DAS BUCH ANDRAS II. Eberhard Weidner

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DAS BUCH ANDRAS II - Eberhard Weidner DAS BUCH ANDRAS

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rasch um die Ecke zu bringen. Und sie sollten sich auch keine Gedanken darüber machen müssen, wie sie ihren Zwillingsbruder aus den Händen finsterer Dämonenanbeter befreien konnten. Frauen in meinem Alter sollten sich stattdessen allenfalls den Kopf darüber zerbrechen, was sie zu ihrem nächsten Date anziehen und wie sie den gut aussehenden Kerl, auf den sie ein Auge geworfen hatten, an Land ziehen konnten, bevor eine andere ihnen zuvorkam.

      Apropos gut aussehender Kerl! Ich öffnete die Augen wieder und sah Michael an, der mir an unserem Tisch unmittelbar gegenübersaß, ebenfalls in Gedanken versunken zu sein schien und gelegentlich an seinem Milchkaffee nippte.

      Ich entließ die tröstende Leere, mit der ich meinen Verstand in dem verzweifelten Bemühen gefüllt hatte, alle bedrückenden Gedanken über meine gegenwärtige verzweifelte Situation für den Augenblick zu verdrängen, schluckte den mittlerweile geschmacklos gewordenen Rest des Milchschaums hinunter und richtete meine ganze Konzentration wieder auf das Hier und Heute, statt mich irgendwelchen albernen Träumereien vom sogenannten »normalen Leben« hinzugeben, das vermutlich ohnehin nur eine Illusion war. Schließlich wurden meine Probleme nicht dadurch gelöst, dass ich krampfhaft versuchte, die Realität zu verleugnen. Sie ließen sich auch nicht durch Wunschträume vertreiben oder zum Besseren verändern, sondern lauerten selbst dann noch hartnäckig hinter der nächsten Ecke auf mich.

      Michaels gedankenverlorener Blick war in die Kaffeetasse gerichtet, die er zwischen seinen Händen hielt, als wollte er sich daran aufwärmen, doch ich bezweifelte, dass er deren Inhalt tatsächlich wahrnahm. Seine ganze Aufmerksamkeit war viel eher auf die Gedanken und Bilder fixiert, die gerade in seinem Kopf abliefen. So hatte ich zumindest die Gelegenheit, ihn ein paar Augenblicke ungeniert zu beobachten.

      Er machte noch immer einen ebenso übermüdeten Eindruck wie in dem Moment, als ich zu ihm ins Auto gestiegen war. Ich hatte etwa fünfundzwanzig Minuten warten müssen, bis ein Wagen aufgetaucht war und zielsicher an der Stelle gehalten hatte, die ich Michael zuvor mit der Hilfe des jungen Mannes am Telefon beschrieben hatte. Allerdings war ich zu vorsichtig und vor allem zu verängstigt, um sofort aus meinem Versteck zu kommen. Erst als Michael ausstieg, sich neben das leise im Leerlauf brummende Fahrzeug stellte und suchend umsah, fiel mir eine riesige Last von den Schultern und gleichzeitig ein Teil der Anspannung von mir ab. Ich lief zu seinem Wagen, einem unauffälligen, silbermetallicfarbenen Golf 7, in den wir nach einer knappen Begrüßung rasch einstiegen.

      Doch bevor wir losfuhren, zog ich Gehrmanns Pistole aus dem Hosenbund, da sie sich im Sitzen in meinen Unterleib bohrte, und das war alles andere als bequem. Michael beäugte die Waffe sichtlich überrascht, sagte jedoch nichts, sondern nahm sie mit spitzen Fingern entgegen. Anschließend wischte er sie mit einem Lappen, den er aus einem Fach der Fahrertür geholt hatte, und raschen, geübt erscheinenden Bewegungen sorgfältig ab. Vermutlich wollte er dadurch unsere Fingerabdrücke entfernen. Anschließend ließ er die Pistole im Handschuhfach verschwinden. Erst nachdem er all das erledigt hatte, fuhr er zu meiner Erleichterung los.

      Bis auf den knappen Gruß hatten wir bis zu diesem Zeitpunkt kein Wort gewechselt. Erst dann, während der Fahrt durch die nächtlichen Straßen, erzählte ich ihm in geraffter Form, aber gleichzeitig möglichst detailliert, was die wesentlichen Merkmale der Geschehnisse anging, alles, was ich in den letzten teilweise hochdramatischen Stunden erlebt hatte. Zu meiner eigenen Überraschung konnte ich mich auf Michaels entsprechende Frage nach kurzem Nachdenken sogar an das Kennzeichen des vorderen der beiden Fahrzeuge vor dem Sanatorium erinnern. Michael rief daraufhin mit seinem Handy jemanden an, für den die unchristliche Tageszeit anscheinend keine Rolle spielte. Möglicherweise handelte es sich um einen Kollegen beim LKA, der in dieser Nacht Bereitschaftsdienst hatte. Michael meldete sich mit seinem Namen und seiner Dienstnummer, gab das Kennzeichen durch, das ich ihm genannt hatte, und bat um Überprüfung und Feststellung des Fahrzeughalters.

