David Schrenker ist kein Selbstmörder!. Markus Mayer

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David Schrenker ist kein Selbstmörder! - Markus Mayer

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      Klar klingt das erstmal richtig gut. Aber ist Entschlossenheit wirklich eine tolle Eigenschaft? Kommt drauf an, würde ich sagen. Durch die Blume wollte ich ihm klarmachen, dass er ein impulsiver Hitzkopf ist. Wenn er gestresst ist, fährt er in die Boxhalle und prügelt sich die Seele aus dem Leib. Den Sandsack stört es nicht und Pascals Gemüt kann sich wieder ein bisschen abkühlen. Doch kommt irgendwas dazwischen und schafft er es nicht rechtzeitig in die Boxhalle? Dann Gnade uns Gott!

      In ihm schlummert immer das Potential auszuticken und zwar egal, wo er gerade ist. Und weil jede noch so kleine Unaufmerksamkeit eines Mitmenschen – eingebildete oder tatsächliche – einen emotionalen Flächenbrand auslösen kann, tut er sich mit menschlichen Beziehungen sehr schwer. Er ist wahrscheinlich der schlauste Kerl, den ich kenne, doch wenn man für ein Unternehmen arbeitet, muss man auch irgendwie mit Leuten klarkommen. Er tut das nicht und ich habe immer den Eindruck, dass er es auch nicht lernen will.

      Diese Woche hat er seinen Vorgesetzten als „Wicht ohne Eier“ beschimpft, „der nicht einen Hauch von Ehre in seinem degenerierten Körper trägt und sich vom faschistischen Regime, das die Fäden über seinem hässlichen Marionettenkopf hält, in den Arsch ficken lässt“ und der „das Sperma, das noch in seinem Arschloch steckt, seinen Mitarbeitern auf den Kopf scheißt“.

      Pascal erzählt sowas dann immer voller Stolz, aber es tut weh, wenn der eigene große Bruder sich selbst im Alter von 26 Jahren nicht im Griff hat. Als er 18 war und ich 16 hab ich noch zu ihm aufgeblickt, wenn er die „Obrigkeit“ mit den krassen Beleidigungen angegangen hat, aber inzwischen, fällt es mir immer schwerer, darüber zu lachen. Irgendwann muss man besonnener sein und solche kleinen Ungerechtigkeiten, die einem das Leben hinwirft, einfach schlucken.

      Ich dachte eigentlich, es sei besser geworden. Inzwischen muss man, wenn man mit ihm aus dem Haus geht, nicht mehr davor Angst haben muss, dass ein Streit mit Fremden ausbricht, nur weil die ihn anscheinend frech angeguckt haben.

      Wie die Male zuvor auch, als er seinen Job verloren hat, wird er nun wieder Gras an 16-jährige Skaterpunks verkaufen, als erster hochbegabter Straßenköter und zwar so lange, bis er wieder zur Vernunft kommt, sich brav mit neuem Passbild, frisiertem Lebenslauf und gefälschten Arbeitszeugnissen irgendwo bewirbt, sich einen Anzug und Krawatte kauft, beim Vorstellungsgespräch überzeugt, den Job bekommt und mit seiner ihm angeborenen Energie und Zielstrebigkeit medizintechnisches Equipment an Krankenhäuser oder Minivans an Familienväter oder Rechtsschutz-Versicherungen an alte Damen verkauft. Dann fühlt er sich irgendwann respektlos behandelt, weil sein pedantischer Chef dezent anmerkt, dass er öfters fünf Minuten zu lange Mittagspause macht, worauf eine Szene epischen Ausmaßes ausbricht. Er wurde natürlich nach der letzten Ansage dieser Art fristlos entlassen, ohne Arbeitszeugnis, Abfindung oder sonst was. Einfach so. Selbst seinen Bachelor in Wirtschaftsinformatik konnte er nicht beenden, obwohl er in jeder Prüfung ohne Anstrengung eine 1,0 hatte. Der Grund dafür war eine "Unstimmigkeit", durch die er im siebten Semester exmatrikuliert wurde. Was es damit letztlich auf sich hatte, weiß wohl nur er und die Verantwortlichen an der Uni. Seine Version lautete: Ein Professor hatte ihn nach bei einem Vortrag bloßstellen wollen. Woraufhin Pascal aus dem Vorlesungssaal wetzte und wenig später mit einem zerbrochenen Besenstiel zurückkehrte. Damit verursachte er einen Sachschaden von einigen hundert Euro im Seminarraum, die er natürlich ersetzen musste. Viel schlimmer war jedoch der Ausschluss aus der Uni und die Versicherung des Dekans, dass er nie wieder auf einer anderen Universität des Landes einen Studienplatz bekommen werde… Zum Glück verletzte er niemanden, nicht mal den Professor, der ihn so gekränkt hatte. Dieser pisste sich in die Hosen, was Pascal voll süßer Genugtuung erzählte, während ich lachend bei ihm saß und im Stillen dachte, wenn ich jetzt nicht lächle, kastriert mich der Psychopath mit einem Schweizer Taschenmesser.

