DAS BUCH ANDRAS II. Eberhard Weidner

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу DAS BUCH ANDRAS II - Eberhard Weidner страница 14

DAS BUCH ANDRAS II - Eberhard Weidner DAS BUCH ANDRAS

Скачать книгу

überlegte erst ein paar Sekunden, bevor ich ihm antwortete. Mir war nämlich schon im Voraus bewusst, dass ihn die Bitte, die ich an ihn richten wollte, vermutlich zunächst abschrecken würde. Dennoch war ich verzweifelt genug, das Wagnis einzugehen und zu versuchen, ihn davon zu überzeugen, dass es momentan der einzig gangbare und beste Weg war, um an Informationen zu gelangen. Ich bemühte mich allerdings, meine Worte möglichst sorgfältig und behutsam zu formulieren, weil ich die Befürchtung hegte, er würde mich ansonsten gar nicht ausreden lassen, sondern schon gleich am Anfang abwinken und mich gar nicht zu Ende anhören.

      »Wie Sie sicherlich wissen, war Dr. Schwarzer der Anwalt meiner Adoptiveltern«, begann ich und klärte ihn dann über ein paar Einzelheiten auf, die ich selbst erst wenige Stunden zuvor in der geheimen Bibliothek von Direktor Engel und Karl Augstein erfahren hatte. Ich erzählte ihm, dass ich gar nicht die leibliche Tochter der Dorns, sondern von diesen zusammen mit meinem Zwillingsbruder vor der Beschwörungszeremonie adoptiert worden war, und dass sämtliche Unterlagen über die Adoption bei einem rätselhaften Brand vernichtet worden waren. »Als Hausanwalt der Familie war Dr. Schwarzer mit ziemlicher Sicherheit über die Einzelheiten der Adoption informiert. Vermutlich war er sogar als rechtlicher Vertreter der Dorns persönlich an dem Verfahren beteiligt und bewahrt daher in seinen Kanzleiräumen möglicherweise Unterlagen darüber auf. Dokumente also, die ansonsten, wenn überhaupt, nur unter immensen Schwierigkeiten aufzutreiben sein dürften, für mich, meine unbekannte Vergangenheit und mein weiteres Leben aber von enormer Bedeutung sind. Diese Papiere können mir unter Umständen Auskunft darüber erteilen, wer ich in Wahrheit bin und woher – aus welchem Ort und aus welcher Familie – ich ursprünglich stamme. Sofern sie existieren, muss ich diese Unterlagen unbedingt haben, Michael! Und zu diesem Zweck muss ich irgendwie in Dr. Schwarzers Kanzlei kommen!«

      Während der letzten Sätze war meine Stimme, ohne dass ich es gewollt hatte oder es mir überhaupt bewusst geworden war, beständig lauter geworden und hatte gleichzeitig einen immer verzweifelteren Unterton angenommen. Im Café herrschte um diese Zeit nur wenig Betrieb. Im Hintergrund war leise Musik zu hören. Es war also so ruhig, dass eine der beiden Servicekräfte hinter der Theke durch meine erhobene Stimme aus uns aufmerksam wurde und alarmiert zu uns herübersah. Sie musterte mich misstrauisch, als befürchtete sie, ich wäre betrunken und könnte ihr Arbeit und Ärger verursachen. Ich schenkte ihr ein betont übertriebenes Lächeln, um ihr zu demonstrieren, dass alles in Ordnung war und sie sich gefälligst um ihren eigenen Kram kümmern sollte. Ob mein Blick sie eher beruhigte oder einschüchterte, wusste ich nicht. Allerdings sah sie rasch weg und widmete sich wieder ihrer augenblicklichen Tätigkeit, worin auch immer diese bestand.

      Ich bemühte mich daraufhin, meine Stimme zu dämpfen und einen wesentlich ruhigeren Tonfall anzuschlagen, als ich rasch weitersprach. Ich ahnte, dass ich Michael noch nicht davon überzeugt hatte, dass mein Vorhaben sowohl gut als auch richtig war, und wollte ihm keine Zeit lassen, in Ruhe darüber nachzudenken und möglicherweise die unzähligen Haare in der Suppe zu finden. »Vielleicht entdecken wir in der Kanzlei auch Unterlagen über den Ort, an dem mein Zwillingsbruder sich momentan aufhält. Dr. Schwarzer und seine Gruppe müssen ihn irgendwo gefangen halten. Er ist möglicherweise schwer verletzt und braucht dringend ärztliche Hilfe. Unter Umständen können wir also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und auf diese Weise auch seinen Aufenthaltsort herausfinden. Denn wir müssen ihn unbedingt aus den Klauen dieser sogenannten Satanisten befreien, da diese Leute nicht zögern werden, ihn bedenkenlos für ihre wahnwitzigen Zwecke zu opfern.«

      Anstatt erneut beständig lauter zu werden, war meine Stimme am Ende meines Vortrags zu einem Flüstern geworden, bevor sie schließlich ganz verstummte. Ich forschte in Michaels Gesicht nach einem Anhaltspunkt dafür, was in diesem Augenblick in seinem Kopf vorging. Doch er sah mich noch immer völlig ausdruckslos an, und seiner Miene war nicht zu entnehmen, was er von meinem Ansinnen hielt. Hätten wir Poker gespielt, hätte ich gegen ihn wohl im wahrsten Sinne des Wortes schlechte Karten gehabt.

