DEBORA. T.D. Amrein
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Yves war ein erfahrener Segler. Bei den Damen war Nele, wie sie vor allem genannt wurde, zumindest schon mit Yves ab und zu auf See gewesen, während es für Debora die allererste Fahrt war.
Ein Tagesausflug war geplant, am Abend wollten sie zurück sein. Am nächsten Tag, eine Funkverbindung kam nie zustande, fand ein Boot der Küstenwache, die ohne Segel treibende Jacht. An Bord fand man nur Debora, die anderen beiden waren verschwunden und das Beiboot fehlte.
Demoiselle Nagel konnte nicht sagen, ob die Jacht mit oder ohne Schlauchboot ausgelaufen war. Sie hatte nicht darauf geachtet. Die Wahrscheinlichkeit, dass Yves es beim Auslaufen vergessen oder zurückgelassen hat, schätzten die Kollegen jedoch gegen null ein. Also ist es wohl zusammen mit dem Pärchen verschwunden.
Sonst fehlte nichts. Papiere, persönliche Geldbörsen, Uhren, Schmuck, alles da. Keinerlei Blut oder Kampfspuren, nichts war beschädigt.
Die knappe Aussage von Debora: Sie hatte nichts mitbekommen. Sie war damit beschäftigt, im Unterdeck das Essen zuzubereiten. Als sie servieren wollte, war keiner mehr da, erscheint mir jetzt im Zusammenhang mit den neuen Vorkommnissen eher dürftig. Tatsache bleibt jedoch, dass sie absolut kein Motiv für ein Verbrechen hatte. Sie hat im Gegenteil die guten Möglichkeiten, in die bessere Gesellschaft zu gelangen, mit dem Verlust ihrer Freunde eingebüßt. Yves Vater hatte schon einige Beziehungen spielen lassen, um ihr einen Job in einer bekannten Schönheitsklinik an der Côte zu verschaffen. Den sie allerdings dann nicht mehr angetreten hat.
Die Kollegen sind zum Schluss gelangt, dass sich die beiden vermutlich mit dem Beiboot soweit von der Jacht entfernt haben, dass ein Zurückschwimmen, besonders für Nele, nicht mehr möglich war. Nachdem sie aus einem unbekannten Grund das Schlauchboot verloren hatten.
Gemäß dieser Version sind sie vermutlich einfach ertrunken.“ Guerin zuckte mit den Schultern. „Das bedeutet jedoch keineswegs, dass Frau Nagel wirklich nichts damit zu tun hatte.“
„Es gab nie neue Erkenntnisse?“, fragte Gruber nach.
„Einige Spekulationen, dass Yves eventuell verschwinden wollte. War aber alles, absolut unhaltbar.“
„Wie gesagt, Eric, ich habe ihren Namen noch nie gehört“, antwortete Gruber. „Zumindest aktuell liegt nichts vor, das wüsste ich ziemlich sicher. Eine offizielle Vernehmung ist natürlich erst nach dem Gesuch deines Landes möglich, das ist dir klar?“
„Selbstverständlich! Aber ein Auge auf sie werfen, kannst du schon vorher. Würde mich nicht wundern, wenn sie bei euch auch schon im Archiv ist“, antwortete Guerin ermunternd.
Gruber nickte. „Ich werde mich darum kümmern und dich entsprechend informieren, so wie immer.“
Damit war der "dienstliche Teil" beendet. Guerin erkundigte sich nach Sonja, der Partnerin Grubers, die er auch schon kennengelernt hatte.
„Ja ja“, antwortete Gruber, „sie hat mich immer noch fest im Griff, zusammen mit meinen Töchtern. So lebe ich schon fast im Matriarchat“, scherzte er.
„Du kannst jederzeit zu mir flüchten, wenn es dir zu viel wird, das weißt du“, antwortete Guerin lächelnd.
„Solange sie mich bloß mit Verwöhnen dazu bringen, ihnen zu geben, was sie haben wollen, ist es noch auszuhalten. Andernfalls komme ich gern auf dich zurück“, antwortete Gruber.
