Gabriel Schillings Flucht. Gerhart Hauptmann

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Gabriel Schillings Flucht - Gerhart Hauptmann

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ich lasse die Welt, wie sie ist; wir wollen uns damit weiter nicht aufhalten. Ich habe dir selber, glaub ich, auch nicht immer bloß die schöne Fassade gezeigt. Laß das, vergiß es, denk nicht daran! Und jetzt, Junge, sag ich mal etwas Mystisches: wir sind aus der gleichen Generation. Ich behaupte, da wir beide im gleichen Jahre an der Außenfläche unsres Planeten erschienen sind, so sind wir auch schon vorher miteinander gewandert, in ähnlichem Rhythmus, in ähnlichem Schritt. Und wenn wir auch äußerlich nicht vereint gewesen sind, so sind wir jetzt, wo wir uns wiedertreffen, im tieferen Sinne gleich weit gelangt. Also schreiten wir nur mal wieder eine gute Strecke stramm bewußt miteinander.

      Schilling

      (forciert):

      Topp Kinder, hier wollen wir lustig sein! Deibel nochmal, tüchtig deutschen Sekt saufen und so tun, als wären wir siebzehn Jahr mit den allergrößten Rosinen im Sack und hätten die Nase nicht voll gekriegt. (Beide Freunde geraten in eine nervöse Heiterkeit; alsdann stutzt Schilling, die Gallionfigur gewahrend.) Eiapopeia, was raschelt im Stroh! Was ist denn das für 'ne seltsame Heilige?

      Mäurer:

      Das ist von einem gestrandeten Schiff die Gallionfigur.

      Schilling:

      Äh, überall diese wahnwitzigen Weibsbilder!

      Mäurer:

      Etwas übergeschnappt sieht sie wirklich aus.

      Schilling:

      Sag mal, findest du da keine Ähnlichkeit?

      Mäurer:

      Lucie behauptet mit ihrer Mutter.

      Schilling:

      Nein, Luciens Mutter meine ich nicht. — Im Ausdruck das Haar, auch in der Bewegung.

      Mäurer:

      Mir dämmert es schon! Aber ich billige dieses Ähnlichkeitsaufstöbern nicht. — Trau einem alten, gezausten Fuchs wie mir, mein Sohn: verwickle dich nicht in Ähnlichkeiten. Das sind Schlingen, die man sich selber legt. Und wenn wirklich die Holzpuppe Hanna Elias ähnlich sieht, so mache dir klar, sie hat mit ihrer lüsternen Nase ihr ganzes Schiff in einen nicht grade feucht-fröhlichen Abgrund verführt. — Atme, Mensch, trinke die starke Luft, und laß das Gespenst deines Lebens von gestern dein wirkliches Leben von heut nicht mattsetzen.

      Schilling:

      Da ist keine Gefahr mehr, Gott sei Dank! — Ich sage dir ja, diese Sache mit Hanna ist versunken. Wir haben uns endlich mal so vollkommen geklärt, so in alle Winkel unsrer Beziehung hinabgeleuchtet, daß da absolut nichts mehr zu erörtern bleibt.

      Mäurer:

      Dann gratulier ich von Herzen, Schilling.

      Schilling:

      Verdorben, gestorben, eingesargt, zwölf Klafter tief unter die Erde begraben. — Und, Ottfried, den Gefallen mußt du mir tun: kein Wort, keinen Laut mehr von dieser Geschichte. — Du kennst mich ja; ein für allemal, Ottfried: wenn mir mal ne Erinnerung über die Leber läuft, bitte, laß mich, bemerke es nicht. Es sind manchmal läppische Kleinigkeiten!

      Mäurer:

      Ähnlichkeiten!

      Schilling:

      Ein dunkles Auge ... irgendein Zug um den Mund, das kann Tote wieder lebendig machen! Aber dann laß mich, störe mich nicht! Denn das lähmt mich in meiner Brutalität. Man muß brutal sein, man braucht alle Kraft, um so eines bleichen gestrigen Wesens Meister zu sein! (Er springt auf, wirft Hut, Stock und Rucksack weg und beginnt sich auszukleiden.) Und nu Junge, Reinheit, Freiheit! Luft! Gott sei Dank, ja, man kann hier wieder mal atmen! Hoffentlich kommt bald 'n Sturm! So was Wildes, Frisches, Tolles, Brausendes, Salzhaltiges brauche ich! — ein Bad! — Kein Weibergeplärr! Kein Zungengedresch in Nachtcafés! In Freiheit zugrunde gehn, meinethalb — nur nicht vergurgeln in einem Abraumkanale! (Er rennt, halb entkleidet, gegen die See hin.)

      Mäurer:

      Nicht zu weit hinein, Schilling!

      Schillings Stimme:

      Bade mit, Ottfried! Herrlich! Ahoi, ahoi!

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