      Kommentar von Pascal Schrenker

       Soll ich mich jetzt dafür entschuldigen, dass ich im Gegensatz zu dir, nicht nur den Mund aufreiße und große Sprüche klopfe, sondern wenn es sein muss auch mal zur Tat schreite. Man muss sich wehren gegen Ungerechtigkeiten, sonst endet man wie du, der sich jeden Abend in eine lächerliche Uniform schmeißen, jedem Arschloch entgegen grinsen, alles in sich reinfressen und dann zu Hause die lange Fresse ziehen. Nein, ich lasse meine Wut raus, wie ein Mann, genau an der Stelle, wo sie reingekommen ist und gegen die Person gerichtet, die sie ausgelöst hat.

       Ich lasse mich einfach nicht von vierzigjährigen männlichen Jungfrauen mit Wohlstandsbauch, Flaschenböden vor den Augen und keinem einzigen eigenen Gedanken im Kopf, vor die Füße pissen. Das einzige was dieser Typ mir voraus hat, ist die Position, die er nur gekriegt hat, weil im Moment kein anderer zur Verfügung stand und er halt einfach seit 10 Jahren da arbeitete. Und das tut er immer noch, weil er sich nicht traut, einmal im Leben etwas Neues zu beginnen.

      Tagebucheintrag vom 16. Juli 2009

      Es ist erst ein Tag vergangen, seit Pascal seinen Job verloren hat und schon beruft unsere Mutter eine Krisensitzung ein. Natürlich wie immer ohne Pascal.

      Sobald sie Wind von einer dieser typischen Pascal-Aktionen kriegt, will sie, dass ich vorbeikomme und ihr sowie Papa, der aufmerksam schweigend beisitzt, Aktuelles aus Pascals Leben erzähle: mit welcher Frau er gerade zusammen ist, in welchen Kreisen er verkehrt, welche Probleme er hat und so weiter. „Woher soll ich das wissen?“, sag ich ihr dann immer. Doch sie lässt mich nicht einfach so vom Haken und bohrt solange, bis ich ihr irgendwas erzählt habe. Letztendlich ist es auch wurscht, denn sie spricht Pascal ohnehin nie direkt darauf an. Sie sagt keinem von uns direkt ins Gesicht, wie wir unser Leben ihrer Meinung nach leben sollen, obwohl sie seit unserer Geburt eine genaue Vorstellung davon hat. Sie folgt in ihrer Erziehung bis heute einer Pädagogikschule, die auf den ersten Blick nach Laissez-faire aussieht, in Wirklichkeit aber emotionale Manipulation ist. Sie pflanzt uns ganz subtil ihre Erwartungen in den Kopf und hofft, dass unser Unterbewusstsein uns dahingehend ausrichtet, dass wir sie zukünftig weniger enttäuschen. Es ist nicht leicht, sie zu ertappen, denn ihre Kontrollversuche erfolgen, wie gesagt, sehr subtil.

      Mein Bruder und ich haben kein wirklich inniges Verhältnis, aber wir verstehen uns und kennen beide die Tricks unserer Mutter. Wenn sie uns dann wieder aufeinander loslässt, weil der eine dem anderen irgendwie ins Gewissen reden soll, dann durchschaut das der jeweils andere. Trotzdem reden wir darüber nicht miteinander. Vielleicht weil es so schwer zu benennen ist. Man kann es nicht wirklich greifen – es ist mehr so ein Gefühl. Vielleicht auch, weil wir nicht zu der Sorte von Söhnen gehören wollen, die über ihre Mutter lästern. Deshalb spielen wir einfach immer unser kleines Spiel, wenn irgendeiner von uns wieder Scheiße gebaut hat.

      Kommentar von Pascal Schrenker

       Wovon redest du? Warst du unter Drogen, als du das geschrieben hast? Ich habe noch nie mit dir irgendein Spiel gespielt. Wenn ich dir Ratschläge gegeben habe oder dich auf den richtigen Weg geleitet habe, dann war das von Bruderliebe motiviert. Ich habe das nicht gemacht, weil unsere Mama mich beauftragte. Ist dir mal in den Sinn gekommen, dass dir deine Familie hin und wieder einen kleinen Stups geben musste, weil du sonst eingeschlafen wärst.Du warst derjenige, der immer Geburtstage vergaß, nie Geschenke hatte und so weiter. Du riefst auch von dir aus nie einen von uns an, im dich zu erkundigen, wie es uns ging. Du hast gewartet, bis wir uns meldeten und deshalb gaben wir dir ab und an einen Hieb, damit du uns nicht vergaßt.

      Tagebucheintrag vom 2. August 2009

      Manchmal wundere ich mich über mich selbst: Wie abgestumpft bin ich eigentlich? Heute hat sich wieder ein recht typisches Szenario bei uns im Restaurant abgespielt. Eines das mich jedes Mal schier zur Weißglut treibt, welche ich aber nicht ausleben kann, ohne dabei meinen Job zu riskieren. Das kann ich mir aber nicht leisten, schließlich muss ich

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