Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

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Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich

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ein Kind im Stich lassen – halt’t sie! halt!“

      Fräulein Simprecht, die den Ruf hören mußte, warf einen Zornblick hinter sich, ließ sich aber dadurch nicht aufhalten und wollte eben zur Thür hinausfahren, als der dort stationirte /69/ Polizeidiener, der auch schon den Halteruf gehört hatte, ihr entgegentrat und frug, was es da gebe.

      „Das Frauenzimmer,“ rief die Eine der sie Verfolgenden, „hat da eben im Saal ihr Kind in die Ecke gelegt und will sich jetzt aus dem Staube machen. Lassen Sie sie nicht fort – der arme Wurm geht ja da zu Grunde, und schreit schon jetzt, als ob er am Spieße stäke!“

      „Was?“ sagte der Polizeidiener in moralischer Entrüstung – „ihr Kind?“

      „Die Person ist verrückt!“ rief aber Fräulein Simprecht zornig aus. – „Es ist das Kind einer fremden Frau, die es hier gelassen hat und zu lange wegbleibt – was geht das mich an!“

      „Sie hat es die ganze Zeit auf dem Arm herumgetragen,“ rief die Hökerin, „und mich wollte sie auch schon dran kriegen, daß ich es halten sollte, aber die Art kennen wir. Auskneifen, nicht wahr – pfui, in Ihre Seele hinein sollten Sie sich ‘was schämen!“

      „Vor Ihnen aber noch lange nicht,“ rief das eben auch nicht sanfte Fräulein Simprecht in aufkochendem Zorn. „Das Kind kenn’ ich nicht und es geht mich nichts an. Lassen Sie den Weg frei, Herr Polizeidiener, oder ich gehe den Augenblick zum Herrn Polizeidirector!“

      „Da bring’ ich Sie selber hin,“ lachte der Mann vergnügt, „deshalb machen Sie sich keine Sorgen. Jetzt seien Sie nur so gut und nehmen Sie das arme kleine Ding wieder auf, denn es schreit sich ja sonst den Hals ab.“

      „Und was kümmert das mich?“ rief Fräulein Simprecht erbost. „Ich habe es aus Gefälligkeit Herrn Doctor Forbach abgenommen, der behauptete, es von einer Frau bekommen zu haben.“

      „Aha – von Doctor Forbach!“ rief die Hökerin – „und wie klug, legt es hier in den Saal, weil sie hofft, daß sich schon Jemand des unglücklichen Wesens annehmen wird. So eine Rabenmutter!“

      Dem Fräulein wurde es zu bunt, und mit Gewalt wollte sie sich in’s Freie drängen, aber da fühlte sich der Polizeidiener in seiner Würde gekränkt.

      /70/ „Na,“ sagte er, indem er ihr voll in den Weg trat – „damit ist’s nun einmal nichts – so kommen Sie nicht fort, und wenn Sie ein gutes Gewissen hätten, so scheuten Sie sich nicht, mit auf die Polizei zu gehen. Wenn Sie das Kind mit hergebracht haben, so müssen Sie’s auch wieder mit fortnehmen. – Hier ist kein Findelhaus!“

      „Oho, ich habe es ja gar nicht mit hergebracht!“ schrie die Dame, der schon vor Zorn die Thränen in die Augen traten.

      „Und was wollten Sie sonst hier?“

      „Eine Freundin treffen.“

      „Ja, das kann Jeder sagen,“ lachte der Mann des Gesetzes – „ne, mein liebes Madamchen, das hilft Ihnen Alles nichts – nehmen Sie nur das Kleine und kommen Sie mit auf die Polizei!“

      „Aber Sie müssen mich ja doch kennen!“ rief da Fräulein Simprecht in voller Verzweiflung aus, denn jetzt überkam sie zum ersten Mal die Angst, daß sie am Ende gar mit dem Kind über die Straße transportirt werden sollte – oh, dieser unselige Doctor Forbach – „mein Name ist Simprecht, Aurelie Simprecht, mein Vater ist der Commerzienrath Simprecht an der hohen Brücke, mein Bruder ist Kanzleirath Simprecht –“

      „Und Ihr Schwager der König, nicht wahr? weiter fehlte jetzt gar nichts mehr,“ rief der Polizeidiener entrüstet aus, indem er sich von der vermeintlichen Delinquentin abdrehte – „wo ist das Kind! na? es hat doch eben noch da gelegen – wo ist es denn jetzt hin?“

      „Was denn für ein Kind?“ sagte eine Frau, die eben erst auch mit einem Säugling auf dem Arm eingetreten war und noch gar nicht wußte, was der Lärm bedeutete.