„Und du? Du bist ja jetzt schon fast ein Jahr mit Michélle zusammen. Eine kleine Ewigkeit für deine Verhältnisse“, fragte Gruber zurück.
„So schlimm war es jetzt auch wieder nicht“, wehrte Guerin ab. „Ich hab auch schon mal Eine über ein Jahr gehabt.“
„Ja“, bestätigte Gruber. „Aber sie war nicht die Einzige in dieser Zeit, erinnerst du dich?“
„Woher weißt du das?“, fragte Guerin zurück. „Von mir auf jeden Fall nicht.“
Gruber grinste. „Das wussten so ziemlich alle, außer ihr. Niemand hat erwartet, wenn du mit einer Neuen gesehen wurdest, dass da nichts läuft.“
„Es war aber nicht immer so“, antwortete Guerin. „Manchmal waren es wirklich nur Kolleginnen, da wurde mir vieles unterstellt.“
Gruber zog die Brauen hoch. „Scheint dich richtig erwischt zu haben. Früher warst du doch stolz auf jede neue Eroberung, jetzt zierst du dich, als ob du als lupenreine Braut dastehen möchtest.“
„Zu brav will ich auch nicht scheinen“, erwiderte Guerin. „Trotzdem, wenn die alten Zeiten zum Thema werden sollten, bitte ich dich, das Eine oder Andere eher wegzulassen, wenn Michélle dabei ist!“
Gruber lachte laut auf. „Hast du ihr schon einen Antrag gemacht?“
„Nein, noch nicht, ich weiß im Moment überhaupt nicht, was ich tun soll. Ich will sie nicht wieder verlieren, aber schrecke doch davor zurück. Das hat sowas Endgültiges, verstehst du. Du warst doch schon verheiratet, hast sogar Kinder. Wenn du ehrlich bist, würdest du es wieder tun, wenn du die Wahl nochmal hättest?“
Gruber zuckte mit den Schultern. „Das kann ich dir nicht einfach so beantworten. Die Mädchen zu bekommen, sie groß werden zu sehen, das war wunderbar, auch wenn ich gerne noch einen Sohn dazu gehabt hätte.
Die Streitereien, die Scheidung, das war grässlich, das möchte ich nie wieder erleben. Wenn wir uns nicht darauf geeinigt hätten, das gemeinsame Sorgerecht zu bekommen, ich weiß nicht, was ich gemacht hätte. Trotzdem haben sie und ihre Anwältin mich ausgenommen bis auf die Knochen. Die wussten, dass mir der Kontakt zu den Mädchen mehr wert war als alles, was ich besaß. Also bin ich nicht gerade geeignet, dich zu beraten.“
„Gerade deshalb, würdest du oder nicht?“
Gruber zögerte. „Ja, zum Teufel!
So eine Frage würde ich nicht einmal Sonja beantworten, weshalb dann dir?“, fragte er sich selbst.
„Ich danke dir, Kaspar, das bedeutet mir sehr viel. Würdest du denn, wenn es so weit kommt, mein Trauzeuge sein?“
„Um Gotteswillen, ein Wunder!“, keuchte Gruber. „Eric braucht einen Trauzeugen, und ja, mit dem größten Vergnügen.“
„Abgemacht!“
„Jetzt ist aber Zeit für eine Flasche Wein. Dienst hin oder her“, sagte Gruber und rief nach der Bedienung.
Nachdem sie sich beide schweigend beruhigt angestoßen, den ersten Schluck genommen und die Gläser wieder hingestellt hatten, fragte Gruber: „Wann willst du sie fragen? Warte besser nicht mehr zu lange, das könnte einen falschen Eindruck erwecken. Frauen sind da empfindlich.“
„Eigentlich wollte ich schon ein oder zweimal fragen, aber dann …“
„Dann was?“
„Sie könnte ja auch ablehnen, was soll ich dann machen?“
Gruber lachte laut auf. „Auswandern zum Beispiel.“
Guerin griff nach Grubers