David Schrenker ist kein Selbstmörder!. Markus Mayer

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David Schrenker ist kein Selbstmörder! - Markus Mayer

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oder Termine wahrnehmen musste. Deshalb empfand seine Mutter es nicht als ungewöhnlich. Als er jedoch seinen Sohn zur gewohnten Zeit noch nicht abgeholt hatte und auch keinerlei Meldung machte, rief seine Mutter bei ihrem Sohn zu Hause an, wo Schrenkers völlig ahnungslose und eben von der Arbeit zurückgekehrte Ehefrau abhob. Sie holte das gemeinsame Kind bei der Schwiegermutter ab und konnte ihren Mann auch beim dritten Versuch auf dem Handy nicht erreichen. Anrufe im Hotel, in dem Schrenker angestellt war, beim Bruder, bei Freunden und Bekannten brachten ebenfalls keine Aufklärung. Die beiden Frauen und David Schrenkers Vater, der inzwischen auch nach Hause gekommen war, machten sich immer größere Sorgen, aber sie sahen im Moment keine andere Möglichkeit, als das Beste zu hoffen und auf ihn zu warten.

      Nachdem seine besorgte Ehefrau den gemeinsamen Sohn ins Bett gebracht hatte und danach die ganze Nacht ohne ein Lebenszeichen von ihm wach lag, hielt sie es nicht mehr länger aus und wollte die E-Mails ihres Mannes checken. Sie hoffte, dort Hinweise auf seinen Aufenthaltsort zu finden, doch stellte fest, dass er das Passwort geändert hatte. Sie versuchte es bei seinem Online-Bankkonto und konnte sich auch hier nicht mit dem gemeinsamen Passwort einloggen. Spätesten zu jenem Zeitpunkt wurde ihr klar, dass etwas nicht stimmte und rief die Polizei an, welche sich überraschend schnell vom Ernst der Lage überzeugen ließ und die Ermittlungen einleitete.

      Kurz darauf wurden durch das Kreditkarteninstitut zwei Transaktionen bekannt, die auf Schrenkers Aufenthaltsort hindeuteten. Die erste wurde für eine Zugfahrt getätigt, die zweite ging an einen Betreiber für Ferienwohnungen in dem Zielort der zuvor erwähnten Zugfahrt. Nach telefonischer Nachfrage bestätigte der Betreiber den Aufenthalt eines David Schrenkers in einem seiner Ferienwohnungen, den aber keiner der Angestellten seit dem Check-In gesehen hatte. Er räumte ein, dass sich die wenigsten Gäste während ihres Aufenthaltes an der Rezeption blicken ließen.

      Nachdem die Behörden erläuterten, dass der Mann als vermisst gelte und man einen Suizid nicht ausschließen könne, verschaffte sich der Betreiber mithilfe seines Generalschlüssels Zugang zum Apartment des Vermissten. Er fand niemanden vor, doch auf dem Schreibtisch lagen ein verschlossenes Kuvert und ein offener Brief, welchen er der Polizei unverzüglich zufaxte. Die Beamten interpretierten diesen Brief als Abschiedsbotschaft und alarmierten die Kriminalpolizei.

      Auf das Kuvert waren mit großen handschriftlichen Lettern die Worte „Für Karina“ geschrieben. Die inzwischen eingetroffenen Beamten stellten das Kuvert sicher. Sie fanden zwar keine Hinweise zum Aufenthaltsort Schrenkers, jedoch die Daten einer Lebensversicherung, die der Vermisste (ohne das Wissen seiner Frau) Jahre vor seinem Verschwinden eröffnet bzw. abgeschlossen hatte.

      Die Behörden vor Ort veranlassten daraufhin eine groß angelegte Suchaktion. Auch spezielle Wassereinheiten wurden angefordert, denn die Vermutung lag nahe, dass sich der Vermisste, wie andere Selbstmörder in der Vergangenheit vom über 20 Meter hohen Wasserfall, der sich fußläufig vom Feriendorf befindet, in die Strömung geworfen hatte.

      Die Suche ergab nicht eine Spur und vereinzelte Hinweise von Personen, die meinten, jemanden oder etwas in dem relevanten Zeitraum ins Wasser gesprungen gesehen zu haben, wurden zwar ernst genommen, halfen aber nicht weiter. Nach zwei Wochen wurde die Suche bis auf Weiteres eingestellt. Sachverständige hielten es für sehr gut möglich, dass der Vermisste nach dem Sprung von den Wassermassen weggeschwemmt wurde und inzwischen irgendwo in der Nordsee verschollen lag.

      Während der Rest der Familie trauerte, nahm die Bewältigungsstrategie eines sehr engen Angehörigen äußerst unverständliche Formen an. Pascal Schrenker, der Bruder des Vermissten, startete eine Schmutzkampagne, die ihresgleichen sucht. „David Schrenker ist kein Selbstmörder“, so seine Behauptung. „Er hat euch alle hinters Licht geführt!“

      Dass sich inzwischen seine ganze Familie gegen ihn gewandt hat, bringt Pascal Schrenker nicht von seinen kühnen Anschuldigungen ab. „Ich bin nicht verrückt, ihr seid alle blind!“ Beweise oder Fakten hat er keine, nur eine Menge dreckiger Wäsche von seinem Bruder, die er nun über dessen Andenken ausbreitet.

