David Schrenker ist kein Selbstmörder!. Markus Mayer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу David Schrenker ist kein Selbstmörder! - Markus Mayer страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
David Schrenker ist kein Selbstmörder! - Markus Mayer

Скачать книгу

die mir wichtig sind, darunter leiden. Deswegen habe ich mir diese phlegmatische Einstellung angewöhnt. Mit stumpfer Rasierklinge rasiert es sich zwar mühsamer, aber dafür sicherer.

      Vielleicht ist es einfach nur das Los, das ich im Leben gezogen habe, als ich mich gegen ein Studium entschied. Es war cool, mein eigenes Geld zu verdienen, während meine Freunde noch von ihren Eltern abhängig waren. Ich konnte mir neue Computerspiele oder bessere Klamotten kaufen, während meine Freunde immer auf das Taschengeld von Papa und Mama warten mussten. Meine Uni-Freunde haben mir damals prophezeit, dass sie irgendwann umso mehr Asche machen würden und ich hab ihnen gesagt, dass man nie wisse, was passiert und dass es mir ohnehin scheißegal sei. Inzwischen halte ich es in ihrer Gegenwart kaum mehr aus. Sie debattieren und diskutieren, theoretisieren und wissen alles besser. Mehr verdienen tun die meisten immer noch nicht, aber auch das ist mir egal. Früher war es cool, beim Pokern in der Pause oder beim Fußball am Nachmittag zu gewinnen, aber jetzt ist es anscheinend cool bei Trivial Pursuit alles zu wissen und Konzepte irgendwelcher Philosophen in den Raum zu werfen. Und ich hab so wenig Ahnung davon, dass ich nicht mal einschätzen kann, ob sie selbst Ahnung davon haben oder ob es nur Phantasieren auf Klugscheißer-Niveau ist. Trotzdem ist es mir peinlich, weil ich denke, dass sie mich für dumm halten müssen. Ein anderer (ich nenn’s mal) Freundeskreis besteht aus aktuellen Kollegen und ehemaligen Weggefährten aus der Hotellerie. Die meisten davon sind zynisch, ungebildet und launisch, nicht dumm oder einfältig – einfach nur abgestumpft. Sie unterhalten sich über die Anzahl der Shots am letzten Abend und den Spielfortschritt bei ‚Battlefield‘.

      Es langweilt mich nicht unbedingt mehr als das hochtrabende Gelaber meiner alten Freunde, aber es tut ein bisschen mehr weh. Es ist immer das Gleiche: Aufstehen, Kaffee & Zigarette, sich sauber anziehen, aus dem Haus, Kaffee & Zigarette, Gästen in den Arsch kriechen, Untergebenen in den Arsch treten, Kaffee & Zigarette, mit Kollegen über andere Kollegen lästern, Arschkriechen, Kaffee & Zigarette, mit Vorgesetzten über Untergebene lästern, Kaffee & Zigarette, Arschkriechen, mit Kollegen über Gäste lästern, Kaffee & Zigarette, Arschkriechen, mit Gästen über Kollegen lästern, Kaffee & Zigarette, ausgelaugt nach Hause, Bier & Zigarette, masturbieren, lustlos vor den Fernseher oder den Computer – virtuelle Parallelwelt = Abschalten, Fast Food, mehr zocken, mehr Alkohol, mehr rauchen, mehr zocken, einen durchziehen, masturbieren oder optional bedeutungsloser Sex (vielleicht mit Koks)… und am nächsten Tag das Ganze von vorne.

      Ich fühle mich inzwischen weder der ersten noch der zweiten Gruppe angehörig! In der ersten komme ich mir dumm und in der zweiten langweilig vor. Ich will manchmal etwas lesen. Hab mir mal „Also sprach Zarathustra“ gekauft, doch ich konnte mich nicht genug konzentrieren, um mehr als 10 Seiten durchzuhalten. Ein paar Mal aufs Neue habe ich angesetzt, aber dann lag es wieder drei Wochen im Eck und ich wusste irgendwann nicht mehr, wovon dieser Wahnsinnige überhaupt schrieb. Dann war ich, wie so oft, frustriert und hab den Playstation-Controller rausgeholt und gezockt. So komme ich immer wieder zurück zum Zocken. Da muss ich nicht so viel denken! Nach einer Weile – so wie jetzt – merke ich dann, dass ich abstumpfe und dann will ich etwas ändern und kaufe mir wieder ein Buch, das ich lese… solange, bis ich eines Tages wieder völlig entnervt heimkomme, fünf Seiten lese und das Buch ins Eck schmeiße. Nicht mal ‘nen scheiß 200-Seiten-Roman, der bei Hugendubel am Eingang rumliegt und dessen Sprache und Inhalt jeder Depp versteht, schaff‘ ich...

      Würde ich mehr lesen, wäre ich vielleicht eloquenter, wenn mich ein unverschämter Gast, wie etwa das Arschloch von heute, auflaufen lässt. Womit ich endlich zum eigentlichen Grund meines heutigen Eintrags komme.

