DAS BUCH ANDRAS II. Eberhard Weidner

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DAS BUCH ANDRAS II - Eberhard Weidner DAS BUCH ANDRAS

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vergraben und schaukelten auf den Fußsohlen vor und zurück. Andere wiederum hielten sich die Ohren zu und schrien selbst laut und gellend in dem von vornherein zum Scheitern verurteilten Versuch, den Kampflärm zu übertönen, der sie so beunruhigte. Natürlich trugen sie so erst recht wesentlich dazu bei, die bereits herrschende Kakophonie noch zu verstärken. Einige Patienten verhielten sich aber auch, als wäre alles ganz normal. Sie erschienen absolut teilnahmslos, lebten in ihrer eigenen Welt, zu der kein anderer Zugang hatte, und marschierten durch den Gang, als würden in ihrer unmittelbaren Nähe momentan nicht die Fetzen fliegen, sondern als nähme ihre Umwelt seinen normalen und geregelten Lauf.

      Ich war der Meinung, nun mehr als genug gesehen zu haben, und riss meinen Blick von den vielfältigen und für einen Psychologen oder Verhaltensforscher wahrscheinlich faszinierenden Aspekten des Geschehens los. Im Augenblick waren alle übrigen auf der Station anwesenden Personen mit anderen Dingen beschäftigt, und niemand achtete auf mich. Daher schien nun der günstigste Zeitpunkt gekommen zu sein, mein Versteck im Putzraum zu verlassen und zum Ausgang zu rennen. Das Kampfgeschehen drohte sich nun rasch zugunsten der wesentlich kampferprobteren Eindringlinge und zuungunsten der Patienten zu entwickeln. Nur allzu bald würden die Leute, die gekommen waren, um mich zu töten, wieder Gelegenheit haben, durchzuschnaufen und verstärkt auf ihre Umgebung zu achten. Wenn ich dann noch immer hier war, hatte ich im wahrsten Sinne des Wortes meinen Einsatz verpennt.

      Also rannte ich auf den Flur und zur Treppenhaustür. Ich öffnete sie weit genug und trat hindurch, hielt sie dann jedoch mit meinem Körper weiterhin offen. Jetzt musste ich eigentlich nur noch loslaufen, während die Tür hinter mir zufiel, und die Stufen nach unten rennen. Aber zuvor hatte ich noch etwas Wichtiges zu erledigen.

      Ich sah zurück zu van Helsing, Klapp und all den anderen, deren Namen ich nicht kannte. Mit Daumen und Zeigefinger meiner linken Hand formte ich einen Ring und steckte ihn in den Mund. Der Pfiff, den ich ausstieß, war so laut und schrill, dass er die infernalische Geräuschkulisse mühelos übertönte. Ich hatte vorher gar nicht gewusst, ob ich dazu überhaupt in der Lage war, bis ich es einfach ausprobiert hatte.

      Urplötzlich, als wäre mein Pfiff ein allgemein anerkanntes Mittel zur Eindämmung von Kampfhandlungen, kam jede Bewegung im Gang zum Erliegen und verstummte sogar das leiseste Geräusch. In der anschließenden, unnatürlich wirkenden Stille richteten sich die Augen nahezu aller Anwesenden – natürlich mit Ausnahme derjenigen, die in ihrem eigenen kleinen Sonnensystem lebten – auf den Ursprungsort des schrillen Geräusches und damit zwangsläufig, wie ich es geplant hatte, auf mich.

      Die meisten Patienten starrten nur verständnislos oder mit einem absolut leeren Ausdruck zu mir herüber, da sie nicht begriffen, worum es ging. Aber es gab mindestens sechs Augenpaare, in denen von diesem Moment an langsam und zunehmend das Begreifen dämmerte.

      »Hört mal her, ihr Idioten!«, rief ich und meinte damit nicht die Insassen des Sanatoriums. »Wenn ihr mich haben wollt, dann müsst ihr mich erst mal kriegen.« Anschließend lachte ich laut und selbst in meinen Ohren ziemlich unecht, um die Eindringlinge noch ein bisschen mehr zu reizen.

      Insgeheim betete ich währenddessen, dass mein Plan auch tatsächlich so funktionierte, wie ich es mir ausgerechnet hatte. Der Sinn dieser schwachsinnigen Aktion war nämlich keineswegs reiner Übermut oder Dummheit, wie manch einer beim Lesen dieser Zeilen annehmen könnte. Vielmehr wollte ich damit in erster Linie erreichen, dass die Attentäter mir nachsetzten und die Patienten in Ruhe ließen, sobald sie erst einmal realisierten, dass es mir gelungen war, aus der Station zu entkommen. Deswegen konnte ich mich nicht einfach still und heimlich davonstehlen, sondern musste meinen Abhang effektvoller und publikumswirksamer inszenieren. Ich hoffte allerdings, dass tatsächlich alle Eindringlinge auf Klapps Hilferuf reagiert hatten und auf meinem Weg nach draußen nicht noch weitere Männer lauerten, die im nächsten Moment von dem noch reichlich konsterniert aus der Wäsche guckenden Klapp und seinen ebenso überrumpelten Kumpanen alarmiert werden würden.

