Erleuchtet. Emmi Ruprecht

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Erleuchtet - Emmi Ruprecht

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      Nachdem ich abgewogen hatte, ob es nun unangenehmer wäre, den Hinweis falsch zu deuten und irrtümlich auf Socken durch die Praxis zu rennen oder von einem empörten Insassen auf meine Dreistigkeit hingewiesen zu werden, das Haus durch schmutzige Energien entweiht zu haben, entschied ich mich schließlich dafür, mich vorübergehend von meinen Schuhen zu trennen. Sie waren sowieso nicht mehr ganz neu.

      Beim Ausziehen stellte ich erleichtert fest, dass ich morgens ein Paar verhältnismäßig neue Socken erwischt hatte. Zwar achtete ich gemeinhin sehr auf meine Garderobe, doch zugegebenermaßen vernachlässigte ich meine Strümpfe, weil ich normalerweise nicht in die Verlegenheit geriet, diese der Öffentlichkeit präsentieren zu müssen.

      Schon ein wenig stolz auf meine zufälligerweise ansehnliche Fußbekleidung verließ ich den Eingangsbereich durch die angelehnte Tür, die in einen großen Flur führte, und stieg die mit grober Naturfaser bespannten Treppenstufen empor. Auf einem Absatz in mittlerer Höhe begegneten mir auf einem kleinen Rattan-Tisch große rosafarbene Salzkristalle, die hinter einer goldfarbenen Statue drapiert waren, die vermutlich Buddha darstellen sollte, aber ich kannte mich da nicht so aus. Gab es noch andere dicke, sitzende Heilige, von denen Statuen gefertigt wurden?

      Dann hob ich meinen Blick zur nächsten Etage und erblickte auf einer lachsfarben gestrichenen Wand einen Behang aus Stoff mit einer nackten Figur, die von kreisförmigen Ornamenten bedeckt war. Zugegeben: Mit jedem weiteren Detail, das ich in diesem Haus entdeckte, wurde ich unsicherer, ob es klug gewesen war hierherzukommen, ohne wenigstens meiner Nachbarin Bescheid zu geben, wo ich mich aufhielt. Wo war ich hier nur gelandet?

      Vorsichtig schritt ich die letzten Stufen zum oberen Stockwerk hinauf. Währenddessen drangen aus einem der Räume dort oben langgezogene metallische Töne an mein Ohr. Aus dem Erdgeschoss vernahm ich für einen Moment so etwas wie ein Stöhnen, als eine Tür geöffnet und gleich darauf wieder geschlossen wurde. Doch sonst war es still und niemand war zu sehen.

      Als ich fast oben angekommen war, überlegte ich in Anbetracht der vielen Türen, die vom Flur abgingen und die alle geschlossen waren, wie ich verfahren sollte, um zu meinem Lebensretter zu finden. Sollte ich nach ihm rufen? Ich könnte ja auch einfach wieder gehen, wenn sich daraufhin niemand meldete. Vielleicht hatte jemand den Summer nur versehentlich betätigt und Herr Dr. Gärtner war gar nicht da?

      Doch kaum hatte ich die letzte Treppenstufe erklommen, da öffnete sich eine der zahlreichen Türen und ein großer, schlanker Herr um die sechzig, bekleidet mit einem weißen Hemd und Krawatte zu einem grauen Anzug stand im Flur. Seinen Aufzug hätte ich sicher in einem Versicherungsfachbüro erwartet, aber bestimmt nicht hier! Einzig und allein die braun-karierten Hausschuhe, die sich in einem seltsamen Kontrast zu der übrigen Kleidung befanden, wiesen darauf hin, dass dieser Mensch hierher gehören musste, denn Klienten brachten sicher in den seltensten Fällen Hausschuhe mit. Oder etwa doch?

      Auf den zweiten Blick erkannte ich mit Erstaunen, dass ich hier vermutlich meinen Lebensretter vor mir hatte, denn die kurzen, hellgrauen Locken erinnerten mich sofort an den „Heiligenschein“, den ich Freitagnacht vor mir gesehen zu haben meinte.

      Das also war Dr. Siegbert Gärtner?

      Herr Dr. Gärtner vermochte – trotz des unpassenden Schuhwerks – eine selbstsichere Autorität zu verströmen, als wäre sein Aufzug in diesem esoterisch geprägten Umfeld das Selbstverständlichste, was man sich denken könnte. Er sah mich an: Nicht unfreundlich, aber beobachtend. Ich schaute zurück, ebenfalls nicht unfreundlich, aber irritiert. So eine Erscheinung hatte ich nicht erwartet!

