Iska - Die Flucht. Jürgen Ruhr
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Iska nickte und half Sigmar den Körper unter Laub und Blättern verschwinden zu lassen. Dazu sammelten sie nur das auf, was am Boden lag. Endlich erinnerte nur noch ein unscheinbarer Laubhügel unter einem dichten Busch an den Toten. Nur durch Zufall würde man den Soldaten hier finden. Schwitzend und schwer atmend ruhten sie sich kurz aus. Dann kehrten sie zum Kampfplatz zurück und Sigmar verwischte alle Spuren des Kampfes und ihrer Anwesenheit so gut es ging. Sorgsam darauf bedacht, keine neuen Spuren zu hinterlassen, entfernten sie sich endlich möglichst geräuschlos. In sicherer Entfernung zu dem kleinen Trupp Römer setzten sie ihren Weg fort.
VIII. Über den Rhenus
Der Kampf gegen den Römer und das Verstecken des Toten kostete die beiden jungen Leute viel Zeit und schneller als erwartet versank Sunna am Horizont. Sigmar trieb sie beide zur Eile an: „Wir müssen in der Dunkelheit über den Fluss! Es wird schwierig werden, sich tagsüber in der Nähe des Grenzwalls zu verstecken. Sollten wir es jetzt nicht schaffen, über den Rhenus zu kommen, dann liegt ein ganzes Stück Weg zurück vor uns! Die Gefahr von den Römern erwischt zu werden, wird dann zu groß. Also, komm Iska. Nicht langsamer werden!“
Iska stolperte hinter Sigmar her. Obwohl sie Strapazen gewohnt war, brannten ihre Füße, als würden sie in einem lodernden Feuer stecken. Ihr Atem ging stoßweise und das Mädchen sehnte sich nach einer Pause und etwas Ruhe. Das Licht nahm immer mehr ab und aus der diffusen Dunkelheit wurde Nacht. Einzig der Mond spendete ihnen jetzt noch ein wenig Helligkeit. Sie waren fast den ganzen Tag gelaufen und ihrer beide Kräfte verließen sie zusehends. Auch hatten sie inzwischen die mageren, von dem Römer erbeuteten Vorräte, aufgebraucht. Hunger und Durst quälten Iska und immer wieder musste sie sich zwingen, nicht einfach in das weiche Gras zu fallen, sondern ihre Füße weiter und weiter voreinander zu setzen. Wann würden sie diesen verflixten Wall endlich erreichen? Das fahle Licht des Mondes wurde hin und wieder durch Wolken verdeckt und in solchen Momenten konnte man die Hand nicht vor Augen sehen. Sigmar aber war sich des Weges sicher und gönnte ihnen keine Pause; eher beschleunigte er noch einmal seine Schritte. Nicht einen Moment ließ seine Aufmerksamkeit nach. In der Ferne bemerkte Iska Lichter und sie sprach Sigmar darauf an.
„Das ist ein Wachtposten am Limes!“
„Am Limes? Ist das ein Fluss?“
„Nein, Iska, so wird der römische Grenzwall genannt. Er durchzieht das gesamte Land und führt fast immer am Fluss Rhenus entlang. Von Zeit zu Zeit findest du einzelne Türme und hier und dort gibt es Durchgänge, die von den Römern kontrolliert werden. Der Grenzwall selbst besteht aus Gräben und Holzpalisaden. Andere Abschnitte bestehen aus Gräben und aufgeschütteter Erde. Eigentlich soll es kein Überwinden geben, aber wer bestimmte Stellen kennt, kann als einzelner oder in einer kleinen Gruppe durchaus zu Fuß den Wall überwinden.“ Er schritt jetzt etwas langsamer und geduckt voran. Iska tat es ihm gleich.
„Sieh dort!“ Sigmar zeigte mit dem ausgestreckten Arm auf etwas vor ihnen. Iska sah nichts. Langsam näherten sie sich dem, was Sigmar bezeichnet hatte, und endlich erkannte das Mädchen einen Erdwall, der mit kurzgehaltenem Gras bewachsen war. Mitten auf dem Wall standen angespitzte Pfähle. Sie waren dicht nebeneinander in den Boden gerammt und bildeten eine undurchdrignliche Wand. Iska schätzte, dass die Höhe der Pfähle die Größe eines Mannes um das Anderthalb- bis Zweifache übertraf.
„Da kommen wir doch niemals drüber. Das ist doch viel zu hoch!“ Fragend schaute sie Sigmar an.
