Lübeck - ausgeplaudert. Eckhard Lange

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Lübeck - ausgeplaudert - Eckhard Lange страница 11

Lübeck - ausgeplaudert - Eckhard Lange

Скачать книгу

für ein durch viele Zeugen beglaubigtes Pergament, und doch blieb letztlich immer offen, ob sie sich an die erteilten Privilegien halten würden. Oder sie durchsetzen konnten bei ihren eigenen Leuten.

      Nun gut, diese Genossenschaften, organisiert nach ihren Zielen, waren ernstzunehmende Partner, brachten sie doch die Waren ins Land, die dort dringend gebraucht wurden, brachten sie auch Einnahmen und Gewinn für die einheimischen Fürsten, indem sie deren Produkte aufkauften.

      Oberstes Ziel aller lübischen und der anderen deutschen Kaufleute jedoch war es, Handelsmonopole zu schaffen, die Konkurrenz auszuschalten und die Preise zu bestimmen. Und notfalls griff man auch mit wenig Skrupel zum letzten Mittel, dem Boykott. In Norwegen hatte diese Politik zu einer landesweiten Hungersnot geführt, als die Weizenlieferungen eingestellt wurden, bis der König einlenken mußte.

      Aber Ziel mußte auch sein, die Handelswege zu sichern, ob auf See oder auf den Straßen – vor Wegelagerern ebenso wie vor den vielen Zöllnern, die die Händler unterwegs gerne abkassierten im Auftrag aller möglichen Herren. Da waren die Hansischen dann gerne für einen freien Handel. Kommt irgendwie bekannt vor, nicht wahr?

      Nach und nach häuften sich die Genossenschaften in der Stadt. Neben die Gotlandfahrer traten die Schonenfahrer, die Bergen- und Nowgorodfahrer, die Stockholmfahrer; und dann auch die Kaufleute, die über die Nordsee nach Brügge segelten, um von dort mit den Engländern zu handeln, den Hauptproduzenten von Schafwolle. Überall gab es Niederlassungen, eigene Wohnquartiere und damit auch Ältermänner, die vor Ort verhandelten, aber auch für Ordnung sorgten. Und viele dieser Zusammenschlüsse führten sogar ein eigenes Siegel, waren sozusagen 'staatlich anerkannte' Vertragspartner.

      10. Lübeck und die Hanse der Städte

      Nein, Lübeck hat die Hanse nicht gegründet. Es gab überhaupt keine Gründung, es gab weder Satzung noch Beitrittsurkunden. Und entstanden ist das, was wir 'Hanse' nennen, auch gar nicht an der Ostsee, sondern – am schönen Rhein. Genauer: in Köln. Könnte man jedenfalls so sehen.

      Hanse – was bedeutet eigentlich dieser vielbenutzte Name, den noch heute Dutzende Städte als stolzen Titel tragen? Eigentlich etwas recht Schlichtes, so sagen jedenfalls die Fachleute. Mit 'Hanse' gemeint ist eine Schar von bewaffneten Männern. Und weil jene ersten wagemutigen Fernhändler sich für eine gemeinsame Reise gegenseitigen Beistand schworen, bildeten sie eben eine solche Gruppe. Und so blieb die Bezeichnung irgendwie an den Schwurgemeinschaften haften, auch als sie zu ständigen Genossenschaften wurden von Kaufleuten, die mit einer bestimmten Stadt Handel trieben.

      Eine solche Genossenschaft gab es auch in Köln. Es waren die Kaufleute, die den seit römischen Zeiten am Rhein angebauten ordentlich vergorenen Rebensaft flussabwärts und über den Kanal nach England brachten und meist mit englischer Wolle zurückkamen. Dazu brauchten sie die Unterstützung des englischen Königs, denn der Handel mit Wolle und Tuchen lag fest in der Hand der Flamen, und es drohte die Gefahr, dass die flandrischen Kaufleute ein Handelsmonopol errichteten. Heinrich II, der Herrscher in London, sah es wohl ähnlich, und so stellte er die rheinischen Fernhändler unter seinen Schutz, gewährte ihnen den Bau einer Guildhall als Niederlassung am Ufer der Themse. Sein Sohn, Richard Löwenherz, ging etliche Jahre später wesentlich weiter: 1194 gewährte er den Kölnern die umfangreichsten Privilegien, die es damals gab – als Dank, dass sie ihm das Kapital geliehen hatten, mit dem er sich aus der Gefangenschaft des deutschen Königs loskaufen konnte.

      In der Kölner Handelsbasis auf der britischen Insel aber tauchten bald auch niederdeutsche Kaufleute auf, und sie kommen aus verschiedenen Städten. Dennoch haben sich die Nordlichter zusammengeschlossen als Händlergemeinschaft, denn sie haben die gleichen Interessen, steuern die gleichen Ziele an. 1157 erhalten auch sie vom englischen König ein erstes Privileg für ihren Handel. Was aber noch wichtiger ist: Die Kölner und diese „Osterlinge“ schließen sich zusammen, wählen sich Ältermänner als Verhandlungsführer aller, schlicht und einfach, weil sie gemeinsam stärker sind. Miteinander leben und handeln sie nun im Stalhof, einer Erweiterung der alten Gildehalle mit Wohnhäusern und Warenspeichern.