      Nachdem wir einige Sekunden regungslos voreinander gestanden hatten, streckte er mir seine Hand entgegen.

      „Gärtner“, sagte er knapp und wies nach einem kurzen Händedruck einladend ins Innere des Raumes, aus dem er herausgetreten war. Ich hatte mir zwar fest vorgenommen, es gar nicht erst soweit kommen zu lassen, mich in die Höhle des Therapeuten zu begeben, sondern das, was ich zu sagen hatte, möglichst in zwei prägnanten Sätzen und zwar noch vor der Tür loszuwerden, doch wie hypnotisiert befand ich mich schon kurze Zeit später in seinem Arbeitsbereich.

      Na gut, dann würde ich das Missverständnis eben hier aufklären!

      Erstaunt nahm ich zur Kenntnis, dass es in seinem Sprechzimmer völlig anders aussah als im Rest des Hauses, soweit ich es gesehen hatte. Hier wirkte alles ganz normal: weiße Wände, ein hellgrauer Teppich und hohe weiße Bücherregale, die fast bis zur Decke reichten. Gegenüber des großen Fensters, welches mit halbgeöffneten Lamellenjalousien verhängt war, stand ein großer weißer Schreibtisch, auf dem sich neben einem Bildschirm, der Tastatur und einigen Büroutensilien wie Locher, Hefter und Stiften, jede Menge Zeitschriften, Schnellhefter und schmale Aktenordner stapelten. In einer Ecke neben dem Fenster befand sich eine kleine Sitzgruppe aus schmalen schwarzen Ledersesseln und einem kleinen Tisch, der aus einem Chromgestell mit einer Glasplatte darauf bestand.

      Herr Dr. Gärtner war nach mir ins Zimmer getreten und hatte die Tür geschlossen. Noch bevor ich zum eigentlich Grund meines Besuchs kommen konnte, wies er mit seiner Hand auf die Sitzgruppe.

      „Bitte“, sagte er knapp und erwartete vermutlich, dass ich mich setzte.

      So, jetzt musste ich aber langsam meine Sprache wiederfinden, sonst würde ich hier am Ende noch tatsächlich zu einer Therapiestunde verhaftet!

      „Entschuldigen Sie, ich möchte da etwas klarstellen ...“, begann ich, doch Herr Dr. Gärtner fiel mir ins Wort. „Das können wir auch ganz in Ruhe im Sitzen besprechen. Bitte!“

      Sein „Bitte“ war zwar freundlich, aber bestimmt. Da ich mich nicht streiten wollte und weil es mir auch unangenehm war, ihm mitteilen zu müssen, dass er nun nicht, wie vermutlich erwartet, mit einer neuen Kundin rechnen konnte, folgte ich seiner Aufforderung und nahm Platz.

      Jetzt aber!

      „Möchten Sie Tee?“, fragte mein Gegenüber noch bevor ich Luft holen konnte.

      Irritiert schaute ich ihn an. Aber dann fragte ich mich, warum ich nicht ein Tässchen mit ihm trinken sollte? Schließlich hatte er mir wohl das Leben gerettet und da wäre es grob unhöflich, ihm so etwas unverbindlich Harmloses abzuschlagen, wie gemeinsam eine Tasse Tee zu trinken. Was sprach schon gegen einen kurzen Höflichkeitsplausch bei einem Heißgetränk? Außerdem, stellte ich erleichtert fest, hatte ich noch nie davon gehört, dass bei einer Therapiesitzung Getränke gereicht wurden. Vermutlich hatte er längst begriffen, dass ich nicht vorhatte, mich von ihm gehirnwaschen zu lassen? Sicherlich hatte ich unser Telefonat einfach falsch gedeutet.

      Also nickte ich und lehnte mich entspannt im Sessel zurück.

      „Dann hole ich mal eben eine Kanne. Ich habe festgestellt, dass meine Klienten sich bei Tee leichter entspannen und öffnen können.“

      Ich zuckte zusammen.

      „Die Küche ist unten, aber ich brauche nur ein paar Minuten. Beginnen Sie doch schon mal damit, den Bogen auszufüllen. Falls Sie mit einer Frage nicht klar kommen – ich bin gleich wieder da“, sagte er und reichte mir einen dünnen Stapel Papier.

      „Herr Dr. Gärtner, ich danke Ihnen sehr, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben. Allerdings möchte ich Ihnen sagen ...“

      „Machen wir alles gleich“, fiel er mir ins Wort, „wir haben Zeit.“

      Damit verließ er den Raum und ließ mich ratlos mit dem Papierstapel zurück.

      Was sollte ich jetzt machen? Ihm hinterherlaufen und erklären, dass

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