„Nein, drüber nicht. Aber warte ab. Es gibt einen Weg.“ Jetzt krochen sie auf allen Vieren durch das Gras und Iska wurde schmerzvoll an ihre zerschundenen Knie erinnert. Plötzlich tauchten die Pfähle vor ihnen in der Dunkelheit auf. Prüfend legte Sigmar eine Hand an den ein oder anderen Pfahl und drückte sanft dagegen. „Warte hier, Iska.“ Dann kroch er mal nach rechts, mal nach links und prüfte die Pfähle. Letztlich kam er zu Iska zurück. „Gib mir mal deine Hand.“ Iska tat wie ihr geheißen, auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, was Sigmar von ihr wollte. Vorsichtig führte er die Hand über das spröde Holz eines Pfahles. „Fühlst du das?“
„Eine Kerbe?“
„Ja, es handelt sich um ein Zeichen, wo genau bestimmte Pfähle zu finden sind. Folge mir leise und bleib am Boden, es ist nicht weit.“
Sigmar folgte der Pfahlwand in linker Richtung. „Hier. Schau.“ Eingehend beobachtete er noch einmal die Umgegend. Dann zog der junge Krieger mühelos einen Pfahl nach dem anderen aus dem Boden. So entstand in kürzester Zeit eine Lücke in der Wand, durch die sie sich hindurch quetschen konnten. Auf der anderen Seite des Walls beobachtete Sigmar wieder die Gegend und lauschte angestrengt. Zufrieden stellte er die Pfähle wieder an ihren ursprünglichen Platz. „Drüber kommen wir nicht, aber hindurch! Wenn die Römer wüssten, wie durchlässig ihr Schutzwall ist ...“ Sigmar ließ den Satz unbeendet und zog Iska langsam weiter. „Jetzt ist es nicht mehr weit bis zum Fluss.“
Sie überquerten eine breite Straße, die Iska in Staunen versetzte. Massiver Stein bildete den Untergrund und die Straße war so eben und gleichmäßig, wie Iska selten einen Weg gesehen hatte. Am Rand des breiten Weges standen Steine, senkrecht aufgestellt und sie sah Sigmar fragend an: „Sind das dort Gedenksteine für die Toten?“
Der junge Krieger schüttelte den Kopf. „Nein, das sind Steine, die Entfernungen angeben. Bis zur nächsten Stadt oder bis zu einer Weggabelung. Die Römer nennen sie Meilensteine.“ Sigmar zog sie von der Straße fort. Ein längerer Aufenthalt hier war auf keinen Fall ratsam. Dafür kamen zu häufig Menschen oder sogar Fuhrwerke über die Straße. Wie würden Iska wohl erst die Augen übergehen, wenn sie einmal eine der römischen Städte zu Gesicht bekäme?
Schneller als erwartet erreichten sie das Flussufer. Aber es war kaum noch notwendig gewesen, sich geduckt oder kriechend zu bewegen. Der junge Krieger beobachtete zwar weiter ständig die Umgegend, aber er legte hier lange nicht die Vorsicht an den Tag, wie zuvor auf der anderen Seite des Walls. Iska hörte plötzlich Worte und Geräusche, die auf Fuhrwerke und Menschen auf der zuvor überquerten Straße schließen ließen. Doch je mehr sie sich dem Fluss näherten, umso leiser wurde es wieder. „Selbst des Nachts sind die Straßen der Römer gerne genutzte Wege“, erklärte Sigmar. „Sie sind sicherer als die kleinen Wege, da überall römische Patrouillen sind.“ Dann suchte er etwas zwischen den einzelnen Büschen am Flussufer. Nach einer Weile schien er gefunden zu haben, wonach er suchte, denn leise rief er Iska zu sich: „Iska, komm hierhin. Aber sei leise!“
Iska staunte nicht schlecht, als sie unter dem Busch versteckt ein kleines Boot entdeckte. „Ich habe Angst, Sigmar. Ich kann doch nicht schwimmen!“
„Wir haben keine Wahl. Jetzt gibt es keinen Weg mehr zurück! Das Boot ist sicher, glaube mir und die Strömung an dieser Stelle nicht allzu stark. Dafür ist der Fluss hier breiter und es wird ein gutes Stück Arbeit werden, ihn zu überqueren. Trotzdem brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“
Iska schaute unsicher über das in der Dunkelheit schwarz vor ihnen liegende, träge fließende Wasser. Dann zeigte sie mit dem Arm auf eine Stelle im Fluss. „Was ist das?“
Sigmar folgte mit dem Blick ihrem Arm. Auf dem Fluss tanzten plötzlich einzelne Lichter. Die Entfernung war zu groß, um Einzelheiten ausmachen zu können, aber der Krieger wusste sofort, worum es sich handelte. „Das sind Boote, die den Rhenus herauf- oder herunterfahren.“ Er hoffte, dass Iska mit seiner Antwort zufrieden sein würde. Aber da täuschte er sich in seiner Begleiterin.
„Nachts? Was machen die Boote in der Dunkelheit dort? Erzähl mir nicht, dass jetzt Waren transportiert werden! Bei der Dunkelheit.“
Sigmar