David Schrenker ist kein Selbstmörder!. Markus Mayer

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David Schrenker ist kein Selbstmörder! - Markus Mayer

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aussetzen, weil du befürchtet hast, den ganzen Tag beobachtet zu werden. Und vielleicht hätte jemand bemerkt, dass du Karina in Wirklichkeit gar nicht hast heiraten wollen. Wenn ich dich beruhigen darf: Keine hat’s gemerkt. Und alle Leute, die ich gefragt habe, fanden die Hochzeit schön. Keiner fand sie so trist und langweilig, wie du sie hier darstellst. Vielleicht wolltest du dein schlechtes Gefühl den Umständen in die Schuhe schieben, weil das angenehmer ist, als die eigene Intention zu hinterfragen.

      Tagebucheintrag vom 1. Dezember 2009

      Ich wollte eigentlich gar keine Hochzeitsreise machen. „Ist doch auch nur Teil dieses ganzen gesellschaftlich erwarteten Zeremoniells“, hab ich gesagt und außerdem ist Karina fast schon im siebten Monat.

      Es sei aber schön, die Zeit, die man noch zu zweit hat, dafür zu nutzen, wenigstens für ein paar Tage wegzufahren. „Wer weiß, wann wir das das nächste Mal machen können?“ Schwer, ihr hierbei zu widersprechen, auch wenn ich es mit dem Kostenargument zumindest versuchte. Auch Theo hatte mir eine Auszeit nahegelegt, bevor ich dann in die Spätschicht wechselte – also fuhren wir für ein paar Tage nach Südtirol.

      Es war gar nicht schlecht, doch wirklich aktiv konnten wir nicht werden, weil Karina sich mit der Kugel vor dem Bauch schon recht schwer tat, aber wir haben Wellness gemacht, Filme geschaut und im Hotel gab’s echt gutes Essen. Wegen ihrer Schwangerschaft durfte sie das Saunieren nicht übertreiben, deswegen war ich einige Male auch alleine drin, während sie noch etwas gelesen oder Sudokus gelöst hat.

      Karina bekam am letzten Abend fürchterliche Weinkrämpfe, die sie am nächsten Tag auf ihre Hormone schob. Als ich ein wenig nachbohrte, gestand sie mir aber auch, dass sie mit der Hochzeit nicht glücklich war.

      „Die Stimmung war doch scheiße. Jetzt halten uns alle für unglaublich langweilig. Und sie denken, dass wir geizig sind. Oder noch schlimmer: arm. So arm, dass wir vielleicht unser Kind gar nicht versorgen können.“

      „Es sind definitiv die Hormone“, lachte ich, „denn früher hätte dich das nicht interessiert.“

      Sie verpasste mir einen auf die Brust und sagte: „Du nimmst mich nie ernst!“ Erst dachte ich, sie macht Spaß, doch anschließend wurde sie ganz still und antwortete nur noch einsilbig. Auf meine Frage, was mit ihr los sei, sagte sie: „Alles in Ordnung!“

      Kommentar von Pascal Schrenker

       Es ist dein ganzes Desinteresse an der Hochzeit und allem, was damit zusammenhängt. Das nervt sie. Weil sie mit dem Kind im Bauch ein bisschen eingeschränkt ist, ist sie auf dich und deine Unterstützung angewiesen. Du denkst aber nicht daran, was sie will, sondern nur daran, wie für dich alles am bequemsten von Statten geht. Auch im Urlaub hättest du dir ein bisschen Mühe geben können. Vielleicht hat sie auf ein bisschen Romantik gehofft, eine kleine Überraschung. Vielleicht wollte sie nicht nur Filme schauen und im Zimmer rumgammeln. Vielleicht hat sie gesagt, mit der Hochzeit nicht glücklich zu sein, aber in Wirklichkeit gemeint, dass sie mit der Entscheidung, mit dir eine Familie zu gründen, nicht glücklich ist.

      Tagebucheintrag vom 11. Dezember 2009

      Diese Abteilungsleitermeetings… Das Jahr nähert sich dem Ende, bald beginnt die Winterurlaubszeit und deswegen wird jetzt nochmal „Business“ geredet.

      Die Frau Dr. saß wie immer an der Stirnseite mit gerunzelter Stirn über zusammengekniffenen Augen und lauschte den einzelnen Quartalsumsatzberichte. Jede/n der Vorträgerinnen und Vorträger durchdrang bei jedem Blickkontakt mit Frau Dr. fröstelnde Angst. Völlig unabhängig von den Zahlen, die man präsentiert und ungeachtet der Tatsache, dass sie ihn selten ausspricht, fühlt man ihren Vorwurf: „Warum so wenig?“

