Lübeck - ausgeplaudert. Eckhard Lange

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Lübeck - ausgeplaudert - Eckhard Lange

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und damit den Lübecker Handel zu gefährden. Auch sonst gab es allerlei Vorteile für die Lübecker Kaufleute, wenn sie im Reich unterwegs waren. Vor allem aber: Lübeck sollte frei sein, nur dem deutschen König, also dem Kaiser, unterstellt, es sei „Reichsgut“ – und es sollte auch in aller Zukunft nicht aus dem Besitz des Reiches herausgenommen werden, wenn es wieder einmal einem Kaiser in den Sinn kommen sollte, einem Fürsten die Stadtherrschaft abzutreten.

      Das alles konnte Kaiser Friedrich zwar überhaupt nicht durchsetzen, aber es war ein unbestreitbarer Rechtstitel für die Stadt, und als die Sendboten mit ihrem kostbaren Dokument zurückgekehrt waren, legte man es in der Trese ab, der Schatzkammer der Stadt unter dem Dach von St. Marien – und bis 1940 war es dort wohlverwahrt, bis es nach manchen Irrungen 1986 wieder nach Lübeck zurückkehrte. Nur das goldene Siegel des Kaisers – die Bulle – hatte es dabei eingebüßt. Gold findet eben immer einen Käufer.

      Noch aber war die Freiheit Lübecks nur ein Versprechen, für dessen Einlösung die Stadt erst selbst sorgen mußte. Zwar hatte Waldemar feierlich auf Rache verzichtet, doch bald versuchte er, das Verlorene zurück zu gewinnen. Schließlich hatte ihn der Papst höchst persönlich von seinem erzwungenen Eid gelöst.

      9. Lübeck – Zentrum des Fernhandels

      Waren es anfangs zumeist Luxusartikel, die unsere aben- teuernden Fernhändler mit der Knorr, dem etwas breiter ausladenden Langschiff der Nordmänner, von Gotland herbeischafften und damit glänzende Geschäfte machten, so wuchs im 13. Jahrhundert der Bedarf an Massengütern: Weizen, Holz, Wachs und Honig, vor allem aber Fisch, getrocknet, gedörrt, gesalzen. Und langsam wurde es schwierig, das alles auf dem Seeweg zu befördern.

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       Dietrich Bokholt hat sein Schiff im Hafen von Skanör mit Heringsfässern beladen. Gerade hat er sich vom Ältermann der Hansischen verabschiedet und schlendert zurück zum Strand. Doch plötzlich stutzt er: Dicht neben dem seinen liegt ein fremdes Schiff, und fremd ist auch seine Bauart.

       Zwar ist es kaum größer als seine Knorr, doch weitaus bauchiger und mit höheren Bordwänden; der Vordersteven ragt ohne jede Krümmung aus dem Wasser, der hintere ist noch steiler und ebenfalls gerade. Auch liegt das Schiff viel dichter am Ufer, es scheint einen flachen Boden statt des üblichen Kiels zu haben. Das erklärt auch, warum es so breit und behäbig erscheint. Gerade kommt sein Schiffsführer hinzu, auch er betrachtet das andere Schiff mit Erstaunen.

      „Seht nur,“ sagt er zu Dietrich: „Nirgends sind die Planken geklinkert! Keine liegt über der anderen, keine ist genagelt und gedichtet worden. Ob man mit solch glatten Schiffswänden wohl schneller durch das Wasser gleitet?“ Dietrich zuckt die Achseln. Er bewundert eher, dass dieses Schiff nicht offen ist, sondern nach oben hin geschlossen. Und auf dem Heck sitzt sogar ein erhöhtes Podest wie ein flachgedeckter Schuppen. Neugierig tritt er näher an das Ufer heran. Vom Mast weht der Wimpel einer St. Knut-Gilde, also kommt das Schiff wohl von einer der dänischen Inseln.

       Doch dann sieht er, wie der Schiffer an Deck kommt, und ruft ihn an: „Sagt, guter Freund, was habt Ihr da für ein Schiff?“ Der Däne lacht: „Da staunt Ihr, nicht wahr? Dabei gibt es diese Koggen schon seit langem. Die Friesen fahren darauf, denn mit dem flachen Boden liegt es gut auf, wenn im Hafen Niedrigwasser ist. Das ist auch im flachen Wattenmeer ein großer Vorteil. Und wie Ihr seht, lässt sich das Schiff darum auch viel weiter an eine Kaikante bringen.“

      „Aber Ihr habt keine Ruderer?“ „Nein, wir fahren allein mit dem Segel. Das spart eine gute Anzahl Schiffsvolk, und Ihr wisst selber, dass damit die Frachtkosten sinken.“ - „Ja, das ist wahr,“ bestätigte Dietrich, und sein Interesse an diesem Schiffstyp steigt. „Und wer hat Euch diese Kogge, wie Ihr sie nennt, gebaut?“ „Meine Schiffsherren haben sie einem Händler aus Dorestad abgekauft. Aber auch in Jütland, so hörte ich, wurden bereits die ersten gebaut.“

