DAS BUCH ANDRAS II. Eberhard Weidner

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DAS BUCH ANDRAS II - Eberhard Weidner DAS BUCH ANDRAS

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unter einem Stapel Klamotten lag, die er gestern getragen und vor dem Zubettgehen achtlos auf den Fußboden geworfen hatte. Schlief er möglicherweise sogar nackt und lief nun so, wie Gott ihn erschaffen hatte, durch sein Schlafzimmer?

      Der junge Mann, dem das Handy gehörte, hatte sich zwei, drei Schritte zurückgezogen, um mir für das Gespräch ein wenig Privatsphäre zu gönnen, war aber noch immer nah genug, um mich rasch ergreifen zu können, falls ich doch keine harmlose nächtliche Spaziergängerin war, sondern mich in Wahrheit als gemeingefährliche Handyräuberin entpuppen sollte. Ich hätte gern sein Gesicht gesehen, wenn er erfahren hätte, dass ich wie ein fünftklassiger amerikanischer Kinogangster eine geladene Pistole mit Schalldämpfer im Hosenbund stecken hatte. Doch da ich meinen Helfer in der Not nicht erschrecken wollte und außerdem gerade der denkbar schlechteste Moment für derartigen Blödsinn war, ließ ich die Waffe an Ort und Stelle stecken.

      Ich warf dem jungen Mann einen entschuldigenden Blick zu und drehte mich weg, sodass ich seinen ungeduldigen Blick nicht länger erwidern musste und mich ungestörter fühlte.

      Woher willst du überhaupt wissen, dass Michael tatsächlich allein in seinem Bett schläft, dachte ich und führte damit unwillkürlich meinen zuvor begonnenen Gedankengang über seine Schlafgewohnheiten fort. Dabei handelt es sich doch nur um reines Wunschdenken! Missmutig musste ich meiner besserwisserischen inneren Stimme recht geben. Eigentlich wusste ich so gut wie nichts über Michaels Privatleben. Allerdings war ich wegen der Art und Gefährlichkeit seiner Arbeit stillschweigend davon ausgegangen, dass er keine Frau hatte, die zu Hause auf ihn wartete, während er unter falschem Namen Satanistengruppen infiltrierte. Aber vielleicht war er unter seiner wahren Identität glücklich verheiratet und hatte zwölf Kinder.

      Bevor ich diesen ernüchternden Gedanken in selbstquälerischer Weise weiterverfolgen konnte, ging am anderen Ende der Leitung endlich jemand an den Apparat, sodass die Verbindung doch noch zustande kam.

      Michaels Stimme war für mich sogar über die Telefonverbindung unverkennbar, klang aber relativ verschlafen und undeutlich. Er gähnte laut, nachdem er sich durch die Nennung seines Nachnamens zu erkennen gegeben hatte.

      »Hallo, Michael. Ich bin’s, Sandra … Sandra Dorn.« Ich glaubte zwar nicht, dass es allzu viele Sandras gab, die er kannte und die ihn mitten in der Nacht anrufen würden, hatte mich aber nach kurzem Zögern dazu entschlossen, meinen vollen Namen anzugeben, um Missverständnisse oder Nachfragen à la »Sandra wer?« zu vermeiden. »Können Sie kommen und mich abholen?«

      Ich ersparte es mir, ihn ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass er mir freiwillig seine Nummer gegeben und gesagt hatte, ich sollte ihn anrufen, wenn ich wieder mal seine Hilfe benötigte. Wer so etwas tat, musste schließlich damit rechnen, dass der andere davon Gebrauch machte, auch wenn Michael dabei unter Umständen an eine etwas angenehmere Uhrzeit gedacht hatte. Aber was konnte ich dafür, dass ich mitten in der Nacht seine Hilfe benötigte?

      Trotz der Tatsache, dass ich ihn soeben aufgeweckt hatte, war Michael so freundlich, nicht auf die Tageszeit hinzuweisen, sondern kam erfreulicherweise sofort zur Sache: »Was ist passiert?«

      »Das lässt sich nicht in zwei Sätzen erklären. Ich sag’s Ihnen, sobald Sie mich abgeholt haben.«

      »Gut! Wo sind Sie? Im Sanatorium?«

      »Nein, nicht im Sanatorium. Einen Augenblick, bitte.«

      Da ich selbst keinen blassen Schimmer hatte, wo ich mich befand, fragte ich meinen freundlichen Helfer, der mittlerweile von einem Fuß auf den anderen trat, als müsste er dringend auf die Toilette. Wahrscheinlich bereute er seine Freundlichkeit schon längst und wartete ungeduldig darauf, dass ich das Gespräch wie versprochen kurz hielt und rasch beendete, damit er endlich gehen konnte. Dennoch gab er mir ohne Umschweife die benötigten Auskünfte, die ich wortwörtlich an Michael weiterleitete. Was sich der junge Mann allerdings dabei dachte, dass ich, auch wenn ich hier fremd war, absolut keine Ahnung hatte, wo ich mich befand, wusste ich nicht. Seine hochgezogenen Augenbrauen und sein verwirrter Gesichtsausdruck ließen zumindest darauf schließen, dass er sich Gedanken darüber machte, auch wenn diese allem Anschein nach in keine bestimmte Richtung führten.

      »Wer befindet sich bei Ihnen?«, fragte Michael, und der Tonfall seiner Stimme klang nicht länger verschlafen, sondern ausgesprochen aufgeweckt und vor allem misstrauisch.

      »Ein freundlicher Mensch, der mir sein Handy geliehen hat. Alles Weitere erzähle ich Ihnen später.« Bevor er noch andere in meinen Augen überflüssige Fragen stellen konnte, trennte ich die Verbindung kurzerhand durch einen entschlossenen Knopfdruck. Dann gab ich dem jungen Mann das Mobiltelefon zurück, damit er endlich nach Hause und aufs Klo gehen konnte.

      »Danke. Möglicherweise haben Sie mir damit das Leben gerettet!«

      Wahrscheinlich hielt er meine Worte für einen Scherz oder eine bloße Redewendung, denn er winkte ab und lächelte nun wieder, allem Anschein nach erleichtert, dass er endlich gehen konnte. »Keine Ursache, jederzeit wieder.« Er steckte das Handy in die Tasche, hob lässig die Hand zum Abschied und marschierte dann an mir vorbei und zielstrebig davon.

      Ich konnte ihm nicht verdenken, dass er meine Äußerung nicht ernst genommen hatte. Mir wäre es an seiner Stelle vermutlich nicht anders ergangen. Mir war jedoch klar, dass es sich dabei durchaus um die Wahrheit handeln konnte. Unter Umständen waren Klapp und seine Kollegen nämlich noch immer auf den Straßen unterwegs und auf der Suche nach mir, auch wenn ich dafür bislang zum Glück keine Anzeichen entdeckt hatte. Aber sobald ich sie zu Gesicht bekäme, wäre es vermutlich ohnehin zu spät. Und falls die Entfernung zu dem Attentäter, der mich entdeckt hatte, groß genug wäre, würde ich ihn möglicherweise nicht einmal sehen oder auch nur das Geräusch der schallgedämpften Waffe hören, bevor die Kugel mich traf und meinem Leben ein rasches Ende bereitete.

      Um mein Glück nicht über Gebühr herauszufordern, und weil ich mich, als ich hier mitten auf dem Bürgersteig stand, wie auf dem Präsentierteller und allem, das zufälligerweise um die nächste Ecke biegen mochte, schutzlos und hilflos ausgeliefert fühlte, suchte ich nach einem Versteck, in dem ich die Zeit bis zu Michaels Ankunft wesentlich geschützter hinter mich bringen konnte. Nicht weit von mir, nur wenige Schritte entfernt, befand sich eine größere Wohnanlage. Vor der Anlage stand ein selbst im schwachen Mondlicht extrem hässlicher Holzverschlag, in dem die Mülltonnen der Hausbewohner gelagert wurden. In einer finsteren Ecke unmittelbar hinter diesem Verschlag wollte ich mich verborgen halten. Dort konnte ich von der Straße aus nicht entdeckt werden und in Ruhe und relativer Sicherheit auf Michael warten.

      Dennoch galt weiterhin die Devise: Je früher er hier auftauchte und mich abholte, desto eher konnte ich mich auch wieder wirklich sicher fühlen.

      Kapitel 6

      Es dauerte eine Dreiviertelstunde, bis ich dieses Ziel erreichte und das erste Mal, seit der Schrei der Nachtschwester mich aus meinem Albtraum geweckt hatte, wieder das Gefühl hatte, in Sicherheit zu sein. Und das lag bestimmt nicht nur daran, dass ich in einem die ganze Nacht geöffneten Café in ausreichender Entfernung zum Sanatorium saß, einen riesigen Cappuccino vor mir stehen hatte, der bereits zur Hälfte geleert war, und ein cremiger Bart aus aufgeschäumter Milch meine Oberlippe zierte.

      Ich leckte den Milchschaum genüsslich mit der Zunge ab und gab mich dem seltenen Luxus hin, die Augen zu schließen und den Geschmack, der meinen Mund ausfüllte, noch einen Moment länger zu genießen. Zumindest für diese wenigen kostbaren Sekunden wurden all meine Probleme und sämtliche Feinde und Gegner in den Hintergrund meines Denkens verdrängt, die außerhalb dieser Räumlichkeiten weiterhin darauf lauerten, sofort wieder über mich herzufallen, sollten sie mich auch nur zu Gesicht bekommen. Dabei handelte es sich um wesentlich mehr Probleme, Feinde und Gegner, als eine Frau

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