Gabriel Schillings Flucht. Gerhart Hauptmann

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Gabriel Schillings Flucht - Gerhart Hauptmann

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will ich nicht grade behaupten, Ottfried.

      Mäurer:

      Nanu, Augen grad aus! Ist das nu was oder nicht? Ist so'n Anblick die acht Stunden Bummelzug etwa nicht wert, mein Sohn?

      Sie vertiefen sich beide in den Anblick der See, die man laut und gleichmäßig rauschen hört, und in das Leuchten des blutroten Abendhimmels.

      Schilling

      (dem die Augen vor Erschütterung überlaufen):

      Es ist verflucht, wie unsereiner nervös auf dem Hunde ist. Man merkt das vor so einem plötzlichen Eindruck.

      Mäurer:

      Das ging Lucie und mir nicht anders, Schilling. Als plötzlich die langen Schaumlinien auftauchten — wir kamen zu Fuß vom Fährhaus herüber zum westlichen Strand! — das hat uns beide höllisch überrumpelt; und ich glaube, wir haben beide, ich weiß nicht wieso, wie Kinder geflennt. Übrigens weißt du ja wohl, ist im Frühjahr Luciens Mutter gestorben.

      Schilling

      (sonderbar ängstlich):

      So? Ist sie gestorben? Ach! Woran?

      Mäurer:

      Hat dir Rasmussen nicht davon gesprochen?

      Schilling:

      Rasmussen hab ich jetzt nicht gesehen ... wie lange? — Gut anderthalb Jahre nicht.

      Mäurer:

      Er hat Frau Heil zuletzt noch behandelt.

      Schilling

      (nach längerem Stillschweigen):

      Ja, wie das mit einem so eigensinnigen, in seinem Fach bornierten Menschen, wie Rasmussen, eben ist. Wessen unsereiner bedarf, das begreift er nicht. Ich hasse auch alle Moralphilister! Und er hat einen förmlichen Haß auf die Kunst. Wissenschaft! Nur immer Wissenschaft! Wissenschaft hier und Wissenschaft dort! Und im Namen der Wissenschaft jeglichen Unsinn. Und nun erst in Geschmacksdingen — : hottentottenhaft! Ich mußte mal mit ihm reinen Tisch machen.

      Mäurer:

      Du, du, vermiese mir unsern Rasmussen nicht. Ein Kerl ... na, mit einem Wort: nicht zu spaßen. Solid! Wo man ihn anfaßt, ist auch was.

      Schilling:

      Sag mal, an was ist Frau Heil gestorben?

      Mäurer:

      Ein Herzleiden scheint es gewesen zu sein.

      Schilling

      (tief atmend):

      Kein Wunder, wenn man bedenkt, in welch stickige Atmosphäre die Menschen der Großstadt lebenslang eingekerkert sind. Leben heißt ihnen, sich aufregen, und an diesem ununterbrochenen Überreizungen sterben sie dann natürlich frühzeitig scharenweise elend hin! — Du kannst dir nicht denken, Ottfried, wie sehr ich diesmal nach dem Anblick gelechzt habe.

      Mäurer:

      Warum nicht? Es ging mir genau so wie dir.

      Schilling:

      Unmöglich! Ich habe mitten im Lärm und Asphaltgestank der Friedrichstraße schon immer das Meer vor Augen gesehen, tatsächlich, als richtige Luftspiegelung. Ich habe immer danach gegriffen! — Ich bin wie ein Seehund! Ich möchte gleich Hals über Kopf mitten hinein.

      Mäurer:

      Das finde ich schließlich auch weiter nicht merkwürdig. Du solltest mal Lucie reden hören in ihrer fanatischen und direkt waghalsigen Badewut.

      Schilling:

      Das ist auch was andres, das meine ich nicht. Ich glotze diesmal die See mit Augen an ... wovon ihr keine Ahnung habt, Kinder. Als wenn einem der Star gestochen worden ist. Dort stammen wir her, dort gehören wir hin.

      Mäurer

      (lachend):

      Du bist Wasser und sollst zu Wasser werden! — Wie geht's deiner Frau? Willst du was rauchen, Schilling?

      Schilling

      (fahrig, zerstreut):

      Wie Pauken und Zymbeln klingt das im Kopf! — Rauchen? — Eveline ist munter, Gott sei Dank! Soweit das bei ihr überhaupt möglich ist, nämlich. Eigentlich hab ich sie, ehrlich gestanden, nie wirklich bei guter Laune gesehn. (Er läßt sich auf der Düne nieder.) Sprechen wir lieber von was andrem. — Es kommt nämlich immer darauf an, wenn es sich um Miseren handelt, ob man imstande ist, sie zu beheben. Hat man das aber bis zur Verblödung auf jede erdenkliche Weise vergeblich versucht, so erscheint der gloriose Moment, wo man hunde-schnauzen-gleich-gültig wird: und dieser Moment ist bei mir erschienen!

      Mäurer

      (klopft ihm auf die Schulter):

      Fortschritt, mein Junge, wenn es so is!

      Schilling:

      Na natürlich, Fortschritt! Etwa nicht? Glaubst du, ich wäre sonst hergekommen? — Sonst hätt ich mich nicht aus dem Staube gemacht!

      Längeres Stillschweigen.

      Mäurer:

      Wie wär's, wenn wir nun als zwei alte Freunde, Schilling, auf alle Umschweife ganz verzichteten, und auf sogenanntes Zartgefühl. Nehmen wir mal an, unsre Gefühle füreinander sind ehrlich und anständig; warum sollen sie denn da nicht offne und starke sein! Wenn du's also nicht krumm nimmst, so frage ich dich ...

      Schilling:

      Mit Hanna Elias ist es zu Ende.

      Längeres Stillschweigen.

      Ich kann dir sagen, du glaubst es nicht, wie ich die Zeit ... die mir immerhin früher mal kostbare Zeit! — diesen Sommer wieder mit Scheffeln und Mollen wahnsinnig verschleudert habe. Ich kann keine Wanduhr mehr ticken hören, ich erschrecke bei jedem Pendelschlag.

      Mäurer:

      Wer hat nicht mit Weibern Zeit verloren! Ja, welcher Mann, der wirklich einer ist, hat sich nicht selbst mehr als einmal an Weiber verloren. Das schadet nichts! Man läßt sich fallen, man hebt sich auf, man verliert sich und man findet sich wieder. Hauptsache bleibt, daß man Richtung behält. Wenn man Richtung behält und entschlossen fortlebt, so wette ich tausend gegen eins, was schlecht geheißen hat in der Zeit, muß dann in der Zeit auch wieder mal gut heißen.

      Schilling:

      Ach, Junge, ich habe in meinem verpfuschten Leben zu schrecklich viel niederträchtigen Unsinn verdaut. Mit meiner unanständig anständigen Anlage habe ich, weiß der Teufel, so oft Fiasko gemacht, daß ich allen Ernstes darüber gegrübelt habe, wie man es anfängt, recht grundgemein, schweinemäßig praktisch zu sein. Ich bin talentlos, ich kann es nicht. Dabei hab ich die Welt auf die allerverschiedenste Weise beguckt: durch die hohle Hand, durch die Beine, von oben,

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