      Auf dem Laptop des Vermissten fand der Bruder ein Tagebuch, das laut der Ehefrau des Vermissten passwortgeschützt war. Pascal Schrenker streitet das ab und behauptet stattdessen, von ihr überhaupt erst Zugang zum Laptop erhalten zu haben. Er sagt, David Schrenkers Tagebuch sei auch für dessen Ehefrau problemlos lesbar gewesen, sie habe aber aus Angst, darin irgendwelche unbequemen Wahrheiten zu entdecken, auf das Lesen verzichtet. Sie dagegen ist empört darüber, wie Pascal Schrenker intime Details des Paares schamlos an die Außenwelt getragen hat. Denn er konfrontierte seine Familie mit den pikanten Inhalten des Tagebuchs und als die erwarteten Reaktionen ausblieben, ging er publik.

      Lokale Zeitungen, Podcast-Redaktionen und Radiostationen führten Interviews mit ihm. Er versuchte darin seine Behauptung mit Argumenten zu untermauern. Weil Pascal Schrenker sich allerdings einige verbale Entgleisung leistete und seinen Bruder teilweise mit minutenlangen Tiraden verunglimpfte, und auch weil die ganze Geschichte des Bruderverrats einen fahlen Beigeschmack besaß, wurden die Interviews nie gedruckt oder gesendet.

      Schließlich zog Pascal Schrenker die letzten Register und veröffentlichte ein Buch im Selbstverlag, bestehend aus einer Auswahl „entlarvender“ Einträge aus dem Tagebuch David Schrenkers. Jeden der ausgewählten Einträge versah er mit konfrontierenden Kommentaren, direkt an seinen Bruder gerichtet.

      Nicht weiter spezifizierten Quellen zufolge, soll er das Buch in einer Auflage zwischen 2000 und 5000 Stück hat drucken lassen. Anscheinend hoffte er so, von den Buchläden, der Presse oder von Bloggern mehr Beachtung zu finden. Sein Ziel: Bloßstellen! David Schrenker sollte wissen, dass sein Bruder ihn durchschaut hatte.

      Tatsächlich meldete sich aber niemand bei ihm, nicht sein Bruder, nicht die Presse und auch kein Buchladen wollte diesen – mit Verlaub – beispiellosen Schund in ihren Regalen stehen haben.

      Ich bin letztlich auch nur über einige Umwege auf diese einseitige Bruderfehde aufmerksam geworden.

      Ich kontaktierte Pascal Schrenker und erfuhr, dass er auf Grund seines Fanatismus alles verloren habe, von der eigenen Familie geächtet werde und völlig verarmt sei. All seine Energie der letzten Jahre stecke im Aufdecken der Wahrheit. Indem ich ihm eine großzügige Gewinnmarge zusicherte und ihn davon überzeugte, dass er dank meiner Kontakte viel mehr Publicity würde generieren können, überließ mir Pascal Schrenker die Rechte an seinem „Buchprojekt“. Auch vier Jahre nach dem Verschwinden seines Bruders, ohne ein Lebenszeichen, hat er die Hoffnung nicht aufgegeben: Er ist davon überzeugt, David Schrenker eines Tages ausfindig zu machen und die Welt über die Wahrheit in Kenntnis zu setzen.

      Natürlich habe ich einiges überarbeiten und vor allem kürzen müssen. Die Version von Pascal Schrenker umfasste beinahe 400 Seiten, die Kommentare waren gespickt mit Beleidigungen und Wiederholungen. Die Tagebucheinträge von David Schrenker waren wenig besser. Sie strotzten nur so von Umgangssprache, Rechtschreib-, Zeichen- und Satzbaufehlern.

      Ich denke nicht, dass Pascal Schrenker die Wahrheit sagt, ich glaube aber auch nicht, dass er lügt. Denn; lügt jemand, der glaubt, die Wahrheit zu sagen? Er hält so voller Überzeugung an seiner Geschichte fest, dass es fast schon egal ist, ob sie wahr oder falsch ist. Ihre komische Tragik allein macht sie erzählenswert.

      Eine weitere Anmerkung: Obwohl er nicht jeden Tag einen Eintrag hinterließ, so umfasst das gesamte Tagebuch von David Schrenker doch über 800 Seiten. Viele der Gedanken und Überlegungen wiederholen sich, eine Menge des Geschriebenen ist für die Argumentation seines Bruders irrelevant. Deshalb habe ich das Gesamtwerk stark gekürzt, habe besonders wichtige Einträge ausgewählt und teilweise durch Gedanken aus insgesamt weniger relevanten Einträgen ergänzt. Das gleiche gilt für die Kommentare von Pascal Schrenker.

      Des Weiteren habe ich mir erlaubt, die Sprache und inhaltliche Struktur der Originalautoren etwas „glatt zu bügeln“.

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