Erleuchtet. Emmi Ruprecht

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Erleuchtet - Emmi Ruprecht

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hoffte, dass es charmant klingen möge. Leider kippte meine Stimme am Ende um zu einem Kiekser und ich schlug erschrocken die Hand auf meinen Mund. Himmelherrgottnocheins! Vielleicht hätte ich doch ein bisschen sparsamer mit dem Aperol umgehen sollen! Die Flüssigkeit im Glas hatte eine gefährlich tieforangefarbene Färbung gehabt!

      Am anderen Ende der Leitung war immer noch nichts zu hören.

      „Entzückend! Vielleicht sollte ich dir einen kleinen Hinweis geben?“, riet ich und fing an, mich sicherer zu fühlen. Langsam entwickelte ich Spaß an der Angelegenheit! Dieser Siegbert schien ein bisschen schüchtern zu sein, obwohl er Psychotherapeut war. Musste so einer nicht den ganzen Tag reden? Oder nein – er ließ vermutlich reden und saß mit nachdenklich auf seine Hände gestütztem Kopf da und lauschte. Vielleicht reichte er auch ab und an mal ein Taschentuch oder tätschelte beruhigend die Hand einer Klientin, die gerade von ihrer katastrophalen Kindheit berichtete!

      „Aaalsoo ...“

      Ich zog das „also“ ganz lang und hoffte, dass es unwiderstehlich charmant und selbstsicher `rüberkam. Irgendwie reizte dieser schüchterne Psychodoktor mich dazu, mit ihm zu flirten! Ich war sicher, ihm im Nullkommanichts den Kopf verdrehen zu können. Er schien fast ein bisschen hilflos zu sein, wie er da vor sich hin schwieg. Wahrscheinlich eine leichte Beute, schnell zu beeindrucken und vor allen Dingen – harmlos! Das gab mir ein Gefühl von Überlegenheit und damit die nötige Sicherheit, um ein wenig mit ihm zu spielen. Ich fand, das war genau das, was ich gerade brauchte: Ein kleiner Flirt, der mein Selbstbewusstsein aufbaute, mit einem Mann, von dem keinerlei Gefahr ausging, und vor allem in einer Konstellation, in der ich eindeutig die Souveränität hatte, das Gespräch zu lenken, wohin ich es lenken wollte!

      „Ich bin die zierliche, schlanke Rothaarige, die Caipirinha getrunken hat. Schwarzes Jackett und Leopardentop. Ich hoffe, du erinnerst dich?“, fragte ich mit naiv-verführerischer Stimme. Mann, machte das Spaß! Und ich konnte es mir leisten! Schließlich hatte dieser Kerl mir seine Visitenkarte zugesteckt. Also würde er mich auch für entsprechend attraktiv halten und mir aus der Hand fressen!

      Doch am anderen Ende der Leitung blieb es immer noch still. Meine Güte, das wurde jetzt aber langsam anstrengend!

      „Freitag ...“, flüsterte ich, „... abend“, ergänzte ich nach zwei Sekunden Pause lasziv.

      Ich wartete. Ich hörte immer noch nichts. Hatte ich es vielleicht übertrieben? War der Mann am anderen Ende der Leitung vielleicht dermaßen schüchtern, dass eine Frau, die so souverän und weltgewandt auftrat wie ich, und die so erfahren im Umgang mit Männern wirkte, ihn überforderte?

      Als nach einer Weile am anderen Ende der Leitung immer noch nichts passierte, flötete ich „Hallo? Jemand Zuhause?“ in den Hörer. Ich hoffte, ich würde damit dem schüchternen Siegbert signalisieren, dass ich zwar eine unheimlich souveräne und weltgewandte Frau war, aber eben auch eine mit Humor, vor der der kleine Siegbert sich nicht fürchten musste, weil sie ganz lieb war und ihm nichts tun würde. Aber auch danach rührte sich am anderen Ende der Leitung nichts.

      Nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit, während der mich nur die Tatsache, dass ich mir einfach nicht darüber klar werden konnte, was ich von der Angelegenheit halten sollte, davon abhielt aufzulegen, hörte ich endlich ein Räuspern.

      Aha! Es lebte!

      „Ja, ich bin zuhause“, kam es vom anderen Ende der Leitung, „oder besser gesagt: Ich bin noch in der Praxis. Aber das wissen Sie ja – das steht ja auf der Visitenkarte.“

      Nun war ich an der Reihe verwirrt zu sein. Zuhause, Praxis – war das mein Problem, wo er sich gerade befand? Aber vielleicht hatte ich den kleinen Siegbert einfach überrumpelt und er musste halt irgendetwas sagen, um die Zeit zu überbrücken bis zu jenem Moment, wo er wusste, was er der begehrenswerten Frau mitteilen wollte, der er seine Karte zugesteckt hatte. Ich beschloss, ihm diese etwas lahme Eröffnung der Konversation seinerseits nachzusehen. Psychotherapeuten halt. Tse! Von denen war ja bekannt, dass sie selbst ihre besten Kunden waren!

