Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

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Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich

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dem Walde treten zu sehen, wenn er den prachtvollen Kopf hebt, hinaussichert, und dann laut schreiend den Gegner zum Kampfe herausfordert. Alfred, wenn Dir dabei das Herz nicht aufginge, daß Du laut aufjubeln möchtest vor lauter Glück und Seligkeit, dann hast Du kein Herz. Das ist schön, das ist erhaben, und dazu noch der herrliche grüne Wald, die lautlose heilige Stille umher.“

      „In die der Hirsch hinein schreit?“ bemerkte Alfred trocken.

      Kurt sah ihn einen Moment rasch und wie unwillig an; plötzlich brach er in Lachen aus und rief:

      „Du hast wahrhaftig Recht, Alfred. Wir haben Beide unsere verschiedenen Ansichten von Leben, Neigungen und Leidenschaften, und es würde mir so schwer werden, Dich, wie Dir, mich zu überzeugen, daß Du oder ich im Irrthum wären. Also Du gehst nach Dresden?“

      „Ja, direct, ich habe dreiwöchentlichen Urlaub erhalten, um meine etwas angegriffene Gesundheit zu restauriren, und kann den nicht besser anwenden.“

      Kurt lächelte, erwiderte aber nichts und sagte nur nach einer Weile:

      „Gut, dann bleiben wir wenigstens heute zusammen. Ich bin durstig geworden, und vor uns, im goldenen Hirsch, finden wir ein vorzügliches Glas Bairisch Bier.“

      „Bier?“ sagte Alfred mit einem wegwerfenden Gesichtsausdruck, „gemeines Bier jetzt! – ich möchte Champagner trinken.“

      /89/ „Du würdest hier einen schönen Stoff bekommen,“ lachte Kurt, indem er des Freundes Arm wieder nahm. „Nein, Kamerad, trink Du Bier, denn das ist Dir auch am zuträglichsten. Champagner steigt Dir nur noch mehr in den Kopf, und Du brauchst vor allen Dingen etwas dickes, ruhiges Blut.“

      Und die beiden jungen Leute schritten, von jetzt an nur über gleichgültige Dinge plaudernd, die Straße hinab, dem nicht mehr fernen Dorfe zu.

      2.

      Die Schwestern.

      In Neustadt-Dresden, in einer reizenden Villa der so hübsch angelegten Königsbrücker Straße, wohnte der alte pensionirte Forstmeister von Rankhorst mit seiner Familie: seiner verwittweten Tochter und seinen zwei Enkelinnen.

      Der alte Herr – er war schon hoch in die siebzig – führte ein ganz glückliches Leben, denn selber mit zeitlichen Gütern gesegnet, so daß er nicht auf seine ziemlich geringe Pension angewiesen blieb, lebte er einen Theil des Sommers gewöhnlich in der Schweiz und kehrte erst im August nach der Residenz zurück, wo er noch mit der alten Leidenschaft die Jagden frequentirte und selbst oft auf der doch ziemlich ermüdenden Hühnersuche drei, vier Stunden draußen in den Feldern umherstieg.

      Außerdem war er auch, wie er es stets gewesen, sehr geselliger Natur. Er liebte Gesellschaft, sah auch mit größter Freude Gäste bei sich, und Abends, behauptete er, dürfe man nicht zu Bett gehen, ohne seine Partie Whist gespielt zu haben. Ein jovialer Kamerad, aber dabei ein tüchtig praktischer Mann, war er deshalb auch in seinen Kreisen allbeliebt, und wurde, wenn er in fröhlichen Cirkeln sogar noch manchmal ein Tänzchen wagte, den jungen blasirten Leuten oft als Muster aufgestellt.

      /90/ Sein Haus bot übrigens eben durch seine beiden bildhübschen Enkelinnen Hulda und Paula noch einen ganz besondern Reiz, denn etwas Lieblicheres, als diese beiden Zwillingsschwestern, konnte es auf der Welt nicht geben. Dabei war der heitere Charakter ihres Großvaters auf sie übergegangen, und das sang und trillerte und lachte den ganzen Tag im Hause, sowie sie nur eben bei einander waren.