      Nachdem ich ihm alles berichtet hatte, was in meinen Augen relevant erschien, schlug er vor, dieses Café aufzusuchen, von dem er wusste, dass es die ganze Nacht offen war. Außerdem lag es beruhigend weit vom Sanatorium entfernt. Wir wollten uns nämlich erst einmal möglichst weit vom Sanatorium und damit auch von den Eindringlingen, die vielleicht noch immer nach mir suchten, entfernen und ein paar Stunden verstreichen lassen, bevor Michael mich wieder ins Sanatorium zurückbrachte. Er war ebenfalls der Ansicht, dass die Angreifer längst die Flucht ergriffen hatten, nachdem ich ihnen entkommen war, da sie damit rechnen mussten, dass ich die Polizei alarmierte. Wir kamen dennoch überein, vorerst lieber auf Nummer sicher zu gehen. Und bei der einen oder anderen Tasse Kaffee und vielleicht auch einem Happen zu essen würde uns die Zeit vermutlich nicht allzu lang werden. Immerhin gab es das eine oder andere wichtige Thema, über das wir uns unterhalten konnten. Dass ich mich in Michaels Gegenwart ausgesprochen wohl und sicher aufgehoben fühlte, spielte bei meinen Überlegungen bestimmt auch eine Rolle, aber beileibe nicht die entscheidende.

      Nachdem wir unser weiteres Vorgehen abgesprochen hatten, erzählte mir Michael, wie er die Stunden vor meinem Anruf verbracht hatte, während er den Wagen durch die nächtlichen Straßen Münchens zu unserem Ziel lenkte. Er hatte den Rest des gestrigen Tages bis spät in die Nacht damit zugebracht, für seine Vorgesetzten beim Landeskriminalamt einen möglichst detaillierten Bericht über seine letzten Undercover-Tätigkeiten, die Umstände und Gründe meiner Befreiung und die daran anschließende Flucht und Verfolgungsjagd durch den Wald verfassen müssen. Sein unmittelbarer Vorgesetzter im Dezernat Operative Spezialeinheiten, Bereich Verdeckte Ermittlungen, hatte ihn wegen des Auffliegens seiner Tarnung zwar nicht unbedingt die Hölle heiß gemacht, aber so richtig glücklich war beim LKA auch niemand darüber gewesen. Vor allem die Tatsache, dass die Satanisten im Anschluss untergetaucht und seitdem spurlos verschwunden waren, ließ die Ermittler nicht gerade gut aussehen und beunruhigte sie auch ein wenig. Dennoch war Michael glimpflich und vor allem ohne disziplinarische Strafmaßnahmen davongekommen. Allerdings war er, bis er den umfassenden Bericht schließlich fertiggestellt hatte, erst spät ins Bett gekommen und nur kurze Zeit später von mir wieder aufgeweckt worden. Insofern war es verständlich, dass er aufgrund des Schlafdefizits noch immer müde war und dementsprechend erschöpft und verdrossen aus der Wäsche guckte. Allerdings war es mir auch nicht viel besser ergangen, und ich hatte darüber hinaus wieder einmal um mein Leben rennen müssen, sodass sich mein Mitleid mit ihm in Grenzen hielt.

      »Haben Sie keinen Hunger?«

      Die Worte rissen mich aus meinen Überlegungen. Ich konzentrierte mich wieder auf das Gesicht meines Gegenübers und sah, dass Michael seine eigenen Gedankengänge abgeschlossen hatte und mich mit fragendem Gesichtsausdruck ansah. Auf der Fahrt hierher hatte ich noch einen äußerst heftigen Anfall von Heißhunger verspürt und das Gefühl gehabt, ich könnte mehrere Gänge eines Menüs gleichzeitig verputzen. Allerdings war diese Anwandlung ebenso rasch wieder verschwunden. Insgeheim führte ich das kurzzeitige und überwältigende Hungergefühl darauf zurück, dass ich erneut nur knapp einer gefährlichen Situation entgangen und gerade noch mit dem Leben davongekommen war. Als Folge überreagierten die Systeme meines Körpers nun wohl ein bisschen und lieferten fehlerhafte Informationen an die Schaltzentrale in meinem Gehirn.

      »Der Cappuccino genügt mir vollkommen!«, gab ich Michael zur Antwort, weil ich auch jetzt keinen Hunger verspürte. Ich leerte die Tasse, bevor der Inhalt noch mehr abkühlte. Danach löffelte ich den Schaum heraus und aß ihn. Während ich damit beschäftigt war, hatte ich plötzlich einen anderen Einfall. Der mit aufgeschäumter Milch gefüllte Kaffeelöffel erstarrte auf dem Weg von der Tasse zu meinem Mund, während ich meinen Blick abrupt wieder auf Michael richtete, der mich die ganze Zeit über schweigend beobachtet haben musste. »Wissen Sie eigentlich, wo Dr. Schwarzer seine Kanzleiräume hat?«

      Michael nickte langsam. Dass ich die Sprache ohne einen für ihn nachvollziehbaren Grund so plötzlich auf Dr. Schwarzers Büro gebracht hatte, überraschte ihn ersichtlich. Er sah mich misstrauisch an. Seine Augen, die er aufgrund der Müdigkeit ohnehin kaum richtig aufbekam, verengten sich noch mehr. »Dr. Schwarzers Kanzlei befindet sich zufälligerweise nicht weit vom Hauptgebäude des LKA entfernt, das in der Maillingerstraße

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