      Verzweifelt suchte ich in meinem Verstand nach weiteren Argumenten, mit denen ich ihn überzeugen konnte, doch ich hatte bereits alle angeführt, die mir in meiner augenblicklichen Erregung eingefallen waren. Würde ich jetzt fortfahren, so würde ich mich nur wiederholen und womöglich sogar zu stottern anfangen. Das wollte ich nach Möglichkeit vermeiden, weshalb ich es für ratsam hielt, vorerst lieber die Klappe zu halten und gar nichts zu sagen, auch wenn es mir schwerfiel.

      Auch Michael schwieg, ließ sich meine Worte augenscheinlich noch einmal gründlich durch den Kopf gehen und sah mich solang mit einem Gesichtsausdruck an, aus dem nicht das Geringste zu lesen war, dass ich beinahe die Geduld verlor und trotz meines Vorsatzes, ruhig und abgeklärt zu wirken, aus der Haut fahren wollte. Mir wäre es sogar egal gewesen, was die Bedienung hinter der Theke von mir gehalten hätte, wenn ich erneut laut geworden wäre. Doch bevor das geschehen konnte, erkannte ich, dass die Ausdruckslosigkeit in seinen Augen nicht bedeutete, dass ihn meine Worte nicht erreicht hatten, sondern nur den Kampf verbergen sollte, der sich in diesen Sekunden in seinem Innersten abspielte.

      Ich wusste nicht, ob es schon immer Michaels Charakter entsprochen hatte, seine Gefühle so geschickt zu verstecken, oder ob dies eine Folge seiner Tätigkeit als Undercover-Ermittler des LKA war. Auf jeden Fall hätte er mit dieser Fähigkeit genauso gut Profi-Pokerspieler und rasch sehr reich werden können.

      Als Michael endlich das Wort ergriff und meiner ungeduldigen Warterei damit ein Ende bereitete, machte er äußerlich weiterhin einen vollkommen gelassenen Eindruck: »Sie wissen schon, dass Sie mich gerade dazu anstiften wollen, eine ganze Reihe von Straftaten zu begehen, Sandra?«

      Ich nickte nur und schluckte beklommen, denn dieser Ansatz klang nicht sehr vielversprechend.

      »Und dann auch noch ausgerechnet ein Einbruch in eine Anwaltskanzlei«, fuhr Michael ebenso ruhig fort und schüttelte über die schiere Ungeheuerlichkeit meiner Bitte den Kopf. »Sie wissen natürlich schon noch, dass ich Polizeibeamter bin?« Es war natürlich nur eine rhetorische Frage, und so ersparte ich mir jede Antwort darauf. »Ich kann nicht einfach irgendwo einbrechen, wenn mir danach ist. Wahrscheinlich haben Sie zu viele schlechte Filme gesehen, in denen Polizisten ständig in fremde Häuser und Wohnungen einbrechen. Aber in der Realität gelten die Gesetze auch für uns. Sogar und gerade für Beamte, die verdeckt ermitteln. Noch dazu wären alle Beweise, die wir dort finden – falls es sie überhaupt gibt –, vor Gericht überhaupt nicht verwertbar, weil sie auf illegale Weise beschafft …«

      »Es geht hier doch nicht um Beweise für ein Gerichtsverfahren«, unterbrach ich ihn wesentlich erregter und lauter, als ich geplant hatte. Ich warf einen raschen Blick auf die Servicekraft, die erneut hinter einer monströsen Kaffeemaschine hervorlugte. Als sie meinen Blick auf sich gerichtet sah, zog sie aber so schnell und gekonnt wie eine Schildkröte den Kopf wieder ein. Ein weiteres Mal bemühte ich mich, meine Stimme zu dämpfen, als ich einen letzten Versuch unternahm, doch noch zu retten, was scheinbar gar nicht mehr zu retten war. »Es geht nicht um irgendwelche Beweise«, wiederholte ich leise, »es geht hier um mich.« Beim letzten Wort legte ich beide Handflächen auf meine Brust, auch wenn es vermutlich etwas melodramatisch aussah, und sah meinen Gesprächspartner eindringlich und bittend zugleich an. »Verstehen Sie denn nicht, Michael? Wenn es in Dr. Schwarzers Büro irgendwelche Unterlagen über mich gibt, dann muss ich sie haben. Es zerreißt mich nämlich jedes Mal innerlich, wenn mir wieder einmal bewusst wird, dass ich nicht die geringste Ahnung habe, wer ich bin und woher ich komme. Die Dorns und Dr. Schwarzer mit seinem verfluchten Satanisten-Verein haben mir meine Vergangenheit gestohlen. Und ich will sie – verdammt noch mal – endlich wiederhaben, damit diese schreckliche Leere in mir wieder mit Erinnerungen an mein Leben gefüllt werden kann …«

      Ich verstummte, weil mir die Stimme versagte. Tränen liefen mir warm und feucht über das Gesicht. Ich vergrub es in beiden Händen und schluchzte unterdrückt.

      Als Nächstes spürte ich seine Hand, die in einer eher unbeholfenen als tröstenden Geste, aber dennoch sehr zärtlich über mein Haar strich.

      »Nun

Скачать книгу