      „Und natürlich erinnere ich mich an Sie. Ich fische nicht so oft Frauen aus dem Fluss bei meinen abendlichen Spaziergängen im Park.“

      Ich erstarrte. Was hatte er gerade gesagt?

      „Es scheint Ihnen wieder besser zu gehen. Wie schön! Ich habe heute im Klinikum angerufen und wollte mich nach Ihnen erkundigen. Man sagte mir aber nur, dass Sie das Haus bereits verlassen hätten. Das hat mich beruhigt.“

      „Ah ja“, war alles, was ich dazu sagen konnte.

      Obwohl ...

      Wie romantisch war das denn!!! Mein heimlicher Verehrer hatte mein Leben gerettet! Just in dem Moment, wo es für mich keinen Sinn mehr gehabt hatte! Wo ich ernsthaft entschlossen war, den aussichtslosen Tatsachen ins Auge zu sehen und alles fast schon vorbei gewesen war, da hatte mich im wahrsten Sinne des Wortes mein Traumprinz zurück ins Leben gezogen. Unglaublich! Fast hätte ich geseufzt: „Oh Siegbert!“

      Doch Siegbert setzte seine Rede bereits fort.

      „Sie wirkten etwas verwirrt, als Sie kurzzeitig bei Bewusstsein waren. Ich hatte das Gefühl, sie bräuchten vielleicht meine Hilfe. Deshalb habe ich Ihnen meine Visitenkarte in die Tasche gesteckt. Und ich freue mich wirklich, dass Sie diesen Schritt gewagt und mich angerufen haben.“

      Mein Retter!!! Jetzt erinnerte ich mich schemenhaft an die dunkle Gestalt, deren Kopf ich im spärlichen Gegenlicht einer Straßenlaterne gesehen hatte, und der mir erschienen war wie der Heilige Geist persönlich. Natürlich! Diese Stimme! War sie mir nicht gleich so seltsam vertraut erschienen? Diese angenehme, tiefe Anmutung! Aber das war nicht der Heilige Geist gewesen, der mir den Weg in den Himmel bahnte. Das war er gewesen! Mein Held! Mein Siegbert, der mir den Weg zurück ins Leben wies! Und wie ritterlich seine Ausdrucksform: „Ich freue mich wirklich, dass Sie diesen Schritt gewagt haben“. So konnte nur ein Mann mit Erfahrung sprechen! Vielleicht war so ein reiferer Herr genau das Richtige für mich?

      „Ich schlage vor, wir kürzen das Ganze hier ab – ich bin auch schon auf dem Sprung meine Praxis abzuschließen.“

      Ja!!! Wow, wie schnell das Leben plötzlich in die Hufe kommen konnte, wenn es wollte! Das versprach noch ein ereignisreicher Abend zu werden. Wo würde er mich wohl treffen wollen? Vielleicht wieder im Park, am Fluss, dem Ort unserer ersten Begegnung?

      „Wenn Sie Zeit haben – vorhin hat ein Klient abgesagt, der morgen Nachmittag um 16:00 Uhr einen Termin bei mir hat. Die Sitzung können Sie haben!“

      Stille, dieses Mal allerdings meinerseits.

      Siegbert fuhr fort: „Ich nehme auch Kassenpatienten. Das macht bei mir keinen Unterschied. Bringen Sie einfach Ihre Karte mit. Die Überweisung von Ihrem Hausarzt können Sie auch später nachreichen.“

      Wodurch ich erkannte, dass mein Leben depressiv war

      Ich weiß nicht, wie ich erklären soll, dass ich nach diesem Telefonat nicht aus dem Küchenfenster meiner Zwei-Zimmer-Altbau-Wohnung in den Hinterhof gesprungen bin, sondern tatsächlich am nächsten Tag um 15:59 Uhr an der Tür eines zu einer Gemeinschaftspraxis umfunktionierten, zweistöckigen Wohnhauses am Stadtrand klingelte. Vielleicht lag es an meiner Wohnung, die in der dritten Etage und damit nicht besonders hoch gelegen war – der Ausgang der Angelegenheit war mir zu ungewiss. Schließlich hatte vor ein paar Tagen mein erster, mehr oder weniger unfreiwilliger Versuch, aus dem Leben zu scheiden, ja auch nicht in den Himmel,

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