      Und heute schien ein ganz besonderer Festtag in der kleinen freundlichen Villa, denn Hulda war von ihrer etwas monotonen Krankenfahrt mit der alten, von je ein wenig mürrischen Tante, die sie in ihre eigene Wohnung zuerst richtig abgeliefert, wieder zurückgekehrt, und die beiden jungen Wesen konnten nun gar nicht genug Zeit finden, sich mit einander auszuplaudern und von hüben und drüben zu erzählen. Es ließ sich nämlich denken, daß „Großpapa“ sein lange und schmerzlich vermißtes Enkelkind nun auch wieder voll genießen wollte. Gegen „Großpapa“ konnte Hulda aber – so herzlich lieb sie ihn hatte, doch nicht so von der Leber weg reden, wie mit der Schwester. Es gab da eine Menge von Dingen, die für sie Beide natürlich vom allerhöchsten Interesse waren, die aber den alten Herrn nicht im Entferntesten interessiren konnten, oder über die er auch am Ende gar in seiner wirklich oft provocirenden Weise gelacht hätte. Kein Wunder denn, daß sich die Schwestern danach sehnten, einmal eine Stunde vollkommen ungestört zu sein, aber die fand sich nicht eher, als bis sie endlich dem Großvater und der Mutter gute Nacht gesagt und nun in ihrem lauschigen kleinen Stübchen, das neben ihrem eigenen Schlafzimmer lag, zusammen auf dem Sopha saßen und Hand in Hand und Auge in Auge ihre Herzen gegen einander ausschütten durften.

      „Ach, Hulda,“ sagte Paula, wie ihr die Schwester von der reizenden Gegend, dem schönen prächtigen Walde und den wunderbaren Fernsichten erzählt hatte und dann noch hinzusetzte, was sie für köstliche Forellen gegessen und was für delicate Milch sie getrunken – „manchmal habe ich Dich wirklich beneidet, wenn Du mir so in Deinen Briefen jene himmlischen Berge schildertest – aber wenn ich mir dann auch wieder die langweiligen Morgen- und Abendstunden dachte, die Du /91/ gezwungen warst, allein mit der guten Tante zu verleben, und wenn wir junges Volk dann hier so fröhlich beisammen waren und mit einander sangen und lachten, dann thatest Du mir auch wieder leid, und ich hätte Dich gern einmal auch acht Tage ablösen mögen.“

      „Ach, mein liebes Kind,“ sagte Hulda mit einem schelmischen Blick auf die Schwester, indem sie sich ehrbar emporrichtete und sogar mit einem gewissen stolzen, aber doch immer scherzhaften Selbstgefühl fortfuhr, „so sehr verlassen sind wir doch auch nicht gewesen. Junge Leute fanden sich da verschiedene, und ob ich leer ausgegangen, magst Du Dir selber beantworten, wenn ich Dir sage, daß ich sogar persönlich einen eigenen Courmacher gehabt habe.“

      „Du?“ rief Paula im äußersten Erstaunen, und es gab in dem Moment vielleicht kein reizenderes Bild auf der ganzen Welt, als diese beiden bildhübschen Mädchen, in ihren schneeweißen Morgenröcken, die blonden Locken gelöst, die Augen blitzend, das heitere unschuldige Lächeln auf den lieben Zügen, dabei einander sprechend ähnlich, wie ein Antlitz und sein Spiegelbild, Schulter an Schulter, ihre Hände zusammen und sich lächelnd in die Augen schauend. Aber wie lieb hatten sie auch einander, und da gab es nichts, weder Freude noch Schmerz, das sie nicht redlich getheilt, so daß sie oft herzlich mit einander weinten und dann auch wieder eben so herzlich mitsammen lachen konnten.

      Und jetzt erzählte Hulda von einem Courmacher, und zwar einem, den sie allein gehabt, denn hier im elterlichen Hause fiel das ja gar nicht vor. Wo ein junger Mann mit den beiden Zwillingsschwestern zusammentraf und diese fabelhafte Aehnlichkeit zwischen den Beiden sah, mußte er ihnen seine Schmeicheleien immer im Plural sagen, und die beiden Mädchen waren es deshalb auch gar nicht anders gewöhnt.

      „Du?“ wiederholte Paula und konnte den Gedanken noch gar nicht fassen.

      „Ja, ich,“ nickte Hulda glückselig, „ich selber, und weißt Du, wer das noch dazu war? – ein lebendiger Lieutenant – Da!“ und als ob das ein förmlicher Schlag gewesen wäre, der nun erst einmal auf die verblüffte Schwester wirken solle, /92/ zog sie ihre Hand aus der Paula’s, rückte ein Stückchen auf dem Sopha von ihr ab und lachte sie mit ihren blitzenden Augen an.

      „Unsinn,“ sagte Paula und schüttelte, die Schwester betrachtend, den Kopf, „wie sollte ein Lieutenant dort in die Berge kommen!“

      „Ein Lieutenant?“ rief Hulda, indem sie rasch wieder näher rückte; „aber die kommen doch überall hin.“

      „Und wie sah er aus, Hulda?“ frug Paula neugierig? „bitte, bitte, erzähle mir, wie das Alles kam! War er hübsch?“

      „Nun,“

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