Lübeck - ausgeplaudert. Eckhard Lange

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Lübeck - ausgeplaudert - Eckhard Lange

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keinen Pfusch anboten und an den ihnen zugewiesenen Plätzen ihre Waren anboten. Da ist es gut, dass ihm die Büttel zur Seite standen.

      Während wir hier ins Plaudern kommen, ist unser Ratsherr schon in den ersten Stock des Gewandhauses hinaufgestiegen, wo Bürgermeister Hinrich von Wittenborg, Ratsherr Arnold Schotelmund und der Stadtschreiber bereits zusammensitzen. Der Rat von Wismar hatte den Entwurf einer Urkunde geschickt, die es zu beraten gilt. Worum geht es da? Seit langem schon klagen die Händler darüber, dass Straßen und Wege immer unsicherer werden. Zwar herrscht Landfrieden, und die Landesherren sollen ihn durchsetzen, doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Die vielen Adligen in ihren befestigten Häusern sind in den Augen der Städte zu bloßen Wegelagerern geworden, zu Räubern und Erpressern. Gut, das mag einseitig sein, denn meist ging es ganz legal um eine Fehde, und die war keineswegs verboten.

      Aber Anlaß für eine solche Kriegserklärung konnte (fast) alles sein, und sie konnte jeden treffen: Einen einzelnen Bürger oder gleich die ganze Stadt. Und war sie erst einmal erklärt, konnte der Ritter jeden Warenzug, jeden reisenden Kaufmann gleichsam als Pfand nehmen, bis seine Forderung erfüllt war. Es gelang den Fürsten nur selten, die Rückgabe von widerrechtlich einbehaltenem Gut zu erzwingen oder wenigstens für Entschädigung zu sorgen. Hier aber war nun die Stadt, also die Räte und Bürgermeister, gefragt, waren sie doch zum Schutz ihrer Bürger verpflichtet, und das nicht nur innerhalb der Mauern.

      So hatten schon die beiden Städte Hamburg und Lübeck seit längerem einen Vertrag geschlossen, um die Wege, die sie verbanden, sicherer zu machen. Und nun liegt das Pergament aus Wismar auf dem Tisch. Johann studiert es genau, und er weiß wohl, was es bedeutet: Die Städte sollen sich urkundlich verpflichten, so liest er, jeden, der einen Kaufmann beraubt, für geächtet zu erklären. Im Klartext: Jeder darf dann solche Leute ohne weiteres Gerichtsverfahren, aber dennoch ohne Angst vor Strafe ins Jenseits befördern. Und wer diese Räuber schützt, ihnen Zuflucht gewährt, verfällt ebenfalls der Acht.

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       Herr Johann blickt auf und schaut die drei Männer an: „Damit nehmen wir uns ein Recht heraus, das nur dem König zusteht,“ sagt er nachdenklich. Der Bürgermeister erwidert den Blick: „Nennt mir einen Herrn, lieber Johann, ob Kaiser, Herzöge oder Grafen, die unsere Kaufleute zu schützen wissen. Es bleibt uns keine Wahl, als dieses Recht in die eigenen Hände zu nehmen.“

       Und Johann von Bardewik weiß aus manch eigener Erfahrung, dass Wittenborg die Wahrheit spricht. „Ja, es ist leider wahr! Wie oft schon haben diese Buchwalds und Scharpenbergs einen Warenzug überfallen, ihn ausgeraubt und die gefangenen Kaufgesellen nur gegen hohes Lösegeld freigelassen. Und das mit höchst fadenscheinigen Vorwänden für eine Fehde.“ - „Wenn es denn überhaupt eine Fehde gab,“ mischt sich nun Herr Arnold in der Runde ein: „Vergangenes Jahr hat dieser Lorenz Scharpenberg meine Wagen in der Hahnheide überfallen, ohne je einen Fehdebrief geschickt zu haben. Das ist eindeutig Straßenraub. Und weil mein Ältester unter den Begleitern war, hat er eine gewaltige Summe für seine Freilassung verlangt. Was sollte ich tun? Ich habe zahlen müssen!“

      „Ja, was soll man anderes tun?“ nimmt Herr Johann den Faden auf. „Auf die Fürsten können wir kaum zählen, ob es nun der Lüneburger Herzog oder Graf Adolf ist. Dabei sind diese Strauchritter ihre Lehnsleute. Aber hat der Herzog je einen gezwungen, die Gefangenen freizulassen? Oder uns den Schaden zu ersetzen? Nichts als schöne Worte bekommen wir von ihm zu hören.“ - „Eben darum müssen die Städte nun selber handeln,“ sagt Wittenborg und deutet auf das Pergament, um das es hier geht. „Aber werden sie auch einwilligen, diesen Vertrag besiegeln?“

       Der Bürgermeister lächelt „Da bin ich sicher. So sehr unsere Kaufleute auch auf den vielen Märkten rings um die Ostsee konkurrieren mögen, hier haben alle ein gemeinsames Interesse, und das läßt sich gemeinsam am besten vertreten.“

       War es so? Oder war es doch so ähnlich? Vielleicht

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      Verlassen wir das Lübecker Rathaus und die drei Herren dort für einen Augenblick des Nachdenkens. Wie könnte unser Urteil – aus der Sicht des 21. Jahrhunderts – wohl ausfallen? Jedenfalls alles andere als einhellig. Lautet es: Die Stadt(regierung) damals stellte sich schützend vor ihre Bürger? Oder sollte man eher sagen: Jetzt hat eine elitäre Schicht die Stadt endgültig zum Instrument eigener Interessen gemacht?

      Könnten wir feststellen: Hier entsteht ein globales Netzwerk, um den freien Austausch von Waren (und manchmal ja auch von Ideen) zu fördern und zu sichern? Oder sollten wir entsetzt konstatieren: Hier vollzieht sich ein gnadenloser Kampf um ein Handelsmonopol, ein Preisdiktat zu Lasten der Produzenten? (Also genau das, was in unseren Tagen die großen Einzelhandelskonzerne auch praktizieren.)

      Damals entstanden die ersten regionalen Städtebündnisse – die 'wendischen' mit Lübeck und die rheinisch-west-fälischen mit Köln an der Spitze, die sich dann in der großen hansischen Gemeinschaft zusammenfanden. Dabei tobte der Konkurrenzkampf der Städte untereinander um Märkte und Absatz kaum gebremst weiter. Aber es gab eben auch Dinge, die allen gemeinsam waren und nur gemeinsam durchgesetzt werden konnten: Schutz vor Wegelagerei und den lästigen Zollschranken einerseits, Ausschaltung fremder Konkurrenz andererseits. Freiheit des Handels und rigorose Kartellpolitik – nur zwei Seiten einer Medaille, auf der stets eines stand: de dudesche hense. Wenn wir die Münze werfen – was würde dann oben liegen?

      Es dauert noch mehr als ein halbes Jahrhundert, bis sich 1356 auf Einladung des lübischen Rats hier in seiner Stadt Vertreter (Sendboten nannte man sie damals) all der vielen Städte zu einer ersten 'Tagfahrt' trafen, also zu einer gemeinsamen Konferenz. Die ja längst bestehende Hanse der Städte hatte ein Gesicht bekommen. Traf man sich anfangs hier und da in den Städten, so wurde bald Lübeck zum eigentlichen Tagungsort, und Lübecks Rat verschickte die Tagesordnung.

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