      Finanz-Yuppie, 30 Jahre alt, setzt sich an meinen Tisch, hat nicht den Anstand sein scheiß Handy für eine Minute aus der Hand zu legen. Zeigt mit dem Finger auf das Menü, das er gerne essen will. Ich frag ihn, ob er das Steak „rare“, „medium“ oder „durch“ will, doch er winkt nur ab, weil er für solche Nichtigkeiten offenbar keine Zeit hat. Zehn Minuten später stell ich ihm die Suppe hin. Er nimmt mich nicht mal zur Kenntnis. Weitere 6 Minuten und 21 Sekunden (ich hab auf die Uhr geschaut) vergehen, bis er das Handy weglegt: „Mike, mein Essen ist gerade gekommen. Ich ruf dich in zehn Minuten zurück.“ Ein paar Sekunden später brüllt er „Ober!“ und ich eile zu ihm. „Gibt es die Suppe auch in heiß?“ Ich bringe die lauwarme Brühe in die Küche und erkläre den Tatbestand. Wie gewohnt und erwartet flattern Tiraden durch die Luft und nach einer Minute Mikrowelle ist die Suppe wieder auf dem Platz des vom Küchenkollektiv zum Hurensohn ernannten. Als ich die leere Suppentasse abserviere, hat er das Handy schon wieder am Ohr. Er schreit und schert sich einen Scheiß um die anderen Gäste im Lokal. Als ich den Hauptgang bringe, legt er das Handy diesmal gleich weg und fordert, dass ich ihm etwas Brot bringe und Butter. Warum? Er hat Kartoffeln, Kräuterbutter und Bohnen als Beilagen. Trotzdem komme ich seinem Wunsch natürlich nach. Dann hält er mir sein Steakmesser entgegen: „Bringen Sie mir ein normales Messer. Sehe ich aus wie ein Metzger?“ Als ich ihm ein normales Messer gebe, tritt er verbal nochmal nach. „Muss ja ‘ne ziemliche Schuhsohle sein, wenn man solche Säbel zum Schneiden braucht.“ Ich lächle freundlich und ziehe mich zurück. Allerdings nicht lange, weil er gleich wieder „Ober“ schreit. Er zeigt mir die angeschnittene Seite seines Steaks. „Was soll das sein?“

      Ich erwidere: „Was meinen Sie?“.

      „Rare?“

      „Medium!“, antworte ich und er behauptet, er habe das Steak „rare“ bestellt. Ich muss ihn darauf hinweisen, dass er mich hinsichtlich des gewünschten Gargrades nicht in Kenntnis setzte, was er jedoch abstreitet.

      „Hab keine Zeit auf ein zweites Steak zu warten“, sagt er und isst es.

      Sofort anschließend telefoniert er wieder und gibt mir ein Zeichen für die Rechnung. Ich lege sie ihm hin, er schreit in den Hörer „Harry, ich ruf dich gleich zurück!“, legt auf und pöbelt mich an: „Warum ist das da drauf?“ Er tippt mit dem Zeigefinger auf den Kassenbon an die Stelle wo RUMPSTEAK KAR. BOH. steht. Wieder frage ich „Was meinen Sie?“

      „Das Ding war ‘n Stück Schuhsohle und jetzt soll ich das Teil auch noch zahlen? Wollen Sie mich verarschen?“

      Ich weise ihn daraufhin, dass das Steak einwandfreier Qualität gewesen sei und er es auch vollständig gegessen habe.

      „Weil ich Hunger hatte und keine Zeit für ein anderes!“ Er will meinen Vorgesetzten sprechen und ich gebe mich als Schichtleiter zu verstehen, der Entscheidungen dieser Art selbstverantwortlich fällen darf und verlange von ihm den vollständigen Rechnungsbetrag. Er macht einen riesen Terror und aus Rücksicht vor den anderen Gästen gebe ich nach und hole Theo.

      „Das ist unser F&B Manager Theo Müller“, stelle ich ihn vor. Theo knickt sofort ein wie ein Maiglöckchen und nimmt fünfzig Prozent des Steaks von der Rechnung. Er verlangt von mir hinterher keine Rechtfertigung. Er vertraut mir, aber sagt, man müsse langfristig denken und Beschwerden seien gut, denn sie hälfen bei der Prozessoptimierung und außerdem, wäre so die Chance gegeben, dass wir den Gast nicht für immer verloren hätten. „Schade!“, sag ich trocken und er gibt mir einen Klapps. „Du musst positiver werden, David!“

      Ich hab mich geärgert für fünf Minuten. Früher hätte mein Ärger tagelang angehalten. Wie gesagt, ich bin abgestumpft.

      Kommentar von Pascal Schrenker

       Und hier findet sich schon ein Beispiel zu dem was ich unter einen der Einträge zuvor geschrieben habe. Hau so einem Wichser einfach mal den Suppenteller ins Gesicht! Wehr‘ dich! Zeig ein bisschen Stolz! Auch wenn du da arbeitest, bist du immer noch ein Mensch mit menschlichen Gefühlen und wenn dich irgendwer unmenschlich behandelt, ist es dein gutes Recht, nein deine Pflicht, deiner Gesundheit zuliebe, dagegen zu schlagen.

       Der Kern des Problems liegt natürlich in der Branche, in der du arbeitest. Gaststättengewerbe ist

Скачать книгу