      „Das Kind, was da auf der Erde lag.“

      „In so weißen, hübschen Windeln?“

      „Ja, ganz recht – haben Sie etwas davon gesehen?“

      „Ja, was soll denn aber mit dem Kinde sein?“ sagte die junge Frau verwundert – „seine Mutter hat es mit fortgenommen – die Frau Paulmann – ihr Mann ist Photograph. /71/ Es wurde ihr vorhin schlecht hier oben, so schwindlig, und sie ließ das Kind hier, weil sie fürchtete, daß es ihr am Ende aus den Händen glitte. Nebenan bei uns wurde sie auch richtig ohnmächtig und konnte uns nicht einmal gleich sagen, wo das arme kleine Ding war. Jetzt hat sie’s wieder und ist damit nach Hause gegangen, weil sie sich heute zu schwach fühlte, um hier länger zu warten.“

      „Hm,“ sagte der Polizeidiener, doch etwas verblüfft – „das ist ja merkwürdig – kennen Sie die Madame hier?“

      „Fräulein Simprecht? – gewiß, die Tochter des Herrn Commerzienraths Simprecht –“

      „Und die augenblicklich zum Polizeidirector fahren wird, um Ihr tölpelhaftes Benehmen anzuzeigen,“ rief aber die betreffende Dame empört und rauschte mit ordentlich Funken sprühenden Blicken zur Thür hinaus.

      4.

      Der Polizeidiener machte, als sie den Saal verlassen hatte, allerdings ein etwas sehr verdutztes Gesicht, denn er wußte jetzt gut genug, welche Nase ihm von oben bevorstand. Daß er in seinem vollen Rechte gewesen, kam dabei natürlich nicht in Betracht, aber Fräulein Simprecht dachte vor der Hand noch gar nicht daran, Genugthuung für die von dem Polizeibeamten erlittene Behandlung zu fordern, denn ihr ganzer Haß und Ingrimm wandte sich in diesem Augenblick gegen den eigentlichen Urheber jener Scene, den Doctor Julius Forbach, und würde sich noch mehr gesteigert haben, wenn sie ihn in diesem Augenblick gesehen hätte, wie er in aller Gemüthlichkeit bei Röhrichs in der Gaststube und vor einem Glas prachtvollen Bieres saß, das er gerade gegen das Licht hielt und sich an seinem Glanz erfreute.

      Neue Gäste traten ein. – „Habt Ihr’s schon gehört?“ rief der Eine von ihnen, indem er seinen Hut über einen /72/ Nagel und sich selbst auf einen leeren Stuhl neben Forbach warf – „eben eine famose Geschichte in der alten Waage passirt, wo die Kinder heute geimpft werden –“

      „So? – was denn?“ rief es von allen Seiten, und Forbach sah sich überrascht nach seinem neuen Nachbar um.

      „Oh,“ lachte dieser, „nichts weiter, als daß eine Frau bei dieser günstigen Gelegenheit ihr Kind los zu werden hoffte, es ruhig in eine Ecke auf die Erde legte und sich dann eben aus dem Staube machte, als sie noch glücklich von der Polizei erwischt wurde.“

      „Alle Wetter!“ rief ein Anderer, „so eine Rabenmutter!“

      „Sie leugnete auch ganz frech, daß es das ihre sei,“ fuhr der Erzähler fort, „aber es half ihr nichts, und sie wird wohl ein paar Monate Arbeitshaus bekommen.“

      Noch ein neuer Gast trat ein, der das Letzte gehört hatte.

      „Und wissen Sie denn, wer die vermeintliche Mutter war?“ rief dieser, während er sich ebenfalls einen Stuhl herbeiholte.

      „Nein,“ sagte der Erzähler, „ich hörte es nur eben unten auf der Straße, als ich hierher ging.“

      „Fräulein Aurelie Simprecht.“

      Ein

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