      „Und wie viel Last könnt Ihr an Bord nehmen?“ fragt Dietrich. „Nun, mit sechzig Last sind wir vollbeladen.“ - „Das hört sich gut an, unsere Knorr faßt gerade einmal die Hälfte. Und Ihr sagt, die Jütländer können solche Schiffe auf Kiel legen?“ Der Schiffer lacht: „Kiel ist gut. Der Koggenboden ist platt wie ein großes Brett, da dient der Kiel nur noch dazu, die Steven zu halten. Doch das kann ich Euch leider nicht zeigen, es sei denn, Ihr lasst Euch kielholen.“ Nun lacht auch Dietmar: „Vielen Dank, darauf verzichte ich gern. Jedenfalls wünsche ich Euch eine gute Reise!“

       Dietrich Bokholt ist nachdenklich geworden. Dieses andere Schiff scheint wirklich besser zu sein als die Knorr, wie man sie in Lubeke nutzt. „Man müsste einmal eine Fahrt mit einer solchen Kogge machen,“ sagt er zu seinem Schiffsführer. „Ich muß darüber unbedingt mit den anderen Kaufleuten reden.“

       War es so? Oder war es doch so ähnlich? Vielleicht.

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      Und die Lübecker ließen sich rasch überzeugen, zu groß waren die Vorteile dieses neuen Schiffstyps. Auf Ruderer konnte man so verzichten, ein Mast mit einem großen Rahsegel reichte, und der breite Rumpf fasste eine große Ladung. 100 bis 200 Tonnen – nach unseren Maßen – konnten es schon sein. Kein Wunder, dass dieses Schiff, die berühmte Kogge, und danach die etwas verbesserte Kraweel, für gut zweihundert Jahre das Transportmittel schlechthin auf Nord- und Ostsee wurde. Es war schneller herzustellen, verbrauchte weniger Material und war noch bei mäßigem Wind rascher am Ziel als jeder Fuhrmann an Land. Ein hoher Aufbau am Heck, das Kastell, bot Platz für Schiffsführer und die mitreisenden Kaufleute, das Ruder wanderte von Steuerbord ans Heck und machte das Schiff wesentlich manövrierfähiger.

      Segelte man anfangs noch möglichst unter Land, also in Sichtweite der Küste, um sich zu orientieren, so fuhr man jetzt auch über das offene Meer. Das verkürzte den Seeweg, und selbst bis ins ferne Reval war man gerade eine Woche unterwegs. Lange Zeit war für die Lübecker Händler Gotland das erklärte Ziel, hier nahmen sie von den Nordmännern die Waren des Ostens in Empfang und tauschten sie gegen das, was sie mitbrachten. Wir erinnern uns: Schon Heinrich der Löwe hatte nicht nur den gotländischen Kaufleuten freien Handel in seinen Landen zugesagt, sondern auch den Lübeckern gleiche Rechte auf der Insel beschafft. Viele blieben dort länger, manche auch über Winter. Und in Visby, dem Hauptort Gotlands, gab es bald ein eigenes deutsches Viertel mit einer eigenen Kirche für die Genossenschaft der lübischen Gotlandfahrer. Visby war also die Spinne im Netz des Ostseehandels.

      Aber Lübeck wuchs ebenso zu einem Knotenpunkt von See- und Landwegen heran. Zwei Spinnen in einem Netz? Wie lange würde das gut gehen? Zunächst war Visby die eigentliche Schutzmacht der deutschen Händler, nahm sie in ihrer Niederlassung in Nowgorod auf, gründete dann gemeinsam mit ihnen den Peterhof dort, das spätere Kontor der Hanse. Visby war zur Großstadt geworden, schloß ein Bündnis mit Lübeck, gehörte dann auch zur Hanse. Viele lübische Kaufleute blieben ganz auf der Insel, wurden Bürger Visbys. Doch um die Verwaltung des Peterhofs gab es Streit zwischen den beiden Städten, und irgendwann war es Lübeck, das die Nase vorn hatte. Irgendwann hat eine Spinne die andere gefressen.

      Es waren also lange Jahrzehnte die Genossenschaften der Kaufleute, die mit den einheimischen Größen verhandeln mussten. Und es gab viel zu bereden: Welche Rechte hatten sie als Ausländer in der Fremde, von welchen Abgaben und Zöllen wollten sie sich freikaufen, wie sah es mit der Selbstverwaltung in ihren Niederlassungen aus, welches Gericht war zuständig bei Streitigkeiten über Waren und Preise – oder bei Mord und Totschlag? Was ist mit Schiff und Ladung, wenn beides nach einem Schiffbruch am fremden Strand landete,

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