Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

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Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich

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Nur Forbach lachte nicht mit, denn er bekam für sich einen Privatschreck. Jedenfalls war die Dame in eine höchst unangenehme Verwickelung, und nur durch seine Schuld gerathen, und welch’ böse Zunge sie hatte, wußte jedes Kind in Buntzlach – und er selber aus Erfahrung. Aber an der Sache war vor der Hand nichts zu thun, und er selber nur froh, daß er hier nicht mit genannt worden. Das Bier schmeckte ihm aber doch nicht mehr und – er fühlte sich auch, nach den eben gemachten Erfahrungen, nicht mehr so ganz sicher. Er stand deshalb in dem allgemeinen Lärm und Lachen auf – sonderbarer Weise fühlte er gar kein Bedürfniß, jetzt die näheren Einzelnheiten zu hören – zahlte sein Bier, griff seinen Hut auf und wollte das Local eben verlassen, als ein anderer gerade eintreffender Stammgast ihn laut anrief:

      /73/ „Hallo, Forbach – wollen Sie wieder auf die alte Waage und Kinder tragen? Famose Beschäftigung für einen alten Junggesellen – machen Sie nur, daß Sie hinkommen – heilloser Lärm dort – die Leute sagen, daß Sie ausgekniffen wären und Ihr Kind im Stich gelassen hätten!“

      „Unsinn!“ rief aber der Doctor gereizt – „ganz Buntzlach scheint verrückt geworden zu sein,“ und ohne sich weiter aufhalten zu lassen, stürmte er aus der Thür.

      _____________

      An dem Tage liefen die nur denkbar tollsten Gerüchte durch Buntzlach, und Doctor Forbach’s und Fräulein Simprecht’s Namen wurden dabei besonders in den außergewöhnlichsten Combinationen genannt, ja ein boshafter Buntzlacher schickte – natürlich anonym, aber mit den beigefügten Insertionsgebühren, eine Verlobungsanzeige der beiden Persönlichkeiten ein, die um ein Haar durch den Factor aufgenommen worden wäre. Glücklicher Weise entdeckte die Redaction noch zu rechter Zeit den Namensmißbrauch und beugte dadurch einem heillosen Skandal vor.

      Und woher rührten alle diese traurigen und in nichts begründeten Mißverständnisse? Einzig und allein von Doctor Julius Forbach’s Angewohnheit, seine Zeit pünktlich am Stammtisch bei Röhrichs einzuhalten und dort sein Glas Bier vor Tisch zu trinken. Er hatte eben um die Zeit keine Zeit, und Fräulein Simprecht war in ihrer Engelsnatur die Unschuldige gewesen, die dafür büßen mußte.

      Ein paar Tage sah sie auch der Doctor nicht und – war vielleicht selber daran schuld, denn er hielt sich ängstlich von allen jenen Orten fern, an welchen er ihr möglicher Weise hätte begegnen können. Am vierten Tage traf er sie zufällig auf der Straße, und zwar auf eine Weise, daß er nicht mehr im Stande war, ihr auszuweichen.

      Hochachtungsvoll grüßte er auch, und zog den Hut viel tiefer vor ihr ab, als es sonst seine Gewohnheit war – aber es half ihm nichts.

      /74/ „Scheusal!“ murmelte die Dame wohl halblaut nur, aber doch verständlich genug vor sich hin, warf den Kopf, ohne den Gruß zu erwidern, hoch und weit zurück, und rauschte dann stolz, wie ein mächtiges Kriegsschiff an einem kleinen erbärmlichen Kauffahrtei-Schuner, vorüber. – Doctor Julius Forbach war aus der Liste der Existirenden gestrichen.

      Die Schwestern.

      Erstveröffentlichung 1872: "Der Bazar, illustrierte Damen-Zeitung 18. Jahrgang. Berlin: L. Schaefer

      Nr.32, Seiten 257 - 259, Nr.33 wurde ausgelassen, Nr.34, Seiten 274 - 275, Nr.35 wurde ausgelassen, Schluss Nr.36, Seiten 289 - 291"

      1.

      Auf dem Anstand.

      Es war ein wunderbar schöner Augustmorgen; der ganze Wald duftete. Eben stieg über die Wipfel des nächsten Höhenzugs jener lichte Rosaschein empor, der das Nahen der Sonne kündet, und wie mit Perlen überstreut lag eine kleine schmale Waldwiese, die sich aber scharf in das Thal senkte, und durch welche ein klarer, murmelnder Forellenbach seine, durch den Porphyr-Untergrund wie bräunlich gefärbte Krystallfluth hinabrieselte. Begrenzt aber wurde die Wiese auf der einen Seite durch einen prachtvollen hochstämmigen Buchenwald, während auf der andern eine sogenannte, etwa zehnjährige Dickung von Nadelholz, in der nur einzelne alte und knorrige Eichen standen, die östliche Einfassung bildete.