      Während sich der Lärm im nächsten Augenblick wie frisch entfesselt erhob, als wollte er das nach meinem schrillen Pfiff entstandene akustische Vakuum wieder so schnell wie möglich füllen, huschte ich bereits ins Treppenhaus und ließ die Tür los, die sich aufreizend langsam hinter mir schloss. Eilig lief ich die Stufen nach unten. Ich durfte keine einzige weitere Sekunde verlieren, denn die ersten Angreifer hatten sich bestimmt schon von ihrer Überraschung erholt und waren mir sicherlich bereits auf den Fersen.

      Kapitel 5

      Ich hatte Glück, denn mir stellte sich kein weiterer Eindringling in den Weg, als ich die Treppenstufen nach unten rannte. Als ich die ebenfalls unverschlossene Tür vom Treppenhaus zur Lobby passierte, konnte ich hören, dass die ersten Verfolger oben ins Treppenhaus stürmten.

      So schnell wie möglich eilte ich durch den Empfangsbereich, in dem wie auch auf der Station und im Treppenhaus nur eine Notbeleuchtung brannte. Ich hatte keine Ahnung, was mit der Pflegekraft passiert war, die nachts die Lobby besetzt hielt, hoffte aber, dass sie wie die Nachtschwester unserer Station allenfalls gefesselt und geknebelt worden und ihr nichts Schlimmes widerfahren war. Ich hatte aber nicht die Zeit, einen raschen Blick hinter den Empfangstresen zu werfen und nachzusehen, denn die Verfolger waren mir bereits dichter auf den Fersen, als mir aufgrund ihrer weitreichenden Schusswaffen lieb sein konnte.

      Ich stieß einen Flügel der gläsernen Eingangstür auf und rannte nach draußen in die Nacht, die von der schmalen Sichel des Mondes nur mäßig erhellt wurde. Am Ende der Zufahrt, die durch den parkähnlichen Erholungsbereich führte, konnte ich im Licht der Straßenbeleuchtung die Umgrenzungsmauer, die Schranke und das hohe, schmiedeeiserne Tor erkennen. Ein Flügel stand ein Stück offen und zeigte mir, wie und wo die Männer auf das Gelände gelangt waren.

      Zum Glück erwartete mich auch im Freien niemand. Anscheinend hatten alle Eindringlinge auf den Hilferuf ihres jungen Kollegen reagiert und waren nach oben gerannt, um ihm zu helfen. Wenigstens ein Aspekt, der in dieser Nacht zu meinen Gunsten ausging, denn als ich die Eingangstür durchschritten hatte, hatte ich insgeheim damit gerechnet, wieder mitten in eine neue, noch ausweglosere Gefahrensituation zu schlittern.

      Ich nahm mir aber nicht die Zeit, mir ob des Erfolgs des ersten Teils meiner Flucht auf die Schulter zu klopfen und die schöne Aussicht zu genießen, sondern rannte sofort los, weil ich bereits den sprichwörtlichen Atem meiner Verfolger im Nacken zu spüren glaubte. Ich lief über den Kies, der nur wenige Meter vom Haupteingang des Sanatoriums entfernt eine kreisförmige Fläche bildete, und dann den Weg entlang, der ohne Umwege zum Tor führte.

      Kurz bevor ich den offen stehenden Torflügel erreichte, warf ich über die Schulter einen Blick zum Sanatoriumgebäude. In exakt diesem Moment öffnete sich die Eingangstür, und mehrere dunkle Silhouetten ergossen sich ins Freie. Sie orientierten sich rasch und rannten dann, nachdem sie mich entdeckt hatten – eine der Gestalten deutete mit der erhobenen Hand in meine Richtung und rief etwas Unverständliches –, hinter mir her.

      Ich machte mir nicht die Mühe, die genaue Zahl meiner Verfolger festzustellen, sondern rannte durchs Tor auf die Straße. Unmittelbar neben dem Tor parkten am Straßenrand zwei dunkle Mercedes-Limousinen. Beide Fahrzeuge waren jedoch zu meiner Erleichterung verlassen.

      Ich entschied mich aufs Geratewohl für die linke Seite und lief neben der Mauer entlang, die mich nicht nur vor den Blicken, sondern auch vor den Schusswaffen meiner Feinde abschirmte. Ich erreichte das Ende der Mauer an der Stelle, an der das Sanatoriumgrundstück aufhörte, und bog kurz darauf an der ersten Querstraße erneut nach links ab.

      Während ich durch die nächtlichen Straßen rannte, fiel mir auf, dass ich noch immer die Pistole in der Hand hielt. Ich umklammerte den Griff der Waffe so fest, dass die Knöchel meiner verkrampften Finger ganz weiß waren. Gut, dass mir bisher niemand begegnet war, denn er hätte wohl den Schreck seines Lebens bekommen. Da keine unmittelbare Gefahr bestand und

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