      Und hier in London taucht dann 1282 unser Begriff wieder auf, denn sie werden als 'de dudesche Hense' bezeichnet, oder in der allgemeinen Vertragssprache Latein: 'Hansa Alemanniae.' Sie selber sprechen eher von sich als dem 'gemenen Koopman,' also der gemeinsam handelnden Kaufmannschaft. Keine Geburt, keine Herkunft, keine fürstliche Gunst hat diesen Stand geschaffen, sondern allein ihr eigener Wille.

      Kehren wir nach Lübeck zurück. Es sind zwar die gleichen Männer, die hier den Fernhandel beherrschen und im Rat die Stadt regieren, aber Beruf und Mandat, so könnten wir es mit heutigen Begriffen sagen, sind doch getrennt. Zunächst noch. Denn ob Kaufmann oder Ratsherr – sie verfolgen die gleichen Interessen. Und manchmal ist es eben nützlich, wenn in den Verhandlungen mit den politischen Größen nicht der Kaufmann auftritt, sondern der Ratsherr – also der Vertreter der Stadt. Und damit die Stadt selbst. Die Historiker sagen es so: Aus der Kaufmannshanse wird die Städtehanse. Natürlich nicht von heute auf morgen, und nicht von klugen Köpfen ausgeheckt. Es ergab sich halt so, und es war ja auch nützlich.

      Schuld daran war die allgemeine Lage. Lassen wir einfach wieder einen Bardewik die Sache erklären. Es gab damals ja tatsächlich wieder einen im Lübischen Rat – Johann von Bardewik, und er war mehrfach zum Bürgermeister gewählt worden zwischen 1263 und 1290. Wir haben uns vor seinem Haus eingefunden, in der Breiten Straße, schräg gegenüber vom Rathaus. Gerade wollen wir uns den Buden der Goldschmiede zuwenden, die gegenüber, am Rand des weiten Marktplatzes, arbeiten und ihre Ringe und Halsketten anbieten, da öffnet sich auch schon die Tür und Herr Johann tritt heraus in seiner Schaube aus feinem braunen flandrischen Tuch mit dem Zobelkragen. Auf die Trippen, die hölzernen Überschuhe mit den Stelzen gegen den allgegenwärtigen Schmutz, hat er diesmal verzichtet, denn der Markt mit seinem festen Belag aus Holzbohlen wird regelmäßig gereinigt und zum Eingang des Gewandhauses sind schließlich nur wenige Schritte. Es ist zwar keine Ratssitzung angesagt, aber er will sich mit Hinrich von Wittenborg treffen, der in diesem Jahr wieder das Amt eines Bürgermeisters versieht. Es geht um einen wichtigen Vertrag, den Lübecker Sendboten mit den Vertretern der Nachbarstädte Wismar, Rostock und Kiel ausgehandelt haben, auch Stralsund ist trotz früherer Feindschaft mit Lübeck bereit, sich anzuschließen.

      Wittenborg hatte Herrn Johann hinzugebeten, denn er hat Erfahrungen mit Verträgen, hatte er doch 1250 als gerade neu gewählter Ratsherr bereits erfolgreich mit König Hakon von Norwegen verhandelt. Johann von Bardewik war jahrelang nach Bergen gesegelt, hatte dort gelegentlich auch die Wintermonate verbracht, um rechtzeitig viele Tonnen Stockfisch aufzukaufen. Dafür hatte er neben Pelz und Wachs vor allem Weizen aus den preußischen Häfen nach Norwegen verschifft, denn das Land war schon länger auf Einfuhren angewiesen. Er kannte also die Situation gut, als es zu Auseinandersetzungen über die Rechte der Lübecker Kaufleute dort kam. Und er hatte ein Druckmittel: Die einheimische Getreideernte war 1249 wieder einmal unzureichend gewesen, König Hakon mußte die Lübecker dringend um weitere Lieferungen bitten. Der junge Ratsherr nutzte die Gunst der Stunde und trotzte dem König weitere Privilegien ab, ehe Lübecker Schiffe mit dem dringend begehrten Weizen nach Bergen segelten.

      Seitdem galt Herr Johann in seiner Heimatstadt als geschickter Taktiker. Und er kann nun sein Talent auch ganz in den Dienst der Stadt stellen. Wie viele andere Fernhändler geht er nun nicht mehr selbst auf Reisen, sondern lenkt seine Geschäfte von seiner 'Schrivkamere' aus: Auf der Diele seines stattlichen Giebelhauses, bis auf die Rückwand nun ganz in Backstein aufgeführt, hatte er sich eine Dornse seitlich der eichenen Eingangstür abtrennen lassen und dort nicht nur ein Schreibpult und etliche Truhen für die vielen Dokumente hineingestellt, sondern auch einen eigenen Kachelofen für die kalten Monate.

      Von hier aus dirigiert er nun seine Warenströme, teilt sich Schiffe und Ladungen mit anderen Kaufleuten, beauftragt Schiffsführer oder junge Handelsgehilfen mit den Verhandlungen in den angesteuerten

Скачать книгу