      Und wie das in den Büschen und Zweigen lebte und zwitscherte, wie das herüber und hinüber flog! Da droben auf dem einen Buchenwipfel girrte ein wilder Tauber, dem von gegenüber ein Nußhäher spottend antwortete; die Finken schlugen, die Drossel flötete dazwischen, und etwas weiter oben äste sich ein schlankes Reh mit seinem Kitz und warf jetzt nur manchmal wie scheu den schönen Kopf empor, als ob es eine Gefahr wittere oder fürchte.

      Gefahr? – armes Geschöpf, deine scharfen Sinne würden dich nicht geschützt haben, als du ahnungslos mit der Mor/76/gendämmerung den Platz betratest, denn in dem Schutz der Dickung, kaum hundertfünfzig Schritt von dir entfernt, lauerte wohl versteckt ein Jäger und hätte dich mit seiner sichern Kugel schon längst erreichen können, wenn es nicht eben ein ächter Waidmann gewesen wäre, der nicht daran dachte, Mutterwild zu erlegen.

      In einem sorgfältig ausgeschlagenen Gebüsch, das ihm freie Bewegung gestattete und ihn doch vollständig auch gegen das scharfe Auge eines Wildes deckte, stand ein junger Mann in einer grauen Joppe mit grünem Kragen, einen runden Jagdhut auf, der zwei Spielhahnfedern trug, während ein Paar fein gegerbte, aber derbe Jagdstiefel den untern Theil des Beines deckten.

      Wohl hatte er hier schon fast seit einer halben Stunde den Bewegungen des Rehes und dem muntern Spielen des Rehkitzes zugeschaut und sich daran erfreut; aber sein Blick schweifte doch oft rasch und forschend darüber hin, denn er wartete hier auf anderes und edleres Wild.

      Gerade über diese schmale Waldwiese wechselte jeden Morgen etwa um die nämliche Zeit ein sehr starker Hirsch, dem er schon lange nachgespürt, ja ihn auch einige Mal selbst gesehen hatte, ohne je im Stande zu sein, ihn zum Schuß zu bekommen. Heute wollte er es deshalb mit dem frühen Anstand versuchen, und einen günstigeren Morgen konnte er sich dazu nicht denken. Eben von dort her, wo der Hirsch jedesmal aus der Ecke des Buchenwaldes trat und dann schräg hindurch nach der Dickung herüber schritt, drang der schwache Luftzug, die Witterung konnte er deshalb nicht von ihm bekommen, und von hier aus bestrich er dabei, seines Schusses sicher, den ganzen offenen Grund. Dazu der herrliche Morgen, die stets mehr gespannte Erwartung, der duftende Wald, ja das Reh selbst, das so vertraut dort auf und ab suchte. – Da hob dieses wieder scheu den schönen Kopf mit den klugen Augen, stieß dann einen leisen, fast zirpenden Ton aus und wandte sich wie durch irgend etwas verscheucht und von dem Kitz dicht gefolgt der Dickung zu, in der es gleich darauf verschwand.

      War das der Hirsch, den das Reh vielleicht nahen gehört? Der junge Schütze fühlte, wie ihm das Herz fast hörbar in /77/ der Brust schlug, und wenn er auch wahrlich kein Neuling auf der Jagd war, so war der Moment doch ganz danach angethan, ihn aufzuregen und in fieberhafte Spannung zu versetzen.

      Da rasselte oben etwas in den Büschen: im Nu hatte er die Büchse herauf, den Hahn gespannt, den Finger am Stecher – trockene Zweige knackten, das Laub raschelte, und:

      „Freudvoll und leidvoll, gedankenvoll sein.

      Hangen und Bangen in schwebender Pein,

      Himmelaufjauchzend, zum Tode betrübt,

      Glücklich allein ist die Seele, die liebt“4

      schmetterte eine helle Stimme wie jubelnd durch den morgenstillen Wald.

      Drüben im Buchenwald wurde es laut – dort zwischen den einzelnen Stämmen durch, aber so weit entfernt, daß er die lichte Gestalt dann und wann auf Momente erfassen konnte, ging in voller Flucht der starke Hirsch – sein Hirsch, wie er schon fest geglaubt – aufgescheucht durch das Unterholz. Ein Schuß dahin konnte keinen Erfolg haben, und plötzlich wie in den Boden hinein versunken war auch der Hirsch, der

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