      Ich und die anderen älteren Hasen sind es inzwischen gewohnt. Wir können diese Meetings innerhalb weniger Tage verdauen, aber die Neuen, die werden noch die nächsten drei Wochen den kalten Atem von Frau Dr. im Nacken spüren. Sie ist höflich zu jeder und jedem, kennt unsere Namen… Aber das war’s auch schon. Ihr dezenter österreichischer Akzent verleiht ihren Aussagen einen würdevollen Elan und einen seltsamen Magnetismus. Ihre Worte haften lange im Gedächtnis und man brütet über den Worten, die sie gesagt hat. Denn sie kritisiert nicht, wie ein Maurermeister seinen Gesellen, sie lobt kühl und mit Bedacht und erwartet, dass man aus dem Lob die Kritik herausschält und wer das nicht schafft und darauf nicht entsprechend reagiert, der erhält die Quittung in Form einer offiziellen Degradierung oder eines von ihr inszenierten Putsches durch einen ambitionierten Emporkömmling. Die neuen Abteilungsleiter wissen das nicht, selbst dann oft nicht, wenn sie zuvor schon in niedrigeren Positionen für sie gearbeitet haben.

      Für die Mitarbeiter in der untersten Hierarchiestufe scheint sie Sympathie zu haben. Eine gönnerhafte Sympathie, die wahrscheinlich daher rührt, dass sie in den tiefsten Öden des Salzburger Berglandes aufwuchs, in einem Skikaff, das im Winter von Touristen überlaufen und im Sommer nur von Heuballen und einfachen Bergbauern bevölkert ist. Doch sie ist keine Bauerntochter, sondern eine Hotelerbin, des ersten Superior Luxus Premium 5 Sterne Deluxe Hauses (oder so ähnlich) in ganz Provinz-Österreich. Wurde in eine Gastwirt-Familie hineingeboren, von Eltern erzogen, die nach Pfarrer und Volksschullehrer die angesehensten Menschen im Ort waren, das Geld in die Wiege gelegt, genauso wie die Arbeitsmoral, den Sinn für Ordnung und das Auge fürs Detail. Wurde auf die Universität Salzburg geschickt, als junge Frau, in den 70ern ein Novum und die einzige Person, die irgendjemand in dem Ort kannte, die als sie dann zurückkehrte, ein Diplom an der Wand hängen hatte – in Betriebswirtschaft. Ihr Ruf stand fest – keiner bezweifelte, dass sie die klügste Person im Gasteinertal war und weil die Leute eh nix und niemanden darüber hinaus kannten, der klügste Mensch Österreichs nach Kanzler und Präsident.

      Ich nehme an, sie hat sich schon in einem sehr jungen Alter wie jemand Besonderes gefühlt. Sprössling einer Promifamilie sozusagen… Dabei spielte es wahrscheinlich keine Rolle, dass sich ihre Bekanntheit auf lokale Kreise beschränkte. Sicher saß sie bei örtlichen Vereinsfesten oder Versammlungen immer in der ersten Reihe, obwohl sie grundsätzlich 10 Minuten zu spät kam – die Plätze wurden immer für sie freigehalten. Sie bekam immer, was sie wollte und jeder im Dorf sollte sehen, das sie da war – ein Einzug fast wie bei der WWE, nur die Musik fehlte… Ich fantasiere schon, aber ich will ihr Gehabe und ihr Auftreten verstehen, um sie nicht so sehr zu verachten. Warum sie jene die ganz unten im Organigramm verhätschelt und die, die in der Mitte stehen so kaltherzig behandelt – das will ich verstehen.

      Kommentar von Pascal Schrenker

       Damit endet dein Eintrag?!? Ein bisschen symptomatisch ist das schon für dich! Du warst nie in der Lage, irgendwo hartnäckig dran zu bleiben oder etwas ernsthaft zu hinterfragen. Alle deine etwas anspruchsvolleren Gedanken fransen aus wie schlechtes Haar. Nicht dass dieser Eintrag besonders tiefsinnig wäre – das will ich damit nicht sagen, aber immerhin meinst du einen Zusammenhang zwischen der Herkunft deiner Chefin und ihrer Sympathie für das gemeine „Fußvolk“ erkannt zu haben. Bevor du aber entschlüsselt hast, wie dieser Zusammenhang genau aussieht, hörst du schon wieder zu schreiben auf. Dein Eintrag bleibt ohne Fazit stehen – genauso wie dein Leben. Abwarten und mal schauen! Ist das dein Motto? Wie kann man so leben? So in der Schwebe, so unkoordiniert, und vor allem so passiv. Genau: Passivität ist die zentrale Charakteristik deines Wesens, die man nicht nur aus diesem Eintrag herausliest. Du bist ein Geschöpf, das keinen Kampfgeist in sich trägt, keinen Biss, du ergibst dich deinem Schicksal und jammerst darüber. Genießt du es insgeheim ein Opfer zu sein? Oder kennst du es einfach nicht anders?

       Die Verachtung für deine Chefin ist kaum zu überlesen, doch du, ebenso wie die anderen Lämmer in ähnlichen Positionen wehrst dich

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