Lübeck - ausgeplaudert. Eckhard Lange
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Kirchen jedoch waren mehr als nur Orte, an denen ein Kleriker die (lateinische) Sonntagsmesse las. In ihnen wuchs die Zahl der Altäre und der seitlichen Kapellen, weil es galt, bewusste und unbewusste Sünden zu sühnen, ehe der Tod den Menschen dahinraffte – und auch danach noch gab es eine Chance, dem Fegefeuer rascher zu entfliehen: die Seelenmessen zu Gunsten der verstorbenen Vorfahren. An Sünden mangelte es dem normalen Christenmenschen ja nicht, und ob nicht sogar das Gewinnstreben des Kaufmanns ohne alle produktive Tätigkeit schlechthin sündhaft war, das blieb letztlich ungeklärt.
So war es schon angebracht, sich die Fürbitte der Heiligen durch mancherlei Geschenke zu sichern – von der schlichten Wachskerze bis hin zum geschnitzten Retabel auf einem steinernen Altartisch. Und eine Präbende – Pröven sagte man in Norddeutschland dazu - mit der man einen eigenen Priester bezahlen konnte, der für den Stifter die tägliche Messe las und seine Fürbitte gen Himmel schickte, war ebenso von Vorteil wie eine fromme Stiftung zugunsten der Witwen und Waisen, denn Barmherzigkeit war eine wichtige Tugend, wo man schon nicht immer tugendsam leben konnte. Es waren die reichen Bürger, die ein dem Heiligen Geist geweihtes Hospital stifteten, zunächst in der Marlesgrube, aber dort erhob der Bischof Ansprüche. Und so baute man wenig später am Koberg eine riesige Halle und davor eine zweischiffige Kirche, und beides wurde von einem bürgerlichen Gremium verwaltet.
Kirchen waren jedoch ebenso der Ort, in dem oder doch um den herum die Menschen ihre letzte Ruhe fanden, und je näher dem allerheiligsten Sakrament, desto näher auch dem erhofften Paradies. Wer zu den angesehenen, den ratsfähigen Familien gehörte, hatte sein Erbbegräbnis möglichst gleich in St. Marien – dort, wo der Rat sich versammelte, ehe er in das neu errichtete Rathaus gleich nebenan zog.
6. Dänenherrschaft – Fremdherrschaft?
Eigentlich konnten Ratsherren und Bürgermeister ja zufrieden sein: Seit 1188 war Lübeck eine freie Stadt des Reiches, allein der Kaiser war noch Stadtherr, und der war weit und hatte meist andere Sorgen, als ihnen hineinzuregieren. Aber eben darin lag auch ein Problem: Ein ferner und wenig interessierter Stadtherr würde kaum zu Hilfe eilen, wenn wieder einmal der (nun schon dritte) Adolf von Schauenburg sich Lübecks bemächtigen wollte und damit die Stadt auch in seine zahlreichen Händel verwickeln würde.
Kaiser Friedrich hatte ja mit seinen großzügigen Privilegien für Lübeck auch den Holsteiner Grafen geschädigt: Die mancherlei Rechte am umliegenden Land – Weiderechte auf dem anderen Traveufer, Holzeinschlag im Klützer Winkel, Fischereirechte an der unteren Trave, Hoheitsrechte über die Stecknitz bis nach Mölln – das alles ging schließlich zu Lasten der benachbarten Fürsten, auch wenn sie entschädigt werden mußten. Doch Anlaß für Streit gab es für viele Jahrhunderte (noch 1890 dienten die alten Urkunden als Nachweis vor Gericht!) Aber wir wissen ja: Recht haben und Recht bekommen sind oft genug sehr unterschiedliche Dinge, vor allem, wenn der Holsteiner Graf oder ein anderer mächtiger Nachbar seine Truppen aufmarschieren ließ.
Die politische Lage im nördlichen Raum war um das Jahr 1200 schließlich verworren genug. Dabei ist für jeden, der Handel treibt, vor allem eines wichtig: Frieden und geordnete Verhältnisse, Sicherheit der Verkehrswege zu Lande und vor allem auch auf dem Wasser. Und eine starke Hand, die eben das garantiert. Doch der mächtige Sachsenherzog, der Löwe, war ins Exil nach England geflohen.
Allerdings, da war noch der ehrgeizige Holstengraf, Adolf III, und der nutzte die Gunst der Stunde, um sich überall zu bereichern: die Dithmarscher unterwarf er, die Grafschaften Stade und Ratzeburg nahm er in Besitz. Und natürlich lockte eine weitere Beute: die Stadt an der Trave mit ihren hohen Gewinnen, die man abschöpfen konnte. 1192 mußte sie sich ihm notgedrungen ergeben, und der neue Kaiser, Friedrichs Sohn Heinrich VI, war in Sizilien beschäftigt. So war ihm ein starker Mann hoch oben im Norden durchaus willkommen, und bereitwillig überließ er dem Grafen die Einkünfte aus Lübeck, die eigentlich dem Reich zustanden.
Freunde unter den fürstlichen Nachbarn und den adligen Herren in seinen Ländern hat sich Adolf mit alledem nicht gemacht, und als er auch noch in Mecklenburg einfiel, dessen Herren zu Lehnsleuten des dänischen Königs Knut VI geworden waren, griff dieser ins Geschehen ein. Mächtig genug war er, nannte sich stolz nicht nur König der Dänen, sondern auch der Wenden: „Danorum Slavorumque rex.“ Nun aber hatte er einen Grund, auch gegen Nordelbien vorzugehen. Einen Kaiser hatte er nicht zu fürchten, denn nach Kaiser Heinrichs frühem Tod hatten die Fürsten des Reiches gleich zwei Nachfolger gewählt: Philipp von Schwaben, jüngster Sohn Barbarossas, und Otto von Braunschweig, Sohn des Löwen. Und da bekanntlich sich der Dritte freuen kann, wenn zwei sich streiten, ließ Knut seinen Bruder Waldemar, den Herzog von Schleswig, gegen Adolf ins Feld ziehen, und bald hatte er dessen wichtigste Burgen erobert und Holstein besetzt. Adolf selbst wurde am zweiten Weihnachtstag 1201 gefangen genommen.
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Wütend schlägt Jan Steneke mit der Faust auf sein Pult und wirft das gesiegelte Pergament zur Seite, das ihm eben einer seiner Schreiber hereingereicht hat. Dann greift er nach dem pelzverbrämten Umhang und geht eilig die wenigen Schritte die Mengstraße hinauf zum Haus von Hinrich Wullenpund, den die Ratsleute gerade zu einem der Ihren gewählt haben. Der empfängt den Ältermann der Schonenfahrer sofort, obgleich er gerade im Gespräch mit Herrn Gottfried ist, seines Zeichens seit längerem schon Lübischer Ratsherr.
„Schon wieder hat der Däne eines unserer Schiffe aufgebracht,“ poltert Steneke los, kaum hatte man einen ersten Schluck Braunbier zur Begrüßung genossen. „Und unsere Kaufleute auf Schonen sitzen immer noch dort fest, als seien sie Gefangene des Königs. Wann endlich unternimmt unser Rat etwas dagegen?“ Hinrich zieht die Brauen hoch: „Wir sind nicht untätig, lieber Freund,“ sagt er ein wenig beleidigt. „Aber Ihr wißt schon, dass wir erst kürzlich dem Grafen Adolf die Treue aufgekündigt haben, dem Erzgegner des Dänen? König Knut wird es wohlwollend zur Kenntnis genommen haben.“ - „Aber unsere Männer hält er immer noch gefangen; mitten in der Zeit der Heringsschwärme unterbindet er unseren Handel,“ murrt der Schonenfahrer, „trotz all unserer verbrieften Rechte.“
„Ihr müßt das alles im großen Rahmen betrachten, Jan Steneke,“ mischt sich nun Herr Gottfried ein. „Der Däne hat ganz Holstein gewonnen, und Adolf ist sein Gefangener. König Knut beherrscht die gesamte Küste, und nicht umsonst nennt man seinen Bruder Waldemar den Sieger. Wir werden die Dänen als neue Großmacht betrachten müssen. Und..“ er wendet sich Hinrich zu, ... bald wird er mit seine Truppen vor unseren Toren erscheinen. Es wäre klug, den Dänen dann als Freund...“ und leise, als könnte ihn jemand belauschen, fährt er fort: „...ja, wohl auch als neuen Stadtherrn zu empfangen.“ Hinrich schaut ihn betroffen an: „Aber wir sind Stadt des Reiches,“ wendet er ein. „Um wie letztlich vom Kaiser an den Grafen Adolf verschachert zu werden,“ bemerkt Herr Gottfried, und man hört seinen Spott. „Und welcher Kaiser ist nun unser Stadtherr? Der Welfe oder der Schwabe? Und der dritte ist weit weg im fernen Sizilien, aber König Knut beherrscht den Norden des Reiches. Er allein kann unsere Kaufleute schützen, unseren Handel fördern, unsere Privilegien erneuern.“
„Und unsere Männer auf Schonen?“ Jan Steneke ist die Verwirrung anzumerken. „Hohe Politik, mein Freund,“ antwortet Gottfried gelassen, „Nur ein kleiner Fingerzeig an die Herren unseres Rates: Wenn ihr nicht für uns seid, seid ihr unsere Feinde.“ Er legt dem Schonenfahrer die Hand auf die Schulter: „Seid gewiß, Jan, bald werden die Männer auf Schonen wieder frei sein, wenn der Rat dem König Botschaft schickt, Lubeke erkennt ihn als neuen Stadtherrn an. Und es wird wieder Frieden herrschen