DAS BUCH ANDRAS II. Eberhard Weidner

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DAS BUCH ANDRAS II - Eberhard Weidner DAS BUCH ANDRAS

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steckte sie dann in den Bund meiner Jeans, wo sich das Metall kalt gegen meine Haut presste. Das T-Shirt ließ ich darüber fallen, sodass es die Waffe vor neugierigen Blicken verdeckte, solange ich mich nicht allzu sehr streckte.

      Als ich im Sanatorium erwacht war, war der neue Tag erst eine halbe Stunde alt gewesen. Ich wusste allerdings nicht, wie spät es jetzt war, da ich aufgrund der dramatischen Ereignisse jegliches Zeitgefühl verloren hatte. Auf den schmalen Nebenstraßen, denen ich eher intuitiv als planmäßig folgte, herrschte so gut wie kein Verkehr, und ich war bislang auch keinem einzigen Fußgänger begegnet. Die meisten Häuser waren dunkel, weil die Bewohner schon schliefen. Nur vereinzelt war ein Fenster erleuchtet, weil jemand las, Fernsehen schaute oder möglicherweise auch nur bei Licht eingeschlafen war.

      Jeden Moment, so fürchtete ich, konnte eines der beiden dunklen Fahrzeuge, die ich vor dem Sanatoriumgelände gesehen hatte, hinter mir auftauchen. Ich sah mich ständig nervös um, doch ich konnte keinen meiner Verfolger entdecken. An jeder Kreuzung oder Einmündung bog ich vollkommen willkürlich nach rechts oder links ab, sodass ich zuletzt selbst nicht mehr den Weg zurück gefunden hätte.

      Durch die ständigen Richtungswechsel wollte ich die Zahl meiner möglichen Fluchtwege dermaßen erhöhen, dass sie die Zahl meiner Verfolger deutlich überstieg. Dadurch wären sie gar nicht in der Lage, jede einzelne Route zu überprüfen. So hoffte ich, ihnen letztendlich entkommen zu können. Und wenn sie unter Umständen genauso orientierungslos waren wie ich, dann würde mir das unter Umständen sogar gelingen.

      Als ich mich schließlich wieder etwas sicherer zu fühlen begann, weil ich sowohl eine ausreichend große Distanz zwischen mich und das Sanatorium gebracht hatte, als auch genügend Zeit verstrichen war, ohne dass mich die Attentäter erwischt hatten, verlangsamte ich meine Geschwindigkeit deutlich und marschierte in normalem Schritttempo weiter. Dabei sah ich mich aber immer noch ständig um, ob nicht doch noch ein dunkles Fahrzeug oder ein schwarz gekleideter Fußgänger aus der Dunkelheit hinter mir auftauchte.

      Nachdem es allmählich ganz so aussah, als wäre ich den Männern tatsächlich entkommen, machte ich mir Gedanken darüber, was ich jetzt tun sollte. Ich hatte kein Geld bei mir und kannte mich hier nicht aus. Aber selbst wenn ich den Weg gewusst hätte, hätte ich mich keineswegs schon jetzt zurück ins Sanatorium getraut. Zu groß war meine Angst, dort oder auf dem Weg dorthin den Männern zu begegnen, die mich aus einem mir unerfindlichen Grund unbedingt tot sehen wollten. Ich wusste auch nicht, wo Direktor Engel wohnte oder wie ich ihn erreichen konnte. Die Telefonnummer, die Gabriel auf seinem Mobiltelefon gespeichert hatte, hatte ich mir nämlich nicht gemerkt. Es hatte also ganz den Anschein, als wäre ich für den Augenblick zwar mit dem Leben davongekommen, nun aber allein und auf mich gestellt.

      Da erinnerte ich mich an den Zettel mit Michaels Telefonnummer, der noch immer in der Gesäßtasche meiner Jeans steckte. Zum Glück hatte ich mich angezogen, bevor ich mich vor einer gefühlten halben Ewigkeit auf den Weg gemacht hatte, um nachzusehen, was der abgewürgte Schrei zu bedeuten hatte. Und das nicht nur, weil ich deswegen Michaels Nummer bei mir hatte, denn andernfalls müsste ich jetzt zu allem Verdruss auch noch im Nachthemd durch die Gegend marschieren.

      Ich holte den Papierfetzen aus der Tasche. Dann entfaltete und glättete ich ihn sorgfältig mit den Fingern, bevor ich im Licht einer Straßenlaterne versuchte, die Nummer zu lesen. Anschließend drehte ich mich einmal um die eigene Achse und sah mich dabei aufmerksam in meiner augenblicklichen Umgebung um. Eine Telefonzelle, von denen es ohnehin nur noch wenige gab, war nirgendwo in Sicht. Allerdings hatte ich auch nicht das dafür nötige Kleingeld oder eine Telefonkarte einstecken. Ich erinnerte mich an die Möglichkeit eines R-Gesprächs, bei dem der Angerufene die Kosten des Gesprächs übernehmen konnte, wusste allerdings die entsprechenden Nummern nicht, die man dafür wählen musste. Aber selbst wenn ich die Nummer gekannt hätte, würde mir das nur etwas nützen, wenn ich einen öffentlichen Fernsprecher fand, der natürlich – Murphys Gesetz folgend – genau dann nicht in der Nähe war, wenn man ihn am dringendsten benötigte.

      Ich ging weiter und beschloss, auf das Anbrechen des neuen Tages zu warten, am besten auf einer Bank oder etwas Ähnlichem, wo sich mir die Möglichkeit bot, meine müden Beine auszustrecken und ihnen eine dringend benötigte Pause zu gönnen. Sobald es hell geworden war, musste es wieder gefahrlos möglich sein, ins Sanatorium zurückzukehren, da die Eindringlinge spätestens dann sicherlich das Weite gesucht hatten, wenn sie nicht schon längst weg waren, weil sich ihr Zielobjekt auch nicht mehr dort befand. Zu einer zivilisierteren Uhrzeit dürften auch mehr Menschen auf den Straßen unterwegs sein, die ich dann nach dem Weg fragen konnte.

      Plötzlich kam direkt vor mir eine dunkle Gestalt um die nächste Hausecke. Ich blieb abrupt stehen und wich erschrocken zwei Schritte zurück, befürchtete ich doch im ersten Moment, es könnte sich um einen meiner Verfolger handeln, dem es gelungen war, mich aufzuspüren. Doch der junge Mann, dem ich mich gegenübersah, war keiner der nächtlichen Angreifer. Er schien über mein unvermutetes Erscheinen mindestens ebenso erschrocken zu sein wie ich, denn allem Anschein nach hatte er um diese Uhrzeit nicht mit einem weiteren nächtlichen Spaziergänger gerechnet. Er trug auch keine schwarzen Geheimkommando-Klamotten, sondern eine ausgewaschene und schlabberige hellblaue Jeans und ein rotes T-Shirt mit einem Aufdruck, den ich nicht genau erkennen konnte.

      Der Mann hob beide Hände, sodass ich seine leeren Handflächen sehen konnte, und zeigte mir damit, dass er nichts Böses im Sinn hatte. In einem möglichst beruhigend klingenden Tonfall sagte er: »Keine Angst, ich will Ihnen nichts tun. Ich bin auch nur auf dem Weg nach Hause.«

      Ich nickte zum Zeichen, dass ich verstanden hatte und ebenfalls nicht vorhatte, ihm etwas anzutun. Schon wollte ich meinen Weg fortsetzen und an ihm vorbeigehen, als mich die Gegenwart des Mannes auf eine Idee brachte.

      »Haben Sie zufällig ein Handy dabei?«

      Er hatte bereits den ersten Schritt in meine Richtung gemacht, um seinen Heimweg fortzusetzen, doch nachdem ich ihn so unerwartet angesprochen hatte, blieb er jäh wieder stehen und nickte zögerlich. »Ja, natürlich. Warum fragen Sie?« Er konnte das plötzlich in ihm erwachte Misstrauen nicht ganz verbergen, als er mich mit schief gelegtem Kopf und leicht zusammengekniffenen Augen ansah.

      »Dürfte ich mit Ihrem Handy einen kurzen Anruf machen? Ich verspreche Ihnen auch, dass es nicht lange dauern wird und wirklich nur ein Ortsgespräch ist. Ich möchte einen Bekannten anrufen, damit er mich abholt. Ich bin nämlich fremd hier und kenne mich überhaupt nicht aus.«

      Er benötigte nur einen Moment, um über meine Bitte nachzudenken. Meine Erklärung schien ihn von der Harmlosigkeit meiner Bitte überzeugt zu haben, denn in der kurzen Zeitspanne wurde die misstrauische Miene durch einen verständnisvolleren Gesichtsausdruck ersetzt. Schließlich nickte er erneut zum Zeichen seines Einverständnisses. »Na gut.« Er holte ein Smartphone aus der linken Hosentasche seiner weiten Jeans. »Ich wähle für Sie. Wie ist denn die Nummer?«

      Vielleicht traute er mir doch nicht so ganz, was meine Behauptung anging, dass ich nur ein Ortsgespräch führen wollte, und wollte sich auf diese Weise davon überzeugen, dass ich die Wahrheit gesagt hatte. Ich nahm es ihm unter den gegebenen Umständen allerdings nicht übel. Außerdem war es mir egal, wer von uns die Nummer wählte, solange ich nur mit Michael sprechen konnte.

      Ich hob den Zettel, den Michael mir gegeben hatte und den ich noch immer in der Hand hielt, und las ihm die Nummer vor. Die Zahlen waren an diesem Ort zwar nur schlecht zu erkennen, da wir nicht in unmittelbarer Nähe einer Straßenlaterne standen, aber ich kannte die Nummer ja schon, weil ich sie erst vor wenigen Augenblicken gelesen hatte, was mir nun das Entziffern erleichterte.

      Der junge Mann wählte mit einem hoch konzentrierten Ausdruck auf dem Gesicht und reichte mir anschließend das Gerät.

      Ich hob es ans Ohr und hörte es am anderen Ende der Leitung mehrmals klingeln.

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