen Gefallen und sei nicht langweilig, sondern erzähle mir mit kurzen einfachen Worten und ohne alle überschwänglichen Redensarten, was Du hast, und wer im Stande gewesen ist, Dich in eine so fabelhafte Extase zu versetzen, – wer nämlich die Sie ist, von der Du schwärmst und wegen der Du Purzelbäume Morgens mit Sonnenaufgang und sogar noch vor dem Kaffee mitten im Walde schlägst.“

      „Du bist

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