Gabriel Schillings Flucht. Gerhart Hauptmann
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Gabriel Schillings Flucht
Gerhart Hauptmann
Inhaltsverzeichnis
Über den Autoren:
Gerhart Johann Robert Hauptmann war ein deutscher Dramatiker und Schriftsteller. Er gilt als der bedeutendste deutsche Vertreter des Naturalismus, hat aber auch andere Stilrichtungen in sein Schaffen integriert. 1912 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
Inhalt
»Einige ... versichern, Eunostus sei ihnen begegnet, ans Meer eilend, um sich zu baden, weil ein Weib sein Heiligtum betreten habe.«
Plutarch, Moralische Schriften.
Dramatis Personae
Gabriel Schilling, Maler. Eveline, seine Frau. Professor Mäurer, Bildhauer und Radierer. Lucie Heil, Violinistin. Hanna Elias. Fräulein Majakin. Doktor Rasmussen. Klas Olfers, Wirt im Krug auf Fischmeisters Oye. Kühn, Tischlermeister. Der Lehrjunge. Schuckert. Mathias, Fischer. Magd bei Olfers. Fischer, Frauen und Kinder der Fischer.
Das Drama spielt auf Fischmeisters Oye,
einer Insel der Ostsee.
Zeit: um 1900.
»Gabriel Schillings Flucht« wurde geschrieben im Jahre 1906.
Erster Akt
Strand. Im Hintergrund das Meer im Spätnachmittagslichte eines klaren Tages Ende August. Rechts der Schuppen einer Rettungsstation, an dessen Mauer die Gallionfigur eines gestrandeten Schiffes angebracht ist. Sie ist aus bemaltem Holz und stellt eine Frau mit bauschigen Röcken dar, deren Kopf zurückgeworfen ist, so daß ihr bleiches Gesicht mit nachtwandlerischem Ausdruck dem Himmel sich darzubieten scheint. Ihr langes schwarzes Haar fließt offen über die Schulter. — Am Strande, im Trockenen, steht ein Fischerboot. Links vorn auf der Düne, dem Schuppen gegenüber, ein Signalmast mit Strickleitern usw.
Ein junges Mädchen, weiß und sommerlich gekleidet, liegt mit einem Buch zwischen Schuppen und Signalmast auf der niedrigen Düne: Lucie Heil.
Von rechts vorn kommt der etwa 45jährige Tischlermeister Kühn, gefolgt von einem Lehrling. Sie tragen blaue Schürzen, keiner von beiden eine Mütze. Der Meister grüßt Lucie, der Lehrling grinst sie an. An der Rückwand des Rettungsschuppens liegt ein Stapel fichtener Bretter. Zwei davon lädt Kühn dem Lehrling auf, und dieser trägt sie davon.
Kühn:
Na, sind Sie auch wieder da, Freilein?
Lucie:
Das gehört sich doch, Meister!
Kühn:
Sie kommen immer, wenn die Zugvögel abreisen! Wenn die vielen Zugvögel bei uns Station machen, kommen Sie auch.
Lucie:
Das stimmt.
Kühn:
Wir warten immer drauf, daß der Herr Professor Ottfried Mäurer sich am Ende doch noch anbaut auf der Insel.
Lucie:
Im vorigen Herbst war es nahe daran; aber der Windmüller ging mit seinem Preis plötzlich zu hoch hinauf.
Kühn:
Die Leute sind dumm! Sie wissen nicht, was sie von der Hand weisen. Wenn so'n Mann, wie Professor Mäurer, sich hier auf der Insel ein Tuskulum hinsetzt, das würde doch für jeden hier von größtem Vorteil sein.
Lucie:
Es wäre gar nicht gut, wenn die Insel bekannt würde; denn käme erst mal das ganze Großstadtgewimmel darüber hereingebrochen, dann wär's mit ihrer Schönheit wohl aus.
Kühn:
Ist der Herr Professor Ihr Onkel, Freilein?
Lucie
(lacht):
Nein, ich bin seine Großmutter, Meister Kühn.
Ottfried Mäurer erscheint vom Strande her über die Dünen. Er ist ein mittelgroßer, etwa 36jähriger blonder Mann mit rötlich blondem Spitzbart. Sein Kopfhaar ist kugelrund geschoren; die Stirne breit. Ein Ausdruck schmunzelnder Schalkhaftigkeit belebt zuweilen den scharfblickenden Ernst seines Gesichts hinter der goldnen Brille und dem Kneifer. Er ist unauffällig gekleidet, hat einen Mantel um, einen weichen Filzhut auf dem Kopf, einen gewöhnlichen Stock an den Arm gehakt, und ein Buch, Quart, mit weißem Schweinslederdeckel in der Hand.
Mäurer:
Guten Tag, Meister Kühn.
Kühn:
Schön'n Dank, Herr Professor! — Glücklich wieder auf Fischmeisters Oye angelangt?
Mäurer:
Gott sei Dank, Meister. — Aber ich hatte es diesmal verdammt nötig.
Kühn:
Na, ja, wir haben's ja in der Zeitung gelesen.
Mäurer
(schmunzelnd):
Was haben Sie denn in der Zeitung gelesen?
Kühn:
Von die schöne Bildsäule, die in Bremen errichtet worden ist.
Mäurer